Selbst Inka Bause kann Bauer sucht Frau nicht mehr retten: RTL muss endlich den Neuanfang wagen

22.11.2024 - 19:15 Uhr
Inka Bause ist seit 2005 mit dabei. Leider hat sich die Show in all den Jahren nicht weiterentwickelt.
RTL/ Stefan Gregorowius
Inka Bause ist seit 2005 mit dabei. Leider hat sich die Show in all den Jahren nicht weiterentwickelt.
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Bauer sucht Frau ist seit 20 Jahren Kult. Leider merkt man der Show das Alter immer mehr an. Statt frischem Wind gibt's vorhersehbare Klischees ohne Ende. Hat der RTL-Dauerbrenner noch eine Zukunft oder sollte er endlich in Frieden ruhen?

Wenn Inka Bause einmal im Jahr aufs Land reist, um einsamen Bauern die Illusion der großen Liebe vorzugaukeln, dann heißt es wieder Bauer sucht Frau. Der Quotenhit ist einfach Kult; seit 2005 hält sich der Dauerbrenner bei RTL. In den letzten Jahren wird jedoch immer deutlicher, dass nach mehr als 20 Staffeln die Luft raus ist! Das angestaubte Kuppelformat kann seine Abnutzungserscheinungen längst nicht mehr verstecken. Hinter all der wohlig warmen 2000er-Nostalgie offenbart sich ein prekäres Bild. Bauer sucht Frau hat den Sprung ins Hier und Jetzt vollkommen verschlafen. Kann RTL die Show noch retten, oder sollte sie endgültig in Frieden ruhen?

Bauer sucht Frau ist wie ein Besuch bei Oma

In 20 Jahren Bauer sucht Frau-Geschichte hat sich die Show kaum verändert. 2009 suchte die erste Bäuerin ihr Glück, 2011 kam der erste homosexuelle Landwirt dazu – aber das Konzept ist trotzdem gleich geblieben. Diese wohlig warme Atmosphäre war lange eine Stärke der Show, denn Bauer sucht Frau fühlt sich an wie ein Besuch bei Oma. Jahr für Jahr kehren wir in eine vertraute Umgebung zurück und schwelgen in Erinnerungen an längst vergangene Zeiten.

Doch diese Nostalgie hat ihre Schattenseiten. Sie macht uns blind für Probleme. In diesem Kontext nimmt das Beispiel vom Besuch bei Oma eine tragische Wendung. Was, wenn man nach 20 Jahren voller glücklicher Momente zum ersten Mal realisiert, dass Oma alt und gebrechlich geworden ist? Wie sollen wir mit der schmerzhaften Erkenntnis umgehen, dass etwas, das wir lieben, nicht mehr so ist wie in unserer Erinnerung?

Über viele Staffeln hinweg konnte Bauer sucht Frau seine Probleme hinter der heiteren 2000er-Fassade verbergen, doch selbst Fans der ersten Stunde können nach über 150 Folgen purer Stagnation nicht mehr über das größte Problem hinwegsehen: Das einstige Reality-Flaggschiff ist absolut vorhersehbar geworden.

Und täglich grüßt das Murmeltier – Bauer sucht Frau kann nicht mehr überraschen

Bei der aktuellen 20. Jubiläumsstaffel wird es wieder deutlich. Bauer sucht Frau wird nach Schema F gedreht. Inzwischen ist der Ablauf einer Staffel sogar so formelhaft, dass man auch ohne hellseherische Kräfte genau voraussagen kann, was uns in der nächsten Staffel erwartet.

Zuerst treffen die nervösen Teilnehmenden beim Scheunenfest auf ihre Traumbauern. In einem Meer aus Lederhosen und Dirndl trällert Inka Bause ihre neuste Schlager-Single (In diesem Jahr: Herz im Stroh) und wie immer müssen sich die Bauern direkt entscheiden, wer mit auf den Hof darf. Dann beginnt auch schon die Hofwoche.

Am Bahnhof wartet auf die Auserwählten eine immer gleiche “Überraschung”. Die Landwirte holen ihre Kandidat:innen mit einem romantisch dekorierten Traktor ab – ab und zu darf sogar die Kutsche ran. Auf dem Hof angekommen, erleben wir dann ein Déjà-vu nach dem anderen. Der Bauer präsentiert den Teilnehmenden ein karges Bauernhaus, woraufhin die völlig überforderten Kandidat:innen sich trotz prekärer Wohnzustände ein Kompliment abringen. Dann erkundigen sie sich angsterfüllt, ob die Schwiegermutter auch mit im Haus wohnt. Der Rest der Hofwoche wird dann mit einem langweiligen Best-of an Bauernhof-Klischees abgerundet. Ein unangenehmer Besuch bei der Familie, Stall ausmisten, Kälber streicheln und ein erster Kuss im Stroh dürfen nicht fehlen. Was wirklich immer dabei ist: die Auserwählten dürfen (oder viel eher müssen) zum ersten Mal Traktor fahren – gefolgt vom ungläubigen Staunen der Bauern, die kaum fassen können, dass eine Frau tatsächlich lenken kann.

Selbst in Sachen Romantik läuft es alles nach Skript. Am Ende einer Hofwoche laden die Landwirt:innen ihre Auserwählten zu einer letzten “spontanen” Aussprache ein und gestehen nach nicht mal 7 Tagen ihre ganz großen Gefühle. Wenn sich beide mögen, sagt RTL ein Happy End voraus; wenn nicht, folgt der tränenreiche Abschied. Und täglich grüßt das Murmeltier …

Bauer sucht Frau braucht ein Reboot: RTL, wagt endlich mehr Realness!

Aber warum ähneln sich diese Momente (sogar innerhalb einer Staffel) so stark? Der Grund dürfte bei der Produktion liegen. Bauer sucht Frau präsentiert sich als Reality-Format, aber setzt seit Beginn auf ein eng getaktetes Skript. Das Produktionsteam entscheidet streng nach Plan, welche Szenen gedreht werden und kann somit haargenau steuern, was am Ende im TV zu sehen sein wird.

Aber warum das Ganze? Bei Bauer sucht Frau geht es um Quote; kein Wunder, dass der Sender mit vorgefertigten Storylines für ein Mindestmaß an Spannung sorgen will. Blöd nur, dass das Publikum diese Formelhaftigkeit inzwischen gnadenlos durchschaut. Statt mitzufühlen, fragt man sich nur, wann das nächste altbekannte Klischee um die Ecke kommt. Es geht zu keinem Zeitpunkt darum, die Landwirt:innen und ihre Gefühle authentisch darzustellen. Viel eher sollen sie als Projektionsfläche für Landwirtschafts-Klischees herhalten.

Was an dieser Überinszenierung so schade ist: Bei Bauer sucht Frau wird jegliches Potenzial verschenkt, all die spannenden Geschichten zu erzählen, die das Produktionsteam vor der Nase hat. Wie fühlt es sich an, mit 3 Generationen unter einem Dach zu leben? Wie gehen die Kandidat:innen mit Vorurteilen über Bauern um? Und vor welchen Hürden stehen Nachwuchs-Bäuer:innen, die sich in einem konservativen Umfeld behaupten müssen? Die Beantwortung dieser Fragen würde genug Stoff für richtig spannendes Reality-TV liefern, ohne auf lieblos zusammengeschusterte Story-Klischees zurückgreifen zu müssen. Bis auf oberflächliche Witzeleien wagt RTL keinerlei Auseinandersetzungen mit dem Setting; all das Potenzial verhallt im Nichts.

In Zeiten, in denen Datingshows wie Temptation Island ungefiltertes Drama, echten Sex und extreme Emotionen präsentieren, wirkt ein steifes Format wie Bauer sucht Frau aus der Zeit gefallen. Ob der Sender jemals den Mut aufbringen wird, das eng geschnürte Korsett der Scripted Reality abzulegen und mehr Authentizität vor laufender Kamera zuzulassen? Fraglich. Dabei hätte eine der ikonischsten Kuppelshows im deutschen TV diesen radikalen Neustart allemal verdient. Sonst blüht der Show ein Schicksal, das sie einfach nicht verdient hat: Wer will einer Legende schon beim Sterben zusehen?

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