Community

New World und der Fahrstuhl als Schlachtfeld

20.11.2014 - 13:40 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
New World
MFA Filmdistribution
New World
0
4
Dieser Text enthält Spoiler zu folgenden Filmen: New World

Fahrstuhlszenen im koreanischen Kino, die Dritte! Ging es im ersten Teil der Reihe noch um den Fahrstuhl als Übergang in neue innere und äußere Zustände und im zweiten Teil um den Fahrstuhl als tödliche Falle und Katalysator für Naturgewalten, dreht sich dieses Mal alles um jenen beliebten transportablen Raum als gnadenloses Schlachtfeld im packenden Gangsterthriller New World - Zwischen den Fronten von Park Hoon-jung.

Als groß angelegte Geschichte über organisiertes Verbrechen - diverse Quellen berichten sogar davon, es seien zwei weitere Nachfolger geplant - nimmt sich Parks Film viel Zeit, die Figurenkonstellation aus allen möglichen Perspektiven zu beleuchten, ohne jedoch in unnötige Momente zu verfallen, die die Laufzeit mehr strecken, als sie sinnvoll zu nutzen. Über weite Strecken präsentierten sich die intriganten Machtspielchen der Jopok (koreanisches Begriffsäquivalent zu japanischen Yakuza und chinesischen Triaden) im edlen Hochglanzlook mit gläsernen Konferenzräumen und scheinbar freundlichen Anzugträgern. Doch Regisseur Park macht nie einen Hehl daraus, wie brutal die Ränkespielchen im Syndikat tatsächlich ablaufen. Sein Kontrastprogramm besteht daher aus blutigen Auseinandersetzungen, die oft nicht wenige Opfer fordern. Den deutlichsten Moment dieser Gewaltakte bildet eine entscheidende Szene, die sich zunächst in einer Tiefgarage abspielt und anschließend in einem Fahrstuhl ihren tödlichen Höhepunkt erreicht.

Gangster Jung Chungs (Hwang Jung-min) Pläne, die Karriereleiter innerhalb der Organisation weiter nach oben zu klettern, finden ihr jähes Ende, als er und seine Jungs sich plötzlich umzingelt wiederfinden, weil von oben beschlossen wurde, ihn aus dem Weg zu räumen. Um dem Hinterhalt in der Tiefgarage zu entkommen, wählt er den nächstgelegenen Aufzug als Fluchtweg, nichtsahnend, dass ihn dort nur noch mehr Gangster erwarten, deren Loyalität definitiv nicht ihm gilt. Jung Chung wird in den Fahrstuhl gezerrt und eine Messerstecherei mit gleich sechs Personen verwickelt. In diesem Augenblick kann der Fahrstuhl wie schon im vorangegangenen Text über Tsunami - die Todeswelle und The Tower als vermeintliche Fluchtmöglichkeit, die sich in Wahrheit als Todesfalle entpuppt, verstanden werden. In diesem Fall jedoch besteht die tödliche Gefahr nicht etwa aus Wasser oder Feuer, sondern aus anderen Menschen.

Für diese Erkenntnis bedarf es zwar keines allzu ausgeprägt analytischen Blicks, das schmälert den gewünschten Effekt aber keineswegs, denn ausweglose Situationen generieren fast wie von selbst ein hohes Maß an Spannung. Richtet man den Blick weg von der situativen Bedeutung auf Jung Chungs kompletten Handlungsstrang, wird der Fahrstuhl hier auch so etwas wie ein Symbol für sein Bemühen und sein Scheitern. Stellvertretend für seinen Versuch, sich in den Jopok-Strukturen nach oben zu arbeiten, setzt sich der Fahrstuhl nur für einen ganz kurzen Augenblick in Bewegung, bleibt dann stehen und entlässt Jung Chung erst wieder als toten Mann.

In Erinnerung bleibt die Fahrstuhlszene jedoch bei den meisten aufgrund ihrer meisterhaften Inszenierung. Mit der Verlagerung des Kampfgeschehens von der Tiefgarage in den Fahrstuhl intensiviert Park eine ohnehin schon von der Außenwelt abgeschottete und beklemmende Situation um ein vielfaches, wenn es auf einmal heißt: 6 vs. 1 auf etwa 5m².

Für die eigentlichen Kampfhandlungen, wenn man das Zerren in den Aufzug nicht als solche betrachtet und das Ende, wenn bereits alles entschieden ist, nicht mehr dazuzählt, verwendet Park lediglich zwei Einstellungen, um das Handgemenge nicht zur stakkatoartigen und potentiell unübersichtlichen Bilderfolgen verkommen zu lassen. Um den maximalen Überblick zu bewahren, filmt Park die erste Einstellung von oben herab (die Fahrstuhlkulisse hat in Wahrheit kein Dach) und hat so das gesamte, äußerst kleine Schlachtfeld nahezu vollständig im Bild. Das Resultat ist ein flüssiger Messerkampf, der trotz seiner Kürze anspruchsvoll choreografiert werden musste und dadurch mit einer hohen Intensität und Authentizität beeindruckt. In dieser Ausführung erinnert die Kampfszene an eine ähnliche aus I Saw the Devil, mit dem Unterschied, dass es dort in einem fahrenden Taxi um Leben und Tod ging. Markant bleibt aber die Parallele, jeweils die Enge des Raumes zu betonen.

Einen Aufzug als Schlachtfeld zu inszenieren gewinnt durch diesen arg begrenzten Raum entsprechend seine größten Reize: Anders als auf weiteren Flächen bleiben den Personen bei einem Nahkampf im Fahrstuhl nur sehr wenige, riskante Ausweichmöglichkeiten. Ganz gleich, wo man sich befindet, innerhalb dieses engen Metallkastens befindet man sich zu jederzeit in gegenseitiger Schlagdistanz zum Gegner. Aufgrund der verschlossenen Türen gibt es keine Flucht. Jeder Kampf endet entweder mit dem Tod aller Widersacher oder dem eigenen. Um letzteres zu verhindern, sind auf engstem Raum - und in diesem Fall auch noch in deutlicher Unterzahl - vielleicht noch höhere Reaktionsgeschwindigkeiten gefordert als sonst.

Park verleiht seiner Auseinandersetzung konkurrierender Gangster auf diese Weise hochinteressante Modifikatoren, indem er eine plotrelevante Actionszene durch räumliche Einengung um ein vielfaches zuspitzt. Der Fahrstuhl fungiert ausgezeichnet als effektives Mittel zur Steigerung von Dynamik und Spannung und eben auch als szenischer Höhepunkt, der einen ganzen Handlungsstrang zu seinem blutigen Ende führt.


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News