Marcus H. Rosenmüller zur Perlmutterfarbe

08.01.2009 - 08:30 Uhr
Marcus H. Rosenmüller mit seinem Hauptdarsteller
Constantin Film
Marcus H. Rosenmüller mit seinem Hauptdarsteller
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NEWS» Regisseur Marcus H. Rosenmüller spricht über seinen neuen Film Die Perlmutterfarbe.

Was hat sie an der Geschichte von DIE PERLMUTTERFARBE angezogen?

Es ist einfach ein großes Thema, das aus Kindersicht erzählt wird: Es geht um Ausgrenzung, um Schuld, um Mitläufertum. Da kann man ganz naiv herangehen und Sachen hinterfragen, die in der Erwachsenenwelt als selbstverständlich hingenommen werden.

Die Geschichte ist im Jahr 1931 angesiedelt – also in der Endphase der Weimarer Republik, nur wenige Jahre vor der Machtergreifung der Nazis…

Das stimmt, aber es bleibt bewusst im Hintergrund. Die Stimmung ist schon da, durch die Kostüme und die Ausstattung kann man das auch ziemlich genau eingrenzen. Aber mir war absolut klar, dass man eben nicht irgendwo im Bild Hakenkreuze sehen muss. Ich wollte das subtiler machen. Ein paar der Lehrerfiguren sind zwiespältig, wenn man genau hinguckt: Der Musiklehrer ist eher ein Spaßvogel, aber er könnte auch ein Nazi sein – bei den Liedern, die er seinen Chor singen lässt. Und auch beim Sport sind Aspekte der Hitlerjugend-Propaganda subtil und latent vorhanden – alle fit, alle fröhlich, tolle Kameradschaft… Aber das in den Vordergrund zu stellen, hätte dem entgegen gestanden, etwas Zeitloses zu erzählen.

Steckt bei dem Schwarz-Weiß-Gruselstreifen, der als “Film im Film” zu sehen ist, auch etwas von Ihren persönlichen Kino-Vorlieben drin?

Meine filmischen Vorlieben gehen quer durch die Bank. Da gehören auch alte Filme dazu, ganz klar: Ich bin immer wieder erstaunt, was in den 30er Jahren schon Tolles gedreht wurde, zum Teil mit ganz einfachen Mitteln. Ich bin ein Fan von vielen Genres, da gibt’s keine Grenze –. Und bei unserem Setting 1931 – das ist das Jahr, in dem der Frankenstein [mit Boris Karloff als Monster] und der Dracula [mit Bela Lugosi als Dracula] gedreht wurden – da ist der deutsche Expressionismus wie Das Cabinet des Dr. Caligari absolut ein Vorbild.

Inwieweit ist DIE PERLMUTTERFARBE auch ein persönlicher Film von Ihnen?

Naja einfach das Thema. Das Dilemma in dem Alexander steckt ist mir natürlich bestens bekannt: zu lügen weil man sich nicht blamieren will und so der großen Blamage mit Volldampf entgegensteuern.

Wie sich Alexander immer mehr in seinen Lügen verfängt: Ist das für Sie eine typische Kindheitssituation, die Sie auch aus eigenem Erleben kennen?

Ich glaube, das hört nie auf…! Man kommt doch auch als Erwachsener immer mal in Verlegenheiten, und dann nimmt man schnell den einfachen Weg, anstatt sich einer Konfrontation zu stellen. Es ist leicht, sich zu sagen: Ist ja egal, ob das, was ich sag’, der Wahrheit entspricht. Bis das kritisch werden könnte, ist man schon beim nächsten Thema… Aber manchmal ist es eben doch nicht egal und da sagt man dann nur: Bin ich ein Trottel – hätt’ ich doch die Wahrheit gesagt, wenn ich geahnt hätte, was sich daraus entwickelt…!

Es ist ja schon ein idealistischer Schluss, dass Alexander am Ende etwas daraus lernt und seine Feigheit überwindet…

Auf jeden Fall! Dann irgendwann zu sagen: Ich hab’ Schmarrn erzählt – das erfordert Mut. Ganz ähnlich, wenn man bei etwas mitläuft und noch nicht einmal merkt, dass man mitläuft – das ist einfach so schön bequem, ich brauch’ mein eigenes Hirnkastl nicht anstrengen, wenn die anderen das so machen, dann wird’s schon richtig sein…! Die Parabel von der Anna Maria Jokl, in der sie genau dieses Mitläufertum beschreibt, war natürlich stark auf die Zeit des Nationalsozialismus bezogen, aber heute gibt es diese Denkfaulheit und Gedankenlosigkeit genauso.

Die Sequenz, in der der neue Mitschüler Gruber die Klasse in eine Kampftruppe mit ihm als Anführer verwandeln will, hat schon Anklänge an den Film “Die Welle”.

Das ist ja auch kein Wunder. Alle Filme, die in irgendeiner Form den Mechanismus von Manipulation beschreiben, weisen naturgemäß auch Parallelen auf. Egal, ob dieses Thema nun so ernst dargestellt wird wie in Die Welle oder leicht ironisch wie in Die Perlmutterfarbe.

Was auffällt, ist, dass Sie die Brutalität der Kinder untereinander ungeschminkt zeigen…

Ja, das war mir ganz wichtig, dass es da nicht nur nett zugeht, sondern dass die sich auch gegenseitig richtig verdreschen. Und auch das trägt zu der Zwiespältigkeit des Ganzen bei. Denn als am Schluss Grubers Bande im Stahlwerk Hugo in der Mangel hat, nehmen sich Maulwurf und die anderen Heini vor, indem sie ihn auf Maulwurfs Lügendetektor legen. Beide Seite foltern, ob mit Schlägen oder mit der Kitzelmaschine, und bei Folter stellt sich dann die Frage: Was ist die Wahrheit wert, die dabei herauskommt? Und wer ist denn nun im Recht oder steht moralisch besser da?

Copyright: Constantin Film

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