Seltsame Farben und Formen tauchen zu Beginn dieses Films auf, in dem die Kamera schließlich kopfüber in ein Waldstück vorstößt. Umso klarer ist dann die junge Frau zu erkennen, die sich inmitten dieser einsamen Natur selbst anzündet und qualvoll verbrennt. Willkommen zurück im deutschsprachigen Genre-Kino, Andreas Prochaska!
Welcome Home Baby bringt beklemmenden Psycho-Horror auf die Berlinale
Mit Welcome Home Baby meldet sich der österreichische Regisseur auf der 75. Berlinale zurück, um die Panorama-Sektion zu eröffnen. Das allein ist schon ein Grund zur Freude, denn der letzte Kinofilm von Prochaska liegt mittlerweile 11 Jahre zurück und hat die Wartezeit auf sein neues Werk nicht leicht gemacht. Das finstere Tal von 2014 hat gezeigt, dass großartige Western-Unterhaltung auch deutschsprachig sein kann.
Der verschneite Alpen-Reißer über einen geheimnisvollen Fremden in einem kleinen Dorf atmete den Spirit altmodischer Western-Größen und entwickelte trotzdem eine moderne Spannung, die so mitreißend wie beeindruckend war. Welcome Home Baby knüpft jetzt wieder an vorherige Prochaska-Filme wie In 3 Tagen bist du tot an und feiert das pure Psycho-Thriller-Horror-Delirium.
In der Handlung des Films reist die Notärztin Judith (Julia Franz Richter) mit ihrem Freund Ryan (Reinout Scholten van Aschat) aus Berlin in ein österreichisches Dorf. Anlass ist der Tod ihres leiblichen Vaters, der Arzt war und ihr ein Haus vererbt hat. Da Judith ihn aber kaum kannte und keine Beziehung zu dem Ort hat, will sie den Nachlass schnellstmöglich über eine Maklerin verkaufen.
Nach der Anreise trifft das Paar auf die merkwürdige Haushälterin (Gerti Drassl), die von allen nur Tante Paula genannt wird. Dass Judith das Haus loswerden will, scheint ihr gar nicht zu passen. Nicht weniger verschroben und schaurig tritt der Rest der kleinen Dorfgemeinde auf, die fast nur aus Frauen besteht und bei der Protagonistin sofort Termine als deren neue Hausärztin ausmacht.
Welcome Home Baby setzt klassische Horror-Traditionen fort
Was mit Alptraum-Einschüben beginnt, in denen Judiths Gesicht zum Beispiel von hunderten Bienen bedeckt wird, steigert sich zu kompletten Blackouts, durch sie ohne Erinnerung irgendwo im Wald aufwacht oder Ereignisse vergangener Tage nicht mitbekommen hat.
Prochaska setzt in Welcome Home Baby auf schaurige Bildkompositionen und schleichende Psycho-Paranoia. Dadurch wirkt es so, als würde sich das Dorf Judith langsam einverleiben und Teil davon werden lassen, ohne dass die Hauptfigur etwas dagegen unternehmen kann.
Der neue Spielfilm des Regisseurs erinnert an Genre-Beiträge wie zuletzt Des Teufels Bad seiner österreichischen Kolleg:innen Veronika Franz und Severin Fiala. Ihnen geht es wie Prochaska darum, alte Mythen und Folklore mit provinziellen Urängsten und realen Kapiteln dunkler Menschheitsgeschichte zu verbinden.
Das Grauen in Welcome Home Baby, dessen Filmtitel mit fortlaufender Dauer immer klarer wird, ist in der Vergangenheit von Judith und der Dorfhistorie verborgen. Es leuchtet aber auch aus der Vergangenheit eines bestimmten Genres-Kinos, als Filme wie Psycho, Rosemary's Baby oder Die Nacht der lebenden Toten noch gesellschaftliche Sorgen, Vorurteile und Missstände aufgegriffen haben, um sie alptraumhaft zu übersteigern.
Andreas Prochaska setzt Horror-Bausteine zusammen, ohne komplett zu begeistern
Bei den kurzen Schockmomenten und gruseligen Überraschungen greift Prochaska für seinen Film tief in den Horror-Baukasten, um bekannte Elemente zusammenzusetzen. Wirkliche Wucht entwickelt Welcome Home Baby dadurch selten. Zu vertraut wirken die Motive und Entwicklungen, die der Regisseur eher als Verbeugung vor den großen Vorbildern auffährt.
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Als wildes Psycho-Horror-Potpourri entfacht der Film trotzdem genug Atmosphäre und skurrilen Charme, während Julia Franz Richter in der Hauptrolle glänzt. Ihre Judith kämpft weiter um jeden Funken ihres Lebens, während sich der Wahnsinn schon fast unkontrollierbar in ihr eingenistet hat.
So wie sie sich dagegen stemmt, dass schon alles verloren ist, stemmt sich Andreas Prochaska weiterhin gegen die Unmöglichkeit eines gelungenen deutschsprachigen Genre-Kinos.
Wir haben Welcome Home Baby im Rahmen der Berlinale 2025 gesehen. Ein deutscher Kinostart für den Film steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.