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Mars - eine Serie zwischen dokumentarischer Erzählung und dramatischer Handlung

03.07.2018 - 17:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Mars, Mars Staffel 1 | USA (2016)
National Geographic
Mars, Mars Staffel 1 | USA (2016)
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Das Konzept erschien schwierig: Dokumentation und erzählende Handlung in einem? Ein durchaus schwieriger Ansatz, den es erst einmal umzusetzen gilt. Doch schafft dies diese Serie auch? Wird sie ihren Ansprüchen gerecht?

- ein Artikel von jnschrstn

Vorhang auf für National Geographic

Man ist schon einiges gewohnt von dem wohl größten Unternehmen für die Verbreitung von Wissenschaft, Film und Forschung, in Text-, Bild-, und tonaler Ausführung. Viele Analysen, Dokumentationen und weiteres findet man auf der Agenda des Unternehmens. Nun auch eine Serie unter der Regie von Everardo Gout und Justin Wilkes. Nach einer Buchvorlage entstand eine Dokumentation mit wissenschaftlichem Anspruch in der Rahmenhandlung, die wunderbar in die Erzählung der Science Fiction-Serie eingebettet wurde. 


Die Dokumentation stellt dabei nicht die eigentliche Besonderheit der Serie dar. Vielmehr schafft diese einen Rahmen für die sich daraus ergebende Handlung, woraufhin die Protagonisten der dramatischen Erzählung immer wieder Rückbezug nehmen können. An manchen Stellen passiert dies recht oft und kann von einigen als störend empfunden werden: Zudem kommt, dass sich die Schnitte stellenweise nur auf wenige Minuten belaufen, das einen den Handlungsstrang schnell verlieren lassen kann, was aber glücklicherweise nicht allzu häufig passiert. 


Während des Schauens ergibt sich durchaus die Illusion, nicht in einer Dokumentation zu sein - diese Trennung von Science Fiction und tatsächlicher Wissenschaft wird hier aufgehoben; ein vollkommen neuer Ansatz für zukünftige Serien, den National Geographic als Dokumentationssender umsetzt.


Szenische Inszenierung | Cast

Eines muss man der Serie wirklich zu Gute halten: Sie schafft es, nicht fernab von jeglicher Realität zu agieren, sondern beruft sich auf das, was bereits in der Forschung geplant ist und auch tatsächlich realisierbar erscheint. HUDs oder Hologramme sucht man hier vergeblich; die Serie bleibt weitestgehend auf dem Boden der Tatsachen und stellt die Jahre der Zukunft nicht als "überinnovativ" dar. 
 In Sachen Special Effects ist sie dann wiederum recht schwierig zu beurteilen: Teils werden wirklich hübsch eingesetzte Effekte verwendet, andererseits erkennt man in vielen Einstellungen den Unterschied zwischen Set und GreenScreen - eine Sache, die selbst 2016 nicht mehr passieren sollte. 


Die Sound Kulisse überzeugt auch nicht in Gänze. Der Mars als Planet wird hier mystisch untermalt, mit plattentektonischen Geräuschen, Sandstürmen und anderen Kleinigkeiten. Doch ob man es will, oder nicht: Stellenweise fühlt man sich, als sei man in einem Horror Film. Alles knarrt und knackst, Geräusche sind dort, wo eigentlich keine sein sollten, Echos entstehen von Funksprüchen, die gar keinen Hall erzeugen könnten usw. Hier macht man es sich schlicht und ergreifend zu einfach und erfüllt das Klischee vom fremden Planeten zu deutlich. Am Lustigsten erscheint jedoch die Wahl für die Klingel in der Hauptbasis auf dem Mars: Ein iPhone Nachrichten-Ton namens "Eingabe". Einfach mal googeln und vergleichen!

Der Cast wurde klug gewählt und scheint in seiner Konstellation auch durchaus realistisch. Dennoch wird man ganz froh sein, wenn einer der Schauspieler früh von der Leinwand verschwindet, um nicht mehr von seiner doch wirklich schlechten schauspielerischen Leistung gequält zu werden. Diese stellt in dieser Serie aber wirklich eine Ausnahme dar: Der Cast entwickelt sich gut und schafft es auch Emotionen zu spiegeln, ohne auf das Einsetzen eines Erzählers oder einer Stimme aus dem Off zurückgreifen zu müssen.


 Inhaltliche Fragestellung 


Wir schreiben das Jahr 2033: das Jahr, welches die erste bemannte Raumfahrt Mission zum Planeten Mars begleiten soll. So erträumt es sich zumindest der Vorstand von SpaceX unter der Leitung von Elon Musk. Ein Traum, der geträumt werden will - und das wird er auch. Dieses Unternehmen setzt weiterhin Maßstäbe in ihren Konzepten, bringt die Raumfahrttechnik voran und beflügelt die Vorstellung, eines Tages unser Sonnensystem komplett zu bevölkern. Doch der richtige Ansatz für die weiteren Jahre mag das wohl nicht sein: Die logische Konsequenz, die sich aus der Bevölkerung lebensfeindlicher, fremder Welten ergeben würde, führt jedwede Missionen ad absurdum; bringt man diesen Vorhaben Kritik entgegen, versuche man die Euphorie zu bremsen. Der Mensch als Spezies ist von vornherein nicht dazu geschaffen, die Erde zu verlassen. Diese Fragestellung taucht als eine der ersten im Handlungsverlauf der Serie auf. Evolutionsbedingt passte sich der Mensch an die vorgegebenen Axiome an und perfektionierte so seine Existenz auf dem Planeten Erde. 


Schon zu Beginn der ersten Folge befasst man sich mit elementaren Problemen, die sich während einer solchen Mission ergeben könnten, allein abhängig vom Faktor Mensch: Dabei sei noch nicht differenziert, ob sie somatischer oder psychischer Natur sind. Eine Raumfahrtmission zum Mars schafft eine Entfernung, die unüberwindbar erscheint: rund 56 Millionen Kilometer. Warum sollte man diese Reise auf sich nehmen? Welcher wissenschaftliche Anspruch ergibt sich? Was rechtfertigt die Strapazen für eine Crew, die über ein halbes Jahr auf engstem Raum leben müssten, nur um dann auf einem kargen, toten, roten Planeten zu landen?


Neil deGrasse Tyson formuliert an einer Stelle im dokumentarischen Teil der Serie, dass es viele Gründe geben mag, um eine Mission zum Mars zu rechtfertigen - nur seien diese rein wissenschaftlicher Natur. An dieser Stelle muss man ihm uneingeschränkt, auch wenn seine sonstigen Äußerungen meist nicht denen eines studierten Physikers entsprechen. Die einzigen Gründe, die man objektiv bejahen muss und die eindeutig für eine Mission zum Mars sprechen, belaufen sich darin, den Drang der Neugier des Menschen zu befriedigen, sich neue Wissensfelder zu erschließen und Wissenslücken zu eliminieren. Doch hier verliert sich die Serie in ihrer Erzählung, was auch einen großen Kritikpunkt an SpaceX aufbringt: Das Unternehmen setzt voraus, dass eine komplette Erforschung des Mars nur mit einer vollständigen (oder in Teilen vorangetriebenen) Kolonialisierung möglich ist. Hier liegt der Fehler: Eine solche Vorstellung klingt zwar im Ansatz gut, doch in der Umsetzung wird sie scheitern. Auch das zeigt die Serie mit der gescheiterten Apollo 13 Mission und dem mit ihr eigestellten Mond-Programm. Die Serie sieht also ihren Fehler, bemerkt ihn aber nicht. Erst zum Schluss erlangt sie ihren wissenschaftlichen Anspruch zurück. 


Wichtig bleibt dennoch zu beachten, dass die Grundpfeiler, auf denen die Mission errichtete werden soll, als nennenswerte Erfolge bezeichnet werden können. Die Einsicht, inwieweit dem Menschen Grenzen gesetzt sind und wo diese sich schon auf terrestrischen Missionen zeigten, wurde gewonnen. Man beschränkt sich nunmehr darin, die Entwicklung nicht rasant, sondern langsam voran zu treiben. An dieser Stelle zeigt die Handlung der Science Fiction-Serie sehr gut, wie irrwitzig überschnelle, unüberlegte und unerfahrene Vorgehensweisen sein und ganzen Vorhaben ein schnelles Ende bereiten können. 


Streitpunkte schafft die Serie im Bezug auf den Nutzen für die Erde. Vielen erscheint diese Mission als Verschwendung von Ressourcen, finanziellen Mitteln und Personal, dass sowieso sterben wird. Dies ist jedoch zu knapp formuliert und zudem falsch: Den Nutzen, der sich für den Planeten Erde automatisch ergeben wird, ist die voranschreitende Forschung in Sachen "Terra-Forming". Auch für den Menschen auf der Erde stellt die Landwirtschaft eine der wichtigsten Grundlagen für dessen Existenz dar. Um auf dem Mars forschen zu können, muss diese Grundlage dort so funktionieren, dass sie zur Selbstversorgung ausreichend ist. Aus dieser Grundlagenforschung wiederum lassen sich Schlüsse ziehen, wie auf der Erde selbst Hilfe zur Selbsthilfe gewährleistet werden kann.


 Eine Frage, die ich schon in meiner Kritik zu "Mars" erörterte, war ob es nicht profitabler wäre, andere Ziele unseres Sonnensystems in Betracht zu ziehen. Natürlich wäre es das. Was man an dieser Stelle jedoch schnell vergisst, ist dass jegliche Erfahrung für eine umso gefährlichere Mission fehlen würden, die man durch die Reise zum Mars erreichen könnte. Ein Jupitermond wie Europa stellt selbstverständlich einen weitaus höheren Ansporn im Sinne der Forschung dar, oder der Saturnmond Titan im Sinne der Weltwirtschaft. Der Erfolg der Menschheit lag schon immer in kleineren Schritten; somit scheint es durchweg unbrauchbar, eine Kolonialisierung des Mars anzustreben. Was eine solche Mission jedoch darstellt, ist die Erfahrung, die uns auf zukünftigen Reisen weiterbringen wird - sie schafft den wissenschaftlichen Fortschritt für Kommendes. Es ist niemals falsch zu träumen. Sich hierbei in einfacher Wissenschaftskritik zu ergehen, dass jeglicher Anspruch nur herbei ersehnt sei, ja gar nicht existent, die Ziele zu klein und der Vorsatz zu hoch wäre, schafft keinen Raum für neues, hart erarbeitetes Wissen auf der Suche nach Leben im All, und der bitteren Erkenntnis, dass es uns Menschen niemals möglich sein mag, unser Sonnensystem auch nur im Ansatz zu verlassen.

Resümee

Eines ist vollkommen klar: Der Ansatz, Dokumentation und dramatische Handlung zu verbinden, ist eindeutig gelungen. Vielerseits hebt sich die Barriere zwischen beiden filmischen Stilen auf und schafft so etwas, das sowohl informativ, als auch spannend sein kann. Dennoch bleibt die Barriere bestehen und der Ansatz als solches vermutlich fehlgeleitet. Vielen wird es aufstoßen, immer wieder aus der Haupthandlung entrissen zu werden und abwarten zu müssen, bis das Mitfiebern weitergehen kann. Es bleibt eine gute Serie, die jedoch weit davon entfernt ist, perfekt zu sein und sich schlussendlich in einer pragmatischen Utopie verläuft - deren Enthusiasmus vielleicht ansteckend sein kann, bei diesem Thema jedoch komplett fehlgeleitet ist.

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