Sci-Fi-Sensation bei Netflix: Tribes of Europa macht unerträglich süchtig, aber das hat einen hohen Preis

19.02.2021 - 17:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
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Seit heute steht die Science-Fiction-Serie Tribes of Europa bei Netflix zum Streamen bereit. Euch erwartet ein qualitatives Schleudertrauma mit einem erstaunlichen Suchtfaktor.

Stell dir eine postapokalyptische Lektion in Gemeinschaftskunde vor, die Mad Max höchstpersönlich geplant hat. So in etwa sieht die aufwendige neue Netflix-Serie Tribes of Europa aus.

Ausgestattet mit Plateau-Schuhen, Mascara und einem Herz für Europa packt die Science-Fiction-Serie ganz große Themen mit einem noch größeren Unterhaltungswillen an. Heraus kommt eine unerwartet frei drehende deutsche Serie, sie sich kopfüber ins Genre stürzt. Sie nimmt allerdings auch die dazugehörige kreative Gehirnerschütterung in Kauf. Die Kosten dafür tragen die Zuschauer*innen.

3 Dinge, die du über Tribes of Europa bei Netflix wissen musst:

  • Kreiert wurde die Serie von Philip Koch (Tatort: Blut), der sie zusammen mit den Produzenten der Sci-Fi-Serie Dark umsetzte.
  • Im Mittelpunkt stehen drei Geschwister. Die Story von Emilio Sakrayas Figur Kiano ist mit Abstand die interessanteste davon.
  • Tribes of Europa bietet unerträglich süchtig machende Sci-Fi-Unterhaltung, aber erwarte bloß kein Dark 2.0.

Sci-Fi neu bei Netflix: Die spannende Grundidee von Tribes of Europa

Im Jahr 2074 ist der europäische Kontinent unter Stämmen aufgeteilt. Schuld daran trägt ein katastrophaler Blackout. Was es damit auf sich hatte, gehört zu den großen Geheimnissen der 1. Staffel. Das Resultat aber ist klar: Technologie und Elektrizität kollabierten, Millionen Menschen starben, Regierungen stürzten.

Schaut euch den Trailer für Tribes of Europa an:

Tribes of Europa - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Die verbliebenen Menschen kämpfen um das Vorrecht auf dem Kontinent. Da sind die düsteren Crows, martialische Krieger in Lack und Leder, die Drogen schnüffeln wie die Warboys in Mad Max: Fury Road. Ihnen gegenüber steht die Crimson Republic in ihren Uniformen stramm und predigt die Werte des zusammengebrochenen Eurocorps.

Abgeschottet von deren Auseinandersetzungen leben die Origines. Die Geschwister Kiano (Emilio Sakraya), Liv (Henriette Confurius) und Elja (David Ali Rashed) wachsen in dem friedliebenden Stamm auf. In der kurzweiligen ersten Episode werden die drei Held*innen von Tribes of Europa jedoch getrennt und in alle Winde zerstreut. Durch ihre Augen lernen wir die brutale Außenwelt kennen.

Das heimliche Highlight der Sci-Fi-Serie heißt Moses

Das größte Geheimnis der drei Hauptfiguren trägt Elja mit sich herum. Denn er gerät in Besitz eines Hightech-Würfels von enormer Bedeutung. Alle Welt ist hinter dem Würfel her, auch der Einzelgänger Moses (Oliver Masucci mit der ausdrucksstärksten Oberlippe auf Netflix). "Wenn du leben willst, steig' ein", raunzt Moses seinem zukünftigen Road Movie-Buddy an, wie es einst Arnold Schwarzenegger in Terminator 2: Tag der Abrechnung tat.

Masuccis unbeirrt depperte Darstellung des verschmitzten Moses ist das heimliche Highlight von Tribes of Europa. Sie wirkt wie eine schauspielerische Entschlackungskur nach seinem Auftritt in der nasskalten deutschen Sci-Fi-Serie Dark.

Die Höllenreise nach Berlin fesselt

Der interessanteste Handlungsstrang der sechs Episoden langen 1. Staffel gehört jedoch Kiano. Nach der Auslöschung der Origines durch die Crows wird er versklavt und nach Brahtok verschleppt. Brahtok ist nichts weniger als die Technohölle, in die sich Berlin im Jahr 2074 verwandelt hat. Hier leben, feiern und töten die Crows, wie es ihnen beliebt.

Tribes of Europa

Kianos Höllenreise durch diese Welt schwankt zwischen herrlich trashigen Dialogspitzen und einer erschreckenden psychischen Tortur. Gerade wenn man kichern will, erstirbt einem das Lachen im Halse. Dieser abrupte Stimmungswechsel ist symptomatisch für Tribes of of Europa.

Zwischen Gehirnerschütterung und Suchti-Binge: Tribes of Europa lässt nicht los

Unheimlich teuer sieht die Serie mit ihren vielen Schauplätzen aus und gleichzeitig wie ein B-Movie. Unheimlich ernst ist das Thema, das vom Brexit-Referendum 2016 inspiriert wurde. Gleichzeitig wird die Auseinandersetzung mit den Werten der Europäischen Union in einer Lack- und Leder-Hülle verpackt. Die schreit nach allem, nur nicht danach, ernst genommen zu werden.

Tribes of Europa ist eine süchtig machende Achterbahnfahrt, nicht nur der Gefühle, sondern auch des Tons, des Anspruchs und des Genres.

Auf dieses Auf und Ab muss man sich einlassen, sonst bezahlt man mit einem quälenden Taumel zwischen Fremdscham, Spaß und Schock. So ein Kopfsprung in kreative Gewässer kann eben teuer sein. Er kann aber auch in der stärksten deutschen Netflix-Vision seit Dark und How to Sell Drugs aufgehen.

Für diesen Seriencheck standen alle sechs Episoden der 1. Staffel von Tribes of Europa zur Verfügung.

Werdet ihr euch die Netflix-Serie anschauen?

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