Perfekter Wahnsinn im Test zu Bayonetta 2

11.11.2014 - 20:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Auch mit kurzen Haaren noch immer tödlich
Nintendo
Auch mit kurzen Haaren noch immer tödlich
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Bayonetta 2 folgt eigentlich nur dem Rezept des Vorgängers und möchte dennoch alles besser machen. Wieso dies sogar bestens funktioniert, erkläre ich euch in meinem Review.

Nur selten gelingt es jungen Entwicklerstudios einen originellen und kohärenten Stil auszubilden, den sie über mehrere Spiele hinweg anwenden und verfeinern können. Zumeist führt die Zusammenarbeit mit Publishern oder die Urangst vor der Erwartungshaltung der Spielerschaft zu Kompromissen, die vielversprechende Ansätze verwerfen und an die momentan erfolgsversprechensten Spielmechaniken angleichen. Glücklicherweise bestätigen Ausnahmen die Regel und wir dürfen die Arbeit der Platinum Games-Studios schon seit ein paar Jahren mitverfolgen.

Neben Vanquish und Metal Gear Rising: Revengeance ist das 2006 unter anderem von Shinji Mikami gegründete Studio vor allem für die Bayonetta-Reihe bekannt. Trotz der Erfolge, die der Erstling auf den Heimkonsolen von Sony und Microsoft feierte, erscheint Bayonetta 2 nun aber exklusiv für Nintendos Wii U. Glücklicherweise bleibt dieser Sonderweg aber so ziemlich das einzige, was diesem Machwerk vorzuwerfen ist, denn Bayonetta 2 überflügelt den Vorgänger in nahezu allen Belangen.

Jeder Kampf wird zur Achterbahnfahrt


Dabei bleibt auf dem ersten Blick vieles gleich. Das extravagante Design aus dem ersten Teil wurde übernommen und selbst die namensgebende Umbra-Hexe Bayonetta bleibt ihrem Look treu, auch wenn jetzt eine Kurzhaarfrisur ihr Haupt krönt. Die leicht aufgesetzte Mythologie von Engeln, Dämonen, Hexen und Lumen-Weisen, mit der die Geschichte in die Breite gezogen wird, wird aber leider auch im zweiten Teil abermals zu beiläufig eingestreut. Die Variation der Orpheus-Thematik allein, in der Bayonetta die Seele ihrer Freundin aus den Fängen der Hölle zu befreien sucht, reicht als Rahmenhandlung vollkommen aus, zumal sie mit charmantem Witz erzählt wird. Jedoch ist vor allem die zweite Hälfte des Spiels mit uninspirierten Erklärungen angefüllt, die unnötig vom Kern des Spiels ablenken.

Abgesehen von der Story erfährt Bayonetta 2 aber eine Verfeinerung in sämtlichen Aspekten. Die Präsentation des Gegnerdesigns und der Prügelästhetik wird stärker zelebriert als noch im Vorgänger und jeder Wechsel in den Kampfmodus wirkt wie eine Aufforderung zum Tanz, auf den sich sowohl Bayonetta als auch die Herrscharen von Himmel und Hölle mit Leidenschaft einlassen. Und auf ihre ganz eigene Art sind sie allesamt auch passend für diesen Reigen der Gewalt gekleidet. Zwar folgt jede Variation der Engel dem gleichen Schema und stellt sich als vergoldeter Porzellanroboter vor, aber jede neue Inkarnation der unterschiedlichen Himmelssphären kommt derart originell und einfallsreich daher, dass schon allein der optische Auftritt der Gegner frappiert.

Ähnliches gilt für die Dämonen als auch Bayonetta selbst, die vor allem während ihrer Spezialattacken und dem damit einhergehenden Haarwirrwarr stets besonders präsent inszeniert wird. Teil ihrer Darstellung ist aber auch das bewusste Spiel mit sexualisierten Momenten, die Bayonetta entweder halbnackt zeigen oder mit Kamerafahrten aufgelöst werden, die bevorzugt den Schritt der meist in hautenge Kleidung verpackten Hauptfigur einfangen. Gerade im Prozess der Sensibilisierung für solche Problematiken, in dem wir uns gerade befinden, steht Bayonetta 2 eigentlich sofort unter Generalverdacht und bietet eine breite Angriffsfläche für gerechtfertigte Kritik. Für mich persönlich wirken diese Szenen aber sehr viel ambivalenter und entbehren der Grundlage für einen angemessenen Vorwurf der schädlichen Sexualisierung.

Die Waffen der Frau


Tatsächlich reihen sich diese Einstellungen in den überzeichneten Kontext des Gameplays ein. Die vermeintliche Eindeutigkeit entbehrt jeder Erotik und dient viel eher als Stilmittel, mit dem die Erwartungshaltung der Spielerschaft gebrochen wird. Da mich in Bayonetta 2 ein Kampf nach dem anderen erwartet, tritt zwangsläufig eine Gewöhnungsphase ein. Irgendwann warte ich einfach nur auf den nächsten Stunt, freue mich sogar auf ihn, aber die letztliche Wirkung bleibt etwas abgeschwächt. Plötzlich aber steht eine breitbeinige Hexe vor mir, präsentiert mir ihren offenherzigen Schoß und reißt mich völlig aus dem Geschehen. Ich bin verwirrt und frage mich, warum das jetzt nötig war, bin sogar versucht mich fremdzuschämen, was mir aber aufgrund der Absurdität nicht gelingt. Kaum habe ich mich von diesem schlüpfrigen Schock erholt, bin ich der Daueraction wieder unvorbereitet ausgesetzt und jeder inszenatorische Kniff der Entwickler trifft mich wieder im vollem Ausmaß.

Anstatt Bayonetta also auf ihre Freizügigkeit zu reduzieren und sie anhand ihrer weiblichen Reize zu charakterisieren, ist jeder Akt der zweifelhaften Darstellung von ihrer Person losgelöst. Die Sexualität ist zu keiner Zeit tatsächlich sexuell aufgeladen, sondern überfordert den Spieler durch ihre Plötzlichkeit sowie ihrer Aufdringlichkeit ebenso bewusst wie die surreale Kampfchoreografie. Letztere ist das Kernstück des Titels und überzeugt durch die handwerklich nahezu makellose Spielmechanik.

Obwohl Bayonetta 2 in der Tradition bekannter Hack & Slay-Titel wie Devil May Cry oder God of War steht, fühlen sich die Kämpfe jederzeit frisch und originell an. Das liegt zum einen an der unglaublichen Geschwindigkeit, in der ich mich auf meine Gegner stürzen kann und auch muss, wenn ich den momentanen Levelabschnitt überwinden möchte. Obwohl bei einem derartigen Tempo die Gefahr besteht, dass die Bequemlichkeit des planlosen Knöpfedrückens der gemeisterten Hektik der Combo-Mechaniken vorgezogen wird, bleibt Bayonetta 2 stets zugänglich und erkauft sich die eigene Rasanz nicht durch Unübersichtlichkeit.

Schnelligkeit ist das A und O


Die Basisattacken gehen schnell in das eigene Blut über und lassen sich intuitiv zu längeren Angriffen aneinandereihen ohne den Kampf in viele kleine sich wiederholende Animationsabfolgen zu aufzugliedern. Auch unbedarfte Spieler finden immer eine sich flüssig bewegende Bayonetta vor, die jeden Kampf zumindest optisch organisch wirken lässt. Dies treibt die eigene Motivation voran und die planiert die Lernkurve auf eine sehr angenehme Steigung. Die zusätzlichen Möglichkeiten Bayonetta mit anderen Waffen sowie weiteren Fähigkeiten auszustatten, die gegen heiliges Entgelt erstanden werden können, fügt die ausreichende Prise Flexibilität hinzu.

Obwohl der Spielablauf von Bayonetta 2 einem simplem Schema folgt und mir auf geradlinigen Strecken einfach solange Gegner in den Weg stellt, bis ich das Ende erreicht habe, sind die Kämpfe nie ermüdend, sondern generieren viel eher Ehrgeiz. Es sind aber vor allem die Bosskämpfe, die ob ihrer grandiosen Inszenierung, die nicht nur Bayonetta und den übermächtigen Feind, sondern auch die dynamische Umgebung miteinschließt, wie eine von Schienen befreite Achterbahn wirken. Die Kämpfe sind einer ständigen Metamorphose unterworfen, mit der sie sich nicht nur anders gestalten, sondern vollkommen neu ausrichten.

Fazit

In der zweiten Auflage ihrer Bayonetta-Reihe schaffen es die Entwickler den gängigen Fehler vermeiden, einfach alle Aspekte des Vorgängers aufzublasen und es als größer und somit besser zu verkaufen. Vielmehr fand eine tatsächliche Durchsicht der Spielmechaniken statt, in der die Stärken und Schwächen kompetent gewichtet und auf die Prioritätenliste des Sequels gesetzt wurden.


Das Spiel wurde in Form eines Review-Musters von Nintendo bereitgestellt. Der Koop-Modus wurde noch nicht getestet und fließt deshalb nicht in dieses Review ein.

Was haltet ihr von Bayonetta 2?

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