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S(t)ea(m) of Uncertainty

19.02.2016 - 22:03 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Ein Tag - ein Film. Lav Diaz.
Berlinale
Ein Tag - ein Film. Lav Diaz.
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Endlich war es dann so weit: Der Hauptgrund, warum ich mich um Tickets für die diesjährige Berlinale bemüht hatte. Lav Diazs neustes Werk stand heute auf dem Programm und das auch ganz allein, denn solch ein achtstündiges Epos füllt einen Tag gut aus.

A Lullaby to the Sorrowful Mystery. Ein Langer Name für einen noch viel längeren Film. Ausnahmslos jeder in meinem Bekanntenkreis, dem ich davon erzählt habe, dass ich mich am meisten auf einen achtstündigen, philippinischen schwarz-weiß Film freue, wenn ich die Berlinale besuche, musste laut lachen und hat mich für verrückt erklärt. "Warum tut man sich sowas an?", war wohl die am meist gestellte Frage, die mir dabei an den Kopf geschmissen wurde. "Ich liebe eben Filme", gab ich dann immer zurück, denn das trifft es in meinen Augen am besten. Die Filme von Lav Diaz sind eben ein Genuss für Filmliebhaber, aus dem einfachen Grund, weil dieser Mann sein Handwerk versteht, was er mit seinem neusten Werk mal wieder unter Beweis gestellt hat. Das "Wiegenlied" trumpft über seine komplette Laufzeit mit perfekt ausgeleuchteten und wunderbar anzuschauenden schwarz-weiß Bildern auf, an denen man sich nicht satt sehen kann. Trotz meines extrem müden Zustandes, gab es selten Momente, bei denen ich gegen meine zufallenden Augen ankämpfen musste - Ausnahmen bestätigen die Regel - und das Ende wünschte ich mir tatsächlich zu keiner Zeit herbei. Im Gegenteil, als das letzte Bild von der Leinwand verschwand und die Credits anfingen zu rollen, war ich sogar leicht traurig, denn ich wäre gerne noch ein bisschen länger in dieser faszinierenden Welt verweilt.


Alessandra de Rossi als Cesaria Belarmino

Diaz lässt sich (wie zu erwarten) seine Zeit bei dem Aufbau einer Handlung. Gemächlich werden die einzelnen Charaktere eingeführt, meist durch lange Szenen mit poetischen Dialogen, die auch gerade zu Anfang mehrfach als Lied oder Gedicht vorgetragen werden. Eine grobe Struktur der Geschichte lässt sich erst nach und nach erahnen und besonders die drei Geister, die häufig auftauchen, erschweren es dem Zuschauer, sich zurechtzufinden. Doch zeichnet das auch in gewisser Weise die Faszination aus, wenn man sich den Filmes eines Diazs widmet. Lässt man sich nicht darauf ein, so kann es sehr schnell zur unermesslichen Qual werden. Weiß man jedoch damit umzugehen und erfreut sich an all den vielen, kleinen Details in der Inszenierung, dann macht es einfach unheimlich viel Spaß, jede einzelne Szene zu erforschen, die sich stets wie die Seite eines Buches dem Zuschauer öffnet.


Die drei mysteriösen Geister

Auf ein Stilmittel möchte ich in diesem Artikel aber explizit drauf eingehen, nämlich den im Titel bereits angedeuteten Nebel, sowie auch das Meer, wobei insbesondere Ersteres besonders häufig benutzt wird. Im Dschungel, in dem sich unsere Suchenden die meiste Zeit über aufhalten, gibt es eigentlich kaum eine Szene, in der kein Gebrauch von Nebelschwaden gemacht wird, welche einen tiefen Zweifel und/oder das Leid eines Charakters betonen. Das sieht nicht nur fantastisch aus, sondern ich empfand es als so spannend, dass ich mich immer wieder gefreut habe, wenn dieses Stilmittel zum Einsatz kam und es mit den inneren Konflikten unserer Protagonisten in Verbindung bringen konnte. Das wurde tatsächlich nie langweilig, da es so grandios eingebunden ist. Sei es nur ein kleines Wölkchen, eine ganze Fontäne oder gar ein tobender Windstoß. Doch auch die Geräusche des Meeres nahm sich Diaz hier zu Hilfe, vor allem gegen Ende des Films, wenn unsere Gruppen den Dschungel verlassen und nahe der Küste sind. Das soll nur ein Beispiel dafür sein, dass es eben diese winzigen Details sind, gepaart mit den opulenten Bildern und der epischen Reise, die diesen Film zu etwas Besonderem machen.

John Lloyd Cruz als Isagani, umhüllt vom Nebel

Dennoch muss man ganz klar sagen, dass ein Hintergrundwissen, sowohl über die verschiedenen Buchvorlagen, als auch die historischen Fakten, beim Verständnis vieler Szenen von großer Hilfe ist. So erschließt sich mir zum Beispiel so einiges nach der Sichtung nicht komplett, was jedoch größtenteils nicht schlimm es, da es auch irgendwo zum mystischen Ton des Films passt. Um das nachvollziehen zu können, muss man ihn aber glaube ich selbst gesehen haben.
Am Ende des Tages bleibt es ein Erlebnis, das ich definitiv nicht missen will und ein Film, der meine Erwartungen erfüllt hat und damit auch so schnell nicht mehr aus meinem Kopf gehen wird. Zusätzlich gelingt es mir, ein wenig Schlaf nachzuholen, was auch bitter nötig ist.

Morgen steht dann mit Wir sind die Flut meine letzte Sichtung auf der Berlinale 2016 an. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen!

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