Saubere Gewalt aus Hollywood & neue Härte aus Frankreich

24.03.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Massenzerstörung in Star Trek Into Darkness
Paramount
Massenzerstörung in Star Trek Into Darkness
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Den Abschluss der Reihe über Gewalt & Film bildet ein Blick auf die saubere Gewalt im Blockbuster-Kino Hollywoods und die Körperdelirien im heutigen Horrorfilm aus Frankreich und den USA.

Transformers 3, The Dark Knight Rises, Iron Man 3, Marvel’s The Avengers, Star Trek Into Darkness, Pacific Rim, Man of Steel – das sind actiongetriebene Filme, in denen (über-)menschliche und fantastische Wesen gegen unsagbar grausame, vollkommen amoralische Feinde in einen Kampf auf Leben und Tod ziehen. Weltstädte mit Millionen von Einwohnern sind Austragungsort dieser Duelle. Nicht nur bilden die Superstädte die primären Erfahrungsräume der Industrienationen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sie geben auch den geeigneten Rahmen für die bombastischen, computervisualisierten Schlachten im zerstörungsenthusiastischen Blockbuster-Kino ab. Dass hier jemand leidet, können uns scheinbar erst die wie Zuckergebäck zerspritzenden Glasfassaden und zersprengten Stahlbetonkonstruktionen einstürzender Hochhäuserzeilen, aus denen die Helden so gut wie unberührt hervorgehen, verständlich machen. Warum dieses Ausmaß der materiellen Zerstörung? Bemerkenswert dabei ist, dass kaum ein Tropfen Blut fließt, Schmerz nur in Form seiner Verdrängung durch tapferes Zähne zusammenbeißen sichtbar und das Leid der eigentlichen Opfer, nämlich der Bewohner dieser Stadtlandschaften, so weit es geht ausgespart wird. Warum also dieser Trend zur sauberen Gewalt? Zur viehischen Brutalität des Kampfes bei gleichzeitiger Blutleere?

9/11-Ästhetik als permanente Nachinszenierung des Ausnahmezustands
Grund dafür ist sicherlich die Strategie, möglichst viele Zuschauergenerationen in die Kinos zu locken. Aber hinter diesen Terrorphantasien, welche die architektonischen Körper der Städte als Säulen der westlichen Zivilisation selbst zum Ziel haben, steckt eine implizite Traumabewältigung. Denn was wir aus den USA zu sehen bekommen, ist die permanente Nachinszenierung des prägendsten aller individualitätsbedrohenden Schrecken der jüngsten Vergangenheit: die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die Twin Towers des World Trade Center. Diese ständige Erinnerung an den erlebten Terror, diese andauernde Wiederholung des Ausnahmezustands setzt sich als künstlich erzeugte, kollektive Arbeit an der Angst vor der eigenen Verletzlichkeit fort. Die diffuse, als solche vermittelte, ständige Bedrohung des islamistischen Terrors steht hier als dauerwirksame Drohkulisse Pate. Vor ihr treten die aufrichtigen Helden, die mehr oder weniger an einer Persönlichkeitsdissoziation leiden, immer wieder aufs Neue gegen das ausgemachte Böse an und zerstören zu allererst selbst, was die Väter dieser Gesellschaft, die sie erst hervorgebracht hat, aufgebaut haben.

Das Kino als Ort einer kollektiven Traumaverarbeitung
Als Verteidiger der Nation sind die Helden erst der Auslöser der feindlichen Aggression. Denn, gäbe es keinen Superman, keinen Iron Man, keine Avengers, dann gäbe es auch keinen Grund die Städte anzugreifen. Solange aber genug Hochhäuser zerstört, aber kein Fleisch geschnitten und kein Knochen sichtbar gebrochen werden, ist eine solche nur materielle Gewalt im Stande, den Blick von den Ursachen des Konflikts abzulenken. Allein was hör- und sichtbar wird, ist das Gekreische und Geheule als die Zeiten überspannendes Echo, das den 9/11-Terror und Emotionsschock während der medialen Live-Übertragung mit einem unmittelbaren Erschreckens- und Trauerreflex im Kino verbindet. Nicht hör- und sichtbar aber ist die dringende Frage, wie nach Jahrhunderten der Konfrontation verschiedener Glaubens- und Lebensvorstellungen der Mensch ohne Gewalt zusammenleben kann. Diese Utopie interessiert viele Kinogänger, die unterhalten werden wollen, nicht. Was sie fesselt, ist die Wiederkehr des einst erlebten Gefühls, an deren Ende ein Fabelschluss steht: die Wiederinstandsetzung der kleinbürgerlichen Familie als sicherer Hafen einer konservativen Politik von Morgen, die sich selbst am besten dadurch erhält, in dem sie klare Feindbilder schafft. Dieser Vorstellung nach ist im Grunde alles feindlich, zumindest aber verdächtig, was sich außerhalb des überschaubaren Familienrahmens abspielt.

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