Wir müssen über Diversity im Blockbuster-Kino sprechen

15.07.2017 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Zendaya in Spider-Man: Homecoming
Sony Pictures
Zendaya in Spider-Man: Homecoming
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Diese Woche lief Spider-Man: Homecoming in den deutschen Kinos an. Bereits im Vorfeld sorgte das Casting von Zendaya für Diskussionen. Warum? Sie ist schwarz. Es ist nach wie vor wichtig, über das Thema Diversity im Blockbuster-Kino zu reden.

Ist 2017 das bisher diverseste Jahr im Blockbuster-Kino Hollywoods? Wenn man den Schlagzeilen traut, könnte man meinen, dies stimme. Power Rangers zeigte mit der bisexuellen Trini die erste queere Superheldenfigur im US-Kino. Le Fou war in der Live-Action-Version von Die Schöne und das Biest plötzlich schwul und wurde somit der erste, die LGBTQ-Community repräsentierende Charakter in einem Disney-Film. Vergangene Woche lief Spider-Man: Homecoming an, in dem Peter Parker komplett vernarrt in eine schwarze Mitschülerin ist. Zusätzlich gibt es im neuen Film über den Spinnenmann noch eine Figur, die von Zendaya gemimt wird. Diese ist smart, etwas einzelgängerisch und scheint von Peter fasziniert zu sein. Handelt es sich um Mary Jane, die berühmteste Freundin Spider-Mans? Nicht ganz.

Die Reaktionen auf die bisexuelle Trini in Power Rangers, den schwulen Le Fou in Die Schöne und das Biest und eine potentiell schwarze Mary Jane Watson in Spider-Man: Homecoming waren zum Teil extrem: Boykott, homophobe und rassistische Kommentare im Internet und der laute Wunsch, doch endlich mit der vermeintlich böswilligen Diversity-Agenda aufzuhören. Dabei waren diese Szenen wirklich harmlos. Dieser Artikel widmet sich der Wichtigkeit diverser Figuren und warum ihre Inklusion vor allem im Blockbuster-Kino notwendig ist. Das Blockbuster-Kino lockt die größten Zuschauerzahlen vor die Leinwände und dieses Publikum selbst ist vielseitig. Deshalb sollten es die Protagonisten in den Filmen auch sein.

Ist das Blockbuster-Kino nun endlich divers?

Der März 2017 läutete dieses vielseitige Kino-Jahr in Hollywood ein. In diesem Monat erschienen gleich zwei Filme, die in Sachen Diversity Filmgeschichte schrieben. Zum einen erschien Ende März ein Reboot der Power Rangers. Der Film, der auf der beliebten TV-Serie basiert, erzählt die Geschichte von fünf Jugendlichen, die mit Superkräften ausgestattet werden, und fortan als Power Rangers bekannt sind. Die gelbe Ranger, Trini, outet sich im Verlauf des, letztlich gefloppten, Superhelden-Films als bisexuell, und ist somit die erste queere Kino-Superheldin  in der Geschichte dieses Genres. Die Erwähnung ihrer Sexualität führte in Russland dazu, dass nur Zuschauer und Zuschauerinnen über 18 Jahren den Film im Kino schauen durften.

Trini, der Boykott Ranger

Im gleichen Monat wurde ein weiteres Reboot bzw. Remake in den Kinos veröffentlicht, das aufgrund eines "Blinzle-und-du-verpasst-ihn"-Moments für Aufruhr sorgte. In Die Schöne und das Biest scheint der Kleinkriminelle Le Fou den gesamten Film über etwas vernarrt zu sein in sein Idol Gaston - stets ist es aber mehr Bromance als alles andere. Zum Ende des Live-Action-Filmes, mit Emma Watson in der Hauptrolle, sehen wir Le Fou kurz mit einem Mann tanzen. Dieser zweifellos "schwule Moment" ist so gesehen der erste überhaupt in einem Disney-Film. Doch auch dieser wurde von vielen kritisch beäugt. In Malaysia wollte man die Szene rausschneiden und manche Kinos in den USA weigerten  sich, den Film zu zeigen.

Flamboyante Schwule = ungefährlich

Achtung, leichte Spoiler für Spider-Man: Homecoming: Vergangene Woche kam nun hierzulande Spider-Man: Homecoming in die Kinos und zeigt Peter Parker mit einem schwarzen Love Interest. Eine weitere schwarze Schülerin, mit dem Namen Michelle, teilt zum Ende mit, dass ihre Freunde sie MJ nennen. MJ = Mary Jane? Schreck, lass nach! Bereits Zendayas Casting führte zu einem Aufschrei im Internet, als Gerüchte die Runde machten, sie spiele Mary Jane Watson, die berühmte Freundin Spider-Mans aus den Comics. Fans und andere in Pöbellaune stießen sich an der vermeintlichen Diversity-Agenda, die hinter dem Casting stecke. Zu lesen war beispielsweise :

Die Ethnizität eines existierenden Charakters mit einer etablierten Hautfarbe und/oder Physiognomie im Nachhinein zu ändern, ist einfach dumm. Niemand erfreut sich an dieser erbärmlichen Praxis der Anpassung.

Dass Zendaya letzten Endes nicht Mary Jane spielt, sondern ein Mädchen namens Michelle, die eine komplett neue Figur im Spider-Man-Universum darstellt, ging in der vorangegangenen Kontroverse fast unter.

Nicht wirklich... Diversity ist mehr als nur ein einzelner Moment

Die Bisexualität von Trini in Power Rangers ist ein durchaus willkommener Schritt in die richtige Richtung. Insbesondere an bisexuellen Identifikationsfiguren mangelt es Film und Serie insgesamt. Einen weiblichen Charakter bisexuell zu kreieren, scheint im Gegensatz zur männlichen Bisexualität ein "sicherer" Schritt für die Filmemacher zu sein, denn wir leben in einer Gesellschaft, in der die weibliche Homosexualität weitgehend akzeptierter ist als die männliche. Die Gründe dafür sind leider nicht sonderlich dankbar, da ihre Akzeptanz auf die Fetischisierung durch heterosexuelle Männer und die Inszenierung lesbischer Rollen für den Male Gaze (den "männlichen Blick") zurückzuführen ist. Schwule Männer hingegen werden im Film oftmals als flamboyant, "unmännlich" und asexuell inszeniert. Die Bisexualität von Frauen wird oftmals trivialisiert, da Zärtlichkeit und Zuneigung unter Frauen weniger Gewicht beigemessen wird, als der unter Männern. Ich bin gespannt, wann wir den ersten bisexuellen, männlichen Superhelden in einer homosexuellen Beziehung im Blockbuster-Kino zu Gesicht bekommen. Deadpool vielleicht? 

Ein neugieriger Kuss zweier Freundinnen in Orange Is the New Black

Der schwule Le Fou aus Die Schöne und das Biest reiht sich in eine überwältigend lange Liste von asexuellen und stereotypisierten schwulen Charakteren in Film und Serie ein, die primär für Lacher sorgen sollen. Josh Gad spielt die Figur mit einer überbordenden Flamboyanz, die seine Darbietung in einigen Szenen ins Karikative rutschen lässt. Die historische Signifikanz, die der Tanzszene zwischen ihm und einem anderen Mann zugeschrieben wird, ist erschreckend kurz und lachhaft. Disney wäre konsequenter und innovativer gewesen, hätten sie Gaston schwul gemacht. Das hätte seine Hyper-Maskulinität besser erklärt und den Charakter bedeutend interessanter gemacht.

Das 'andere' schwule Paar

Die unsinnige Debatte um Zendayas Casting wurde bereits von James Gunn, dem Regisseur der Guardians of the Galaxy-Filme, ziemlich eloquent kommentiert, weswegen ich ihn hier zitieren  möchte.

Wenn die primären Attribute eines Charakters - die Dinge, die sie oder ihn ikonisch machen - deren Haut- oder Haarfarbe sind, dann ist der Charakter offen gesagt oberflächlich und nutzlos. Für mich macht MJ ihre weibliche Verspieltheit und Alphatier-Persönlichkeit aus. Wenn die Schauspielerin dies einfangen kann, dann wird sie in der Rolle funktionieren.

Immer noch vorrangig weiß, männlich, heterosexuell

In den Top 10 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten hat Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht mit seinen drei Hauptdarstellern, eine weiße Frau, ein schwarzer und ein lateinamerikanischer Mann, in Sachen Diversity die Nase vorne. Eine schwule Beziehung der letzten beiden wird von Lucasfilm nicht ausgeschlossen , im kommenden Star Wars: Episode VIII - Die letzte Jedi sei aber nicht damit zu rechnen. Fast & Furious 7 hat mit Vin Diesel und Dwayne Johnson zwei heterosexuelle Männer in den Hauptrollen, die People of Color sind. Einzig und alleine Die Eiskönigin - Völlig unverfroren ist einer der 10 weltweit erfolgreichsten Filme bisher, der sich ausschließlich der Geschichte weiblicher Figuren widmet. In Die Schöne und das Biest, der die Top 10 abrundet, steht zwar Emma Watson im Zentrum der Geschichte, ihre Belle stellt neben dem herrischen Biest aber kein positives Rollenbild für junge Frauen dar. Das Stockholm-Syndrom im Ballkleid wird auch durch die Tatsache nicht gerettet, dass Belle nun die Erfinderin der Waschmaschine ist. Der Rest der Filme hat einen oder mehrere weiße, heterosexuelle Männer im Zentrum stehen. Avatar auf Platz 1 erzählt die Geschichte eines weißen Mannes, der eine Frau auf einem fremden Planeten dazu bringt, für ihn ihre Werte zu verraten. Titanic ist die Geschichte eines weißen, heterosexuellen Paares, in dem die Frau ebenfalls für ihren weißen Schwarm alles tun würde. Auf den Plätzen 11 bis 20 sieht es sogar noch trostloser aus. Erneut zeigt Fast & Furious 8 zwar People of Color in den Hauptrollen, davon abgesehen stehen in allen Filmen, inklusive Toy Story 3 auf Platz 20, weiße Männer im Vordergrund der Geschichten. Die Minions sind irgendwie ausgenommen, alle anderen relevanten Charaktere in dem Film sind aber weiß.

Einfach Minions.

Diese 20 Filme konnten den größten finanziellen Erfolg feiern und die meisten Zuschauer und Zuschauerinnen in die Kinos locken. Sie gelten als absolutes Vorbild für Erfolgsgarantien. Ist es also problematisch, dass diese angebliche Spiegelung unserer Gesellschaft primär weiß, männlich und heterosexuell ist? Die Antwort ist ein klares Ja, denn die Kinogänger sind alles andere als ausschließlich weiß, männlich und heterosexuell. Es sind keine Figuren zu sehen, die die LGBTQ-Community repräsentieren. Neben John Boyega, Oscar Isaac, Dwayne Johnson und Vin Diesel sind keine People of Color in Hauptrollen zu sehen. Dies sind alles männliche Figuren. John Boyegas Eltern stammen aus Nigeria, er selbst wurde in London geboren. Er ist der einzige, der sich in den Top 20 als Schwarzafrikaner qualifiziert. Oscar Isaac schaffte es als alleiniger Lateinamerikaner in eine tragende Rolle der 20 erfolgreichsten Filme. Nach Schwarzafrikanerinnen, Latinas, Asiaten und Asiatinnen suchen Zuschauende vergebens.

Die afroamerikanische Aktivistin Marian Wright Edelman  sagte mal:

You can't be what you can't see.

Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann.

Damit bringt Edelman das Problem kurz und knapp auf den Punkt. Wie soll zum Beispiel ein junger schwuler Mann seine eigene Sexualität akzeptieren, wenn ihm die Medien zu predigen scheinen, dass nur heterosexuell akzeptiert ist und Schwule flamboyant und hysterisch sein müssen? Wie soll ein junges schwarzes Mädchen mit krausem Haar Stolz auf ihre Herkunft entwickeln, wenn sie nur weiße Frauen mit glattem Haar auf Postern sieht? Die Augen der Welt sind dauerhaft auf Hollywood gerichtet. Es ist an der Zeit die Menschen dieser Welt in ihrer Vielfalt zu repräsentieren. Natürlich ist diese Diskussion keine neue und wurde bereits in zahlreichen Artikeln behandelt. Das macht den Wunsch nach Diversity und die Wichtigkeit des Themas aber nicht geringer, im Gegenteil. Solange das Ziel von Vielseitigkeit nicht erreicht ist, wird die Forderung danach weiter bestehen.

Der aktuelle Erfolg von Wonder Woman sollte Hollywood-Produzenten zeigen, dass Frauen ebenfalls alleine im Blockbuster-Kino funktionieren. Anfang nächsten Jahres kommt mit Black Panther der erste Film aus dem Marvel Cinematic Universe in die Kinos, in dem ein ausschließlich schwarzer Cast die Hauptrollen übernimmt. Es macht Hoffnung, dass uns in den nächsten Jahren vermehrt diverse Hauptfiguren im Blockbuster-Kino erwarten.

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