Regisseur Florian Gallenberger zu John Rabe

31.03.2009 - 08:45 Uhr
Szene aus John Rabe
Majestic Filmproduktion
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Oscar-Gewinner Florian Gallenberger in einem Statement zu John Rabe.

Hier könnt ihr lesen, wie Regisseur Florian Gallenberger bei seinen Recherchen zu John Rabe in China auf Hürden stieß und warum er sich dennoch entschloss, den Film zu drehen.

…"Ich reiste als Tourist in China ein, ohne dort jemanden über meine Verfilmungspläne informiert zu haben. Ich wollte mir ungestört und unabhängig mein eigenes Bild machen.
Nach den ersten Tagen in Shanghai und dem unwillkürlichen Staunen über die faszinierende und erschreckende Fulminanz dieser Metropole, reiste ich mit einem Übersetzer weiter nach Nanking. Noch auf dem Weg dorthin läutete mein neu erstandenes chinesisches Mobiltelefon, dessen Nummer außer meiner Frau und einigen Freunden in Deutschland niemandem bekannt war. Es meldete sich eine sehr freundliche, chinesische Dame, die mir in gutem Englisch ausgiebig dafür dankt, dass ich die weite Reise auf mich genommen habe und nach China gekommen sei, um hier einen Film über John Rabe und das Massaker von Nanking zu machen. Allerdings müsse sie mir leider mitteilen, dass ich diesen Film in China nicht machen können werde, da das Zentralkomitee der kommunistischen Partei Chinas festgelegt habe, dass nur ein einziger, offizieller Film über das Sujet gemacht werden dürfe und dafür sei bereits ein chinesischer Regisseur bestimmt worden. Es tue ihr sehr leid, aber sie hoffe, ich werde trotz allem meine Reise genießen. Dann legte sie auf. Ich war sprachlos. Woher wusste sie, dass ich da war, dass ich einen Film über John Rabe plante und vor allem, woher hatte sie meine Nummer? Nach diesem Anruf überkam mich ein Gefühl, das mir zuvor unbekannt war. Das Gefühl ausspioniert worden zu sein. Beobachtet worden zu sein, von jemandem, den ich nicht bemerkt hatte. …

In Nanking angekommen besuchte ich die Gedenkstätte des Massakers, welche einem das Ausmaß der Gräuel und der Leiden auf bewegende Art vor Augen führt. Als ich schließlich bei der Museumsleitung anfragte, ob es denn noch Überlebende gäbe und ob es möglich wäre diese zu treffen, erfuhr ich, dass es eine Vielzahl älterer Herrschaften gibt, die sich noch gut an die Zeit des Massakers erinnern können, allerdings dürfe ein Treffen nur auf die Vermittlung und somit natürlich mit der Erlaubnis der zuständigen Parteistelle erfolgen… und falls ich der Filmemacher aus Deutschland sei, wäre eine Anfrage sinnlos, da wir ja schon mitgeteilt bekommen hätten, dass wir den Film nicht machen dürfen. …

Niedergeschlagen besichtigte ich mit meiner neuen Übersetzerin (den alten Übersetzer hatte ich ausgetauscht, da ich ihn im Verdacht hatte, der „Spion“ gewesen zu sein) die wenigen Altstadtgassen, die in Nanking noch übrig geblieben sind, als plötzlich ein sympathischer, hoch aufgeschossener Herr mit schlohweißem Haar vor mir stand. Wir nickten uns freundlich zu, ich sagte mein „Ni hao“ und er lächelte ein wunderbares, chinesisches Lächeln voller Wärme und Verständnis. Da kam mir eine Idee: ich bat die Übersetzerin, den älteren Herrn zu fragen, ob er aus Nanking stamme und wenn es nicht zu unhöflich wäre, wie alt er sei. Er lächelte wieder übers ganze Gesicht und sagte, er sei 83 und habe sein ganzes Leben in Nanking verbracht. Ich wartete einen Moment, ob er gleich sagen würde: „Doch falls Sie der Filmemacher aus Deutschland sind, so wissen Sie ja, dass sie den Film nicht machen dürfen und ich auch nicht mit Ihnen sprechen darf.“ Doch er sagte es nicht. Ganz im Gegenteil, als die Übersetzerin ihm erzählte, dass ich aus Deutschland hierher gekommen sei, sozusagen auf den Spuren des Wirkens von John Rabe, bekamen seine Augen einen leichten Schimmer und er lud uns zu sich nach Hause ein. Herr Gao und seine Frau konnten sich beide noch sehr gut an die Zeit der japanischen Invasion erinnern. Er war damals ein 13jähriger Junge und war der festen Überzeugung, dass wenn man von Ausländern angegriffen wurde, man auch nur von Ausländern geschützt werden konnte. Was sich für ihn dann darin bewahrheitete, dass er mit seiner Mutter und den Geschwistern einige Zeit im Garten eines Ausländers Zuflucht fand. Wo das gewesen sei, fragte ich ihn. “Das Haus war an der Xiaofen Qiao, Ecke Guangzhou Straße.” Ich konnte meine Rührung kaum verbergen. Es war die Adresse von John Rabe.

In diesem Moment hatte sich für mich die Frage, ob man diesen Film machen kann, machen darf oder vielleicht sogar machen muss, beantwortet: Man musste ihn machen."

Quelle: Mit Material von Majestic

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