Melancholische Soundtracks für verlorene Seelen

10.11.2010 - 08:40 Uhr
Somewhere Soundtrack
Tobis Film GmbH/Cooperative Music/Universal
Somewhere Soundtrack
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Zum Start von Somewhere, dem neuen Film von Sofia Coppola, wagen wir einen kleinen Abstecher in filmmusikalische Gefilde und erkunden das Geheimnis der Regisseurin.

Sofia Coppola besitzt eine Gabe. Genau genommen zwei. Sie verfügt nicht nur über ein besonderes Einfühlungsvermögen, wenn es um ihre Filmcharaktere geht. Sie weiß auch, die verletzlichen Momente ihrer Charaktere musikalisch zu unterstreichen. So gut, dass mittlerweile jeder ihrer Filmsoundtracks zu begehrten Sammlerobjekten avancierten. Es stellt sich die Frage, ob auch Somewhere das Zeug zu einem Klassiker hat?

The Virgin Suicides – Verlorene Jugend
Für ihr Teenagerdrama The Virgin Suicides – Verlorene Jugend verwendete Sofia Coppola einen suggestiven und metaphorischen Score, der von niemand geringerem als der französischen Synthie Pop-Band Air komponiert wurde. Das Titellied Playground Love wurde zu einer modernen Hymne und spiegelte die Ernüchterung und verlorenen Lebensgeist der jungen Lisbon-Schwestern auf eindringliche Weise wider. Ein Spiel mit den Kontrasten, leicht, naiv und doch schwermütig.

Lost In Translation
Romantik muss nicht immer kitschig sein, dachte sich wohl auch Sofia Coppola und fügte für Lost in Translation eine Soundtrackcompilation zusammen, die scheinbar schon immer zusammen gehörte: Air, Sebastien Tellier, Phoenix, Kevin Shiels oder My Bloody Valentine finden sich sowohl im Film als auch im Soundtrack wieder und verleihen der Stadt Tokio einen träumerischen Charakter. Die perfekte Untermalung für eine zarte Romanze zwischen zwei Verlorenen. Wer mit dem Soundtrack im Ohr schon einmal durch eine beliebige Großstadt wandelte, der weiß, dass die Songzusammenstellung nicht nur zeitlos, sondern auch universell anwendbar ist – mit demselben eindringlichen Effekt.

Marie Antoinette
Mit Marie Antoinette lieferte Sofia Coppola ein gewagtes Experiment: ein poppig-moderner Kostümfilm mit historischem Anspruch unterlegt mit einem Punk-Rock Soundtrack. New Wave trifft auf barocke Klassik. Dem Film wurde ein Doppelalbum als Soundtrack spendiert. Während die erste Scheibe einige der besten New Wave-Klassiker enthält, bietet die Zweite Bestandteile des Scores von Aphex Twin-Mastermind Richard James und zusätzliche barocke Kammermusik. Eine ungewöhnliche Mischung, die aber auch losgelöst von Coppolas Bildern nicht einer Gewissen Faszination entbehrt.

Somewhere
Bei Somewhere griff die Tochter von Francis Ford Coppola eine Arbeitsweise auf, die sie bereits bei The Virgin Suicides – Verlorene Jugend verfolgte. Sie buchte eine Musikband, die ihrer Meinung nach den Kern des Films musikalisch wiedergeben vermochte, nahm zwei Songs als Ausgangslage und ließ anschließend den eigentlichen Score um die beiden Haupttracks komponieren. Im Falle von Somewhere heißt die Band Phoenix, eine französische Indiepop-Gruppe, die keine Unbekannten in Coppolas Universum sind. Bereits für Lost in Translation verwendete die Regisseurin mit Too Young einen Track der vier Jungs aus Versailles.

Entstanden ist eine – wie soll es auch anders sein – verloren klingende Soundcollage bestehend aus minimalistischen, dissonanten Elektroklängen, die das Innenleben des Somewhere Protagonisten Johnny Marco nach außen kehrt. Ein emotional abgestumpfter Star-Schauspieler, der in seinem Trott als Playboy und Superstar gefangen ist und alle Werte und Ambitionen schon vor langer Zeit vergessen hat. Seine elfjährige Tochter ist das einzige wahrhaftige Element in seinem Dasein, das nicht durch sein Starleben korrumpiert wurde. Die beiden Songs Love Like a Sunset Part I und Love Like a Sunset Part II umrahmen den Film und treffen einen faszinierenden Ton zwischen Popästhetik und den elektronischen Klängen von Kubricks Hauskomponistin Wendy Carlos. In der letzten Szene wird passend zur Entschlossenheit von Johnny Marco eine bedrückende Aufbruchstimmung zwischen Selbstaufgabe und Erlösung erzeugt, die dem Zuschauer einen Hinweis gibt, was die Regisseurin mit der Filmauflösung beabsichtigen könnte. Sofia Coppola bleibt suggestiv bis zum Schluss, ganz wie wir sie kennen.

Mittlerweile sind Phoenix-Frontmann Thomas Mars und Regisseurin Sofia Coppola seit fünf Jahren liiert und haben auch zwei gemeinsame Töchter. Wie weit die Verbindung der beiden Künstler zurückreicht, beweist der Umstand, dass Mars bereits im Soundtrack zu The Virgin Suicides – Verlorene Jugend als Gastsänger für das Lied Playground Love beteiligt war. Die beiden Musiktitel von Phoenix, die als Stilvorlage für den gesamten Somewhere -Score fungierten, sind auf dem letzten Album der Band zu finden:

Album: Wolfgang Amadeus Phoenix
1. “Lisztomania”
2. “1901”
3. “Fences”
4. “Love Like a Sunset Part I”
5. “Love Like a Sunset Part II”
6. “Lasso”
7. “Rome”
8. “Countdown”
9. “Girlfriend”
10. “Armistice”

Bislang gibt es noch kein reguläres Soundtrackalbum zu Somewhere, was erstaunt, wenn wir den Erfolg der bisherigen Soundtracks der Coppola Filme berücksichtigt. Ob die beiden Pheonix-Songs zusammen mit dem Score und den diversen anderen Künstlern, wie Foo Fighters, The Strokes, Kiss oder The Police, jemals gebündelt auf CD erscheinen, steht somit in den Sternen. Mit unserem Sofia Coppola-Quiz zum Kinostart konntet ihr bereits etwas in die musikalischen Sphären der Regisseurin eintauchen. Wer nach dem Kinobesuch von Somewhere ähnlich wie ich die gesamte Liste der verwendeten Songs wissen möchte, dem wird mit folgender Liste weiter geholfen. Der Film startet übrigens am 11. November und kann besonders allen Lost in Translation Fans ans Herz gelegt werden!

01. Phoenix – “Love Like a Sunset Part I”
02. William Storkson – “Ghandi Fix”
03. Foo Fighters – “My Hero” 

04. The Police – “So Lonely”
05. Amerie – “ 1 Thing”
06. T.Rex – “20th Century Boy”
07. Gwen Stefani – “Cool”
08. Paolo Jannacci – “Che si fa”
09. Romulo – “Teddy Bear”
10. Kiss – “Love Theme From Kiss”
11. The Strokes – “I’ll Try Anything Once”
12. Sebastian Tellier – “Look”
13. Bryan Ferry – “Smoke Gets In Your Eyes”
14. William Storkson – “Massage Music”
15. Phoenix – “ Love Like A Sunset Part II”

Mehr zum Film erfährst du im Tobis Filmclub.

Weitere Filmstarts im Überblick bietet dir unser Kinoprogramm!

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