Steven Seagal und die Abstraktion des Actionfilms

10.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Steven Seagal
20th Century Fox
Steven Seagal
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Gutes Genrekino gibt es nicht nur auf der Kinoleinwand zu sehen, im Gegenteil: Wer geradliniges No-Nonsense-Actionkino sucht, der sollte eher die Videothek um die Ecke durchstöbern. Wir porträtieren in unserer neuen Reihe sechs zentrale Ikonen des DTV-Actionfilms.

Der eine, ganz große Kinomoment, in dem sich die ganze Grandezza und der ganze Wahnsinn des Steven Seagal einschreibt, steht am Ende von Out of Reach, einem ohnehin durch und durch unfassbaren Film. Nachdem Billy Ray Lansing, wie nahezu jeder einzelne unter Seagals Alter Egos ein zur Ruhe gesetzter CIA-Agent, nach erfolgter Befreiung zweier nunmehr schutzbefohlener Kinder aus den Fängen eines polnischen Menschenhändlerrings – gar grauslig geht es zu in Osteuropa, wie in den USA ohnehin jeder weiß – in seine einsame Hütte zurückkehrt, beschließt er, den Rest seiner Tage damit zu verbringen, durch die Wälder zu streifen und verletzte Tiere zu pflegen.

Unter den großen Ikonen des B-Actionfilms ist – nicht nur diese famose Schlusssequenz drückt es unverkennbar aus – wohl niemand verschrobener, niemand idiosynkratischer als der Aikido-Meister Steven Seagal. Bereits früh in seiner Karriere als Schauspieler, die er im Alter von 36 Jahren mit seiner ersten Kinorolle in Nico von Andrew Davis einläutete – schon dies eine Hauptrolle, die ihm spürbar auf den seinerzeit noch schlanken Leib geschneidert wurde –, legte Seagal großen Wert darauf, sich seine Figuren durch tatsächliche oder vermeintliche biographische Parallelen zu Eigen zu machen. So streute er etwa immer wieder (allem Anschein nach vollständig haltlose) Gerüchte, er selbst habe vor seiner Kinokarriere als Spezialagent in Diensten der CIA gestanden. Zudem finden sich bereits darin eine ganze Reihe jener persönlichen Obsessionen ausgeprägt, die Seagals Filme und Figuren fortan entscheidend prägen sollten: undurchsichtige politische Verschwörungsplots, privatmetaphysische Schwurbelmonologe nebst allerlei esoterischem Ritual-Brimborium, und immer wieder auch der ganz offene Einsatz für hehre ökologische Ziele.

Dieser Einsatz für die Natur und ihre Rettung begann, nach insgesamt fünf erfolgreichen und gelungenen Kinofilmen, die er abgesehen von Hard to Kill auch allesamt selbst produzierte, mit Seagals erster und bis heute einziger Regiearbeit Auf brennendem Eis. Darin agiert Seagal als Forrest Taft, ökologisch bewanderter und zwischendurch von Indianern metaphysisch upgegradeter Handlanger eines Ölkonzerns in Alaska, dessen korrupter Boss Jennings (Michael Caine, ein paar Jahre bevor er dann wieder für Oscars nominiert wurde) unzulängliches Material verbaut und somit sehenden Auges eine gigantische Umweltkatastrophe riskiert. Es gibt dann einiges Hin und noch mehr Her im Plot des Films, unter anderem um inkriminierende Informationen auf einer Diskette, die zunächst sehr wichtig sind, um die Geschehnisse von Auf brennendem Eis in Bewegung zu versetzen, und dann urplötzlich nicht mehr: Wir befinden uns hier nicht in einem Politthriller, Aufklärung durch Medieninformation ist nicht das Thema. Taft ist, wie jeder Seagal-Protagonist, jemand, der die Dinge gern selbst in die Hand nimmt, und auch wenn die zunächst umkämpfte Diskette schlussendlich zu nicht viel gut ist: Es ist doch immerhin schön, sie zu haben.

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