Wir schauen Game of Thrones - Staffel 5, Folge 9

09.06.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
#TeamStannis?HBO
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Stannis bringt in der 9. Episode dieser 5. Staffel von Game of Thrones ein grauenerregendes Opfer, um seinen Krieg weiterzuführen.

In The Dance of Dragons sitzen Tyrion, Hizdahr und Daenerys in der VIP-Loge der Arena von Meereen und streiten eloquent über die Voraussetzungen für Größe. Es ist eine bizarre Situation, selbst für Game of Thrones-Verhältnisse, nicht nur weil unter ihnen Männer einander mit Schwertern und Speeren durchbohren. Daario steht hinter den edlen Herrschaften und flirtet ganz offen mit der zweckverheirateten Herrscherin der Slaver's Bay. Diese scheint befremdet ob des Jubels der Massen im Stadion, die das Blutvergießen kaum erwarten können. Als ein Kämpfer einem anderen den Kopf abschlägt, bleibt die Szene nicht mehr als eine Randnotiz. Bis Dany Jorahs Stimme hört.

Es ist nicht das erste Mal, dass Game of Thrones eine Art Appendix für seine schockierendsten Entwicklungen liefert. In dieser 9. Episode der 5. Staffel ist der Anhang von David Benioff und D.B. Weiss fast so dick wie das Hauptwerk. Der verbale Schlagabtausch zwischen Tyrion und Hizdahr fragt, welche große Tat je ohne Morde oder Grausamkeit vollendet wurde, was den Lannister-Spross in Sachen Beleidigung weit ausholen lässt: "My father would have liked you." Ob Hizdahr #TeamStannis unterstützen würde, werden wir leider nie erfahren. Beim Aufstand der Sons of the Harpy endet er so wie das Gros der Kämpfer es in seinen geliebten Fighting Pits tut. Damit debattieren die Autoren Stannis' Motivation zur Ermordung seines einzigen Kindes Tausende Meilen weiter im Südosten und nehmen den Zuschauer von Game of Thrones gleich mit in die Mangel. Seit viereinhalb Staffeln sehen wir zu, wie Stannis Menschen verbrennt oder beinahe verbrennt, angespornt durch eine religiöse Fundamentalistin und die Vision, er sei der Auserwählte für den Thron und die Rettung des Landes. Trotzdem freuen wir uns über seinen Auftritt an der Wall, amüsieren uns seine grammatikalischen Kenntnisse und wärmt uns das Bekenntnis zu seiner Tochter das Herz. So scheinen wir, die Game of Thrones-Zuschauer, mal die Position der kreischenden Massen in der Arena einzunehmen, die sich am blutigen Spektakel laben. Wir können unseren Blick von den Kämpfen nicht abwenden und wenn wir es tun, dann weil wir die schlechte Inszenierung bemängeln. Ein andermal gleichen wir Daenerys. Die fiebert beim Kampf um Leben und Tod erst mit, als eine Projektionsfläche für ihre Sympathien mitmischt.

Mit der Ermordung des unschuldigen Kindes Shireen auf einem Scheiterhaufen erreicht Game of Thrones ein neues Gewalt-Level. Das sollte bei einer Serie, die mit der Lähmung eines Jungen begann, eigentlich weniger schockieren. Game of Thrones spielt, wie Fans und der Schöpfer  bei jeder Vergewaltigungsszene nicht müde werden zu betonen, eben in einer brutalen Welt. An der Pinnwand im Writer's Room der Serie mag Stannis' Sinneswandel in diesem Kontext logisch erscheinen. Er steht unter dem Einfluss einer Fanatikerin, hat sich in der Vergangenheit durch religiös motivierte Opfer und Hinrichtungen hervorgetan, seinen eigenen Bruder ermorden lassen und nun ist seine Armee dabei, im Winter zu verhungern. Daenerys' Herrschaft in Meereen erweist sich in The Dance of Dragons von einem Moment zum nächsten als erstaunlich fragil und mit Stannis Marsch auf Winterfell verhält es sich dank der Zündelei von Ramsay Bolton ähnlich. Ergo gibt er Melisandres Drängen nach, um nach Blackwater nicht zum zweiten Mal zu scheitern. Nur gelten seine Flammen nicht maskierten Mördern, sondern einem kleinen Mädchen.

Diese Opferung eines Kindes hat (religions-)historische und literarische Vorbilder, als Ritual wird es den Inka in Südamerika genauso nachgesagt wie den Phöniziern von Karthago. Im 1. Buch Mose unterzieht Gott Abraham einer Glaubensprobe. Er solle seinen Sohn Isaak als Brandopfer darbringen, doch als der Stammvater Israels das Messer zum Schächten ansetzt, wird der Sohn durch einen Widder ersetzt. Auf Erbarmen von Seiten R'hllors kann Stannis nicht hoffen. Seine Tat folgt den Eckpunkten einer griechischen Tragödie, etwa der Vorgeschichte von Sophokles' Electra. Agamemnon, König von Mykene, opfert in dieser Version der Geschehnisse seine Tochter Iphigenie der Göttin Artemis. Günstige Winde für die Fahrt seiner Armee nach Troja sind der Grund. Im Endeffekt setzt er damit eine Rachespirale in Gang, mit seiner Ermordung durch Ehefrau Klytaimnestra als Zwischenstation.

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