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Tsunami & The Tower: Die Macht der Elemente

10.11.2014 - 17:08 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Tsunami
CJ Entertainment
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Dieser Text enthält leichte Spoiler zu folgenden Filmen: Tsunami - Die Todeswelle, The Tower

Im ersten Teil meiner Reihe zu Fahrstuhlszenen im koreanischen Kino widmete ich mich dem Fahrstuhl in Oldboy als Schwelle zwischen zwei verschiedenen Zuständen von Emotion und Information, als Übergang, nicht nur zwischen zwei äußeren, sondern auch inneren Welten. Dazu gilt hier jede Aufzugfahrt stets als point of no return, von dem aus keine Wiederherstellung der vorherigen Verhältnisse möglich ist. Eine ähnliche Situation wird auch gegen Ende des Thrillers Bittersweet Life von Kim Jee-woon, wenn der Protagonist den Ort des finalen Showdowns auf eben jenem Weg erreicht.

In diesem Text geht es nun weniger um einen Punkt ohne Wiederkehr, wenngleich das Gefühl durchaus ein wenig mitschwingt, sondern um den Fahrstuhl als tödliche Falle anhand von zwei koreanischen Katastrophenfilmen, deren Naturgewalten - oder lediglich indirekt durch Menschenhand verursachte Kräfte - auf engstem, isolierten Raum besonders gut zur Entfaltung kommen.

Wasser...

Mit Tsunami - die Todeswelle schuf Yun Je-gyun einen waschechten Katastrophenfilm, der seine Protagonisten im eigentlich idyllischen Touristengebiet Haeundae mit einer gigantischen Flutwelle konfrontiert und zum gnadenlosen Überlebenskampf zwingt. Der Fokus einer solchen pompös bebilderten Naturkatastrophe liegt, wie in diesem Genre üblich, auf den schier unglaublichen Ausmaßen der Kräfte, die hier auf menschliche Zivilisation treffen. Dementsprechend gibt es ein breites Figurenensemble, das auf weiten, offenen Schauplätzen wie dem Badestrand, den Straßen, Brücken, Häuserdächern und generell allen Flächen, die von einem turmhohen Tsunami mit brachialer Wucht geflutet werden können, mal mehr, mal weniger erfolgreich die Flucht ergreift. Hubschrauberaufnahmen, die das zerstörte Stadtbild in seiner Gesamtheit zeigen, sind da im Grunde Pflichtprogramm.

In dieses auf die überwältigende Wahrnehmung von bedrohlicher Größe ausgelegte Spektakel schleicht sich jedoch eine Szene, die in ihrer räumlichen Begrenzung kaum kleiner und in ihrem plötzlich nicht mehr vorhandenen Zugang zur Außenwelt kaum intimer sein könnte: Lee Yu-jin (Eom Jeong-hwa) ist in einem Aufzug eingeschlossen, der sich langsam, aber sicher mit Wasser füllt. Nun ist man draußen natürlich keineswegs vor dem Tsunami sicher, aber in dieser Fahrstuhlszene erreicht die Gefahr eine neue Ebene. Die Menschen, die auf den Straßen und offenen Plätzen vor den Fluten zu entkommen versuchen, haben ihr Schicksal in der eigenen Hand oder wenigstens das Gefühl, aus eigener Kraft überleben zu können. Dass das bei unberechenbaren Naturgewalten nicht zwangsläufig der Fall sein muss, ist eine andere Sache. Lee Yu-jin hingegen befindet sich in einer Situation, in der sie absolut keine Kontrolle darüber hat, ob sie überlebt oder nicht. Mit ihrem Handy hat sie noch den letzten Kontakt zu ihrer Familie, die bereits in Sicherheit ist, während sie auf den unausweichlichen Tod durch Ertrinken wartet. Der Fahrstuhl fungiert in dieser Situation als Katalysator für die enorme Macht, die das Wasser auf die Charaktere ausübt. Ohne Möglichkeit zur Flucht, wird Lee Yu-jin als einzige Figur zur Passivität gezwungen. Das Ausharren im steigenden Wasserpegel, aus dem die junge Frau ausschließlich durch Zugriff von Außen gerettet werden kann, wird dadurch zum ultimativen Symbol für die Hilflosigkeit des Menschen gegenüber den Naturgewalten.

... und Feuer

Drei Jahre darauf erschien 2012 mit The Tower der nächste Film, in dem sich Teile der koreanischen Bevölkerung mit einer lebensbedrohlichen Katastrophe auseinandersetzen müssen. In diesem Actionfilm von Kim Ji-hun dreht sich alles um ein Unglück über einem luxuriösen Wohnkomplex aus zwei Türmen, dessen Bewohner sich aber hier nicht mit ertränkenden Fluten, sondern mit feurigen Flammen und der damit verbundenen Einsturzgefahr der Gebäude konfrontiert sehen.

Der Überlebenskampf als solcher, ist im Vergleich zu Tsunami - die Todeswelle naheliegenderweise von vornherein auf die Enge des Raums konzentriert, wenn Menschen verzweifelt versuchen, aus einem Hochhaus in die Freiheit zu entkommen. Wenn sich Feuerwehrmänner durch enge Korridore und abgeschottete Stockwerke vorkämpfen, um dem sich ausbreitenden Feuer entgegenzutreten und Überlebende zu retten, kann eine Fahrstuhlszene sicherlich nicht den gleichen Kontrast zwischen Offenheit und Isolation erzeugen.

In der entsprechenden Szene drängen sich viel zu viele Menschen in ihrer Panik in Richtung Aufzug, der sich als potentieller Fluchtweg nach unten anbietet. Ohne Rücksicht füllt sich der Fahrstuhl und der Mitarbeiter, dessen Passkarte erst die Fahrt überhaupt möglich macht, weigert sich, ein Kind, das definitiv noch Platz gefunden hätte, mitzunehmen. Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung und seine Fahrgäste scheinen gerettet zu sein. Doch eine Explosion im Schacht verwandelt den Fahrstuhl kurzerhand in einen brutalen Hochofen, der ohne Stopp abwärts rast und seine Insassen zu brutzeln beginnt.

Auf der einen Seite spitzt eine solche Szene das bereits vorherrschende Gefühl von räumlicher Begrenzung zwangsläufig noch weiter zu, der Fokus ihrer Bedeutung ist allerdings leicht verschoben. Erneut gibt es einen Kontrollverlust, der zur Handlungsunfähigkeit führt, wenn man während der heißen Fahrt nur hilflos schreiend warten und hoffen kann, dass man unbeschadet unten ankommt. Von der katalysierenden Wirkung für die tödlichen Kräfte, beziehungsweise Energien - in diesem Fall eben Feuer statt Wasser - lässt sich ebenfalls wieder sprechen. Insofern gibt es klare Parallelen zwischen den Fahrstuhlszenen beider Filme, jedoch auch bedeutende Unterschiede: Zum einen wird der von mir anfangs erähnte Effekt vom Fahrstuhl als tödliche Falle noch deutlicher, wenn die Fluchtmöglichkeit sich als alles andere als sicher entpuppt. Der emotionale Umschwung von Erleichterung zu erneuter Panik wird noch intensiver inszeniert. Das Gefühl, sich getäuscht zu haben, die falsche Entscheidung getroffen zu haben, trifft die Figuren umso härter. Auf der anderen Seite stehen beide Szenen trotz ihrer Ähnlichkeiten in einem bestimmten Aspekt sogar im Kontrast zueinander. Löst sich in Tsunami - die Todeswelle nämlich der Augenblick der Hilflosigkeit in einen Moment der Rettung auf, der für ein Menschenbild steht, das, aller Angst um das eigene Leben zum Trotz, stets auch ein Miteinander und eine wie selbstverständliche gemeinsame Überwindung der Gefahr zeichnet, wirkt die Szene in The Tower entprechend pessimistischer. Im Angesicht des drohenden Todes gibt es keine Unterstützung, der Mensch wird zur antisozialen Kreatur. Eine Handlungsweise, die aber quasi sogleich bestraft wird, wenn die Figuren, die beim Zuschauer wenige Sekunden zuvor sämtliche Sympathien verspielt haben, die Auswirkungen des unaufhaltsamen Feuers am eigenen Leib zu spüren bekommen.


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