Sechzehn Tage. Ziemlich verrückt. Da hat ein Comedian/Satiriker die Bundesrepublik einmal kräftig durchgeschüttelt. New York Times. Washington Post, Guardian etc. berichten ausführlich - Wann gab es das zuletzt? Hat sich irgendwer noch nicht geäußert? Til Schweiger! Jan Leyk ist mir auch entgangen, aber ich kann mich irren. Andere Themen in den letzten Tagen? Fehlanzeige. Schwierig.
Links? Rechts? Geht ziemlich kunterbunt durcheinander – Böhmermann-Verteidiger finden sich nun bei der WELT (!!), die sich sogar mit ihm verklagen lassen will. Die TAZ ist recht reserviert (Tenor: irgendwie zu pubertär - und das von der TAZ (!)– aber das Recht auf Pubertät hat halt nur die TAZ). Verlass ist auf die FAZ: Die findet Böhmermann furchtbar und kann gar nicht lachen. Sie meint das wär was für “Millenials” – und ich freue mich, dass mir mit fast 50 Jahren 30 Lebensjahre geschenkt werden. Der FOCUS macht es wie immer: Abwarten, womit die meisten Klicks zu kriegen sind, aber schon mal ne Eilmeldung raushauen (“Böhmermann von Ziege penetriert”). Und die ZEIT? Findet Böhmermann schon hier und da amüsant, aber die Gräfin, wenn sie noch leben würde, findet seinen Sound nicht angemessen. Damals, auf der Flucht, sprach man nicht so. Helmut Schmidt hat aus dem Jenseits auch noch nicht genickt. Aber man ahnt sein nikotingeschwängertes Diktum: "Besser nicht zuviel am Ausland rumnörgeln. Politik ist schmutzig und die Bergpredigt ist nur für was Betschwestern." Skurril die Süddeutsche, die am Vortag Böhmermann einen bösen Rassisten schimpft, ihn andererseits aber am nächsten Tag als satirischen Revolutionär feiert. Ähnlich die FR: Gestern war an Böhmermann alles schlimm (“Harald Schmidt”, “Polenwitze”), heute sagt eine kroatische Literatin: Der ist doch toll! Spitze der gespreitzten Meinung schließlich der SPIEGEL – in EINER Ausgabe: Böhmermann, DER Heros der politischen Satire – und dann, tatsächlich: “Rampenhumor” – mit anderen Worten: Böhmermann ist eine Art Mitarbeiter in Auschwitz. Gut, das war der Polak, dessen Lustigkeit sich mir bisher noch nicht erschlossen hat (und der allein aufgrund seiner Freundschaft mt Micky Beisenherz eine Art Welpenschutz bei mir genießt). Er vermisst an Böhmermann – wie übrigens auch das Hamburger Abendblatt (manchmal sind spießiger und anarchistischer Humor sehr dicht beieinander– einen “Standpunkt”. (In der DDR hieß das: Klassenstandpunkt) Kann man deutlicher machen, dass man noch nie eine Böhmermann-Sendung gesehen hat? Spitze des Wahnsinns: Das Hamburger Abendblatt bietet gar einen “Staranwalt” auf, der den Tod von Dieter Hildebrandt betrauert, um dann mit wirrem Lamento Böhmermann vorzuwerfen, er würde zur “Lynchjustiz” aufrufen. Geht es verrückter?
Bestimmt. Aber nun hat Böhmermann erst mal für vier Wochen den Stecker gezogen. Das ist gut so. Es haben sich genug Leute blamiert. Nun gibt es vier Wochen Pause. Und alle sollten noch mal ganz tief in sich hineinhorchen, was sie in diesen 16 Tagen so zum Besten gegeben haben. Es gab viel Schwachsinn, aber auch sehr viel Kluges und Lustiges zu hören und sehen. Ich mochte diese 16 Tage. Weil sie so wunderbar chaotisch waren. Weil sie uns gezwungen haben, darüber nachzudenken, wie wir uns verstehen. Und weil ein kleines dünnes blasses Männchen dafür gesorgt hat, dass eine politisch höchst fragwürdige – aber durchgewunkene - Entscheidung überhell in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde.