Warum Misery eine der besten Stephen King-Verfilmungen ist

08.11.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Wenn Kathy Bates in Misery als durchgeknallter Fan die Sicherungen durchbrennen, kann ich als Zuschauer, ob ich will oder nicht, einfach nicht weggucken. Was die Stephen King-Verfilmung sonst noch zu bieten hat, erfahrt ihr hier.

Stephen King ist einer der meistverkauften Autoren unserer Zeit und bereits bei dem Erscheinen von seinem Erstling Carrie gab es reges Interesse, seine meist unheimlichen Ausgeburten der Fantasie auch auf die Kinoleinwand zu bringen. Während die Adaptionen von Shining oder Friedhof der Kuscheltiere bei dem Meister des Horrors durchfielen, stieß insbesondere die Verfilmung seiner Kurzgeschichte als Stand by Me - Das Geheimnis eines Sommers bei ihm auf deutlich mehr Wohlwollen. Diese gelungene Zusammenarbeit mit Regisseur Rob Reiner war es schließlich auch, die King dazu bewegt haben soll, Reiner die Rechte an Misery zu geben - unter der Bedingung, dass dieser bei dem Film entweder selbst Regie führt oder ihn zumindest produziert. Und tatsächlich hat Rob Reiner mit Misery eine der gelungensten Verfilmungen eines Stephen King-Romans inszeniert, in dem insbesondere die beiden Hauptdarsteller Kathy Bates und James Caan zur Höchstform anlaufen.

Kathy Bates spielt in Misery die frühere Krankenschwester Annie Wilkes, bei der der verletzte Autor Paul Sheldon (Caan) nach einem Autounfall strandet. Der Schriftsteller hatte gerade erst die Arbeit an seinem jüngsten Werk abgeschlossen und ahnt nicht, wie weit Annie Wilkes für ihre Lieblingsfigur Misery Chastain gehen würde. Als sie mitbekommt, dass Paul ihre geliebte Misery umgebracht hat, greift sie zu drastischen Mittel, um ihre Lieblingsfigur von dem ans Bett gefesselten Sheldon wieder erwecken zu lassen.

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Deshalb ist Misery auch heute noch interessant

Stephen King plante zunächst, Misery unter dem Namen Richard Bachmann herauszubringen, ehe sein Pseudonym durch den Buchhändler Stephen Brown aufflog. Denn während Kings Romane sich häufig durch den Einsatz von übernatürlichen Elementen auszeichneten, setzte er bei Misery die Horrorfantasie eines jeden Schriftstellers um: Der größte Fan entpuppt sich als gefährlicher Psychopath.

Annie Wilkes basiert dabei teils auf den Erfahrungen, die King selbst bei der Veröffentlichung von Die Augen des Drachens gemacht hatte. Denn in einem Interview erinnerte er sich, dass viele Leser die Route nicht akzeptieren wollten, die King mit dem für King untypischen Fantasy-Epos eingeschlagen hatte. Darüber hinaus stellt Annie Wilkes für King aber auch den Kampf mit sich selbst dar, denn für ihn ist sie auch die Personifizierung der Abhängigkeiten und Ängste, die ihn über einen langen Zeitraum fest im Griff hatten. King war nämlich jahrelang alkohol- und kokainabhängig und befürchtete damals, ohne Drogen nicht mehr schreiben zu können, erzählt er im Interview  mit dem Spiegel:

Da wird ein Schriftsteller von einer geistesgestörten ehemaligen Krankenschwester gefangen gehalten. Sie war mein Delirium. Sie war meine Metapher für meine Sucht. Eine verrückte Krankenschwester.
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So wird Misery auch dich in den Bann ziehen

Personifiziert werden all diese Ängste Kings also durch Annie Wilkes, die im Film von Kathy Bates gespielt wird. Bates war bereits zuvor in einigen kleineren Produktionen zu sehen und hatte die Aufmerksamkeit von Reiner bei einer Broadway-Show auf sich gezogen. Mit der Rolle gelang Bates damals nicht nur der endgültige Durchbruch im Filmgeschäft, für die nuancierte Gratwanderung zwischen wohlwollender, überfürsorglicher Krankenschwester und psychopathischem Fan wurde sie unter anderem mit dem Oscar ausgezeichnet.

Wenn wir Annie zunächst kennen lernen, trauen wir ihr nicht einmal zu, dass sie einer Fliege etwas zuleide tun könnte, ehe sich Abgründe auftun. Denn während ihre Verehrung für Paul Sheldon und seine Figur Misery zunächst durchaus komische Züge trägt und wir uns über diese Frau amüsieren, die offenbar immer in ihrer eigenen Welt der Schmachtromane und Soaps gelebt hat, schlägt ihr Verhalten von einer Sekunde auf die andere in Fanatismus um und sie beginnt nicht nur gegen Sheldon zu zürnen, der Misery umgebracht hat, sie macht ihn mit Medikamenten gefügig und tut mit ihm, was sie will. Dabei ist ihr Verhalten aus ihrer eigenen Perspektive immer begründbar und sie glaubt schlicht, das zu tun, was getan werden muss. In blinder Liebe und geprägt von ihren romantischen Vorstellungen lässt sie sich sogar auf einen verrückten Pakt mit Sheldon ein, der zusammen mit ihr den Freitod wählen will. Als sie aber doch hinter seine wahren Beweggründe kommt, kommt erneut das Monster in ihr zum Vorschein und wir ringen mit Sheldon um sein Leben.

Darum wird Misery auch in den nächsten 40 Jahren noch faszinieren

Rob Reiners Misery gelingt durch eine unaufgeregte, spannende Inszenierung, die die beiden Hauptfiguren und die Geschichte in den Fokus rückt, die gleichzeitige Darstellung von psychischer Grausamkeit und physischer Brutalität. Denn während wir immer wieder Zeuge von den Gewaltausbrüchen von Annie Wilkes werden, die ihrem Lieblingsautoren ohne mit der Wimper zu zucken mit einem Vorschlaghammer die Füße zertrümmert, jagt uns diese Frau aber vor allem durch ihre Unberechenbarkeit und ihre Irrationalität Angst ein. Hinzu kommt auch noch die Situation von Paul Sheldon an sich, denn häufig sind wir in dem Film an seiner Seite und erleben mit, wie seine Lage immer prekärer wird und ein Ausweg, der zu Beginn der Geschichte noch in so greifbarer Nähe war, immer weiter weg rückt. Caan schafft es dabei, die blanke Angst von Paul Sheldon unterschwellig darzustellen und seinen Autoren häufig einfach gute Miene zum bösen Spiel machen zu lassen, während in seinem Inneren ganz andere Dinge vor sich gehen. Dass sich das Tauziehen zwischen den beiden nur in einem gewaltsamen Eklat entladen kann, versteht sich dabei fast von selbst.

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