Wir schauen True Detective - Staffel 2, Folge 4

14.07.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Ray und Paul in True DetectiveHBO
10
4
Zur Halbzeit von True Detective geht's in den letzten Minuten endlich ans Eingemachte. Die Folge tut nichts, um Kritiker umzustimmen, belohnt aber Fans mit einem spannenden Schießerei, die kaum Überlebende zurück lässt.

Erinnert ihr euch noch als in Staffel eins um diese Zeit alle ausgeflippt sind, weil Cary Fukunaga einen spektakulären One Shot drehte, der allen Zuschauern die Sprache verschlug? Die Antwort darauf fällt in dieser Staffel zwar weniger spektakulär aus, macht aber dennoch einen besonders großen Haken an den Punkt "Actionsequenz in den letzten 10 Minuten" auf der allwöchentlicher To-Do-Liste von True Detective. Doch während wir in Staffel eins nach Who Goes There eine echt Spur hatten, endet Down Will Come mit dem Tod aller Verdächtigen und Zeugen und somit wenig Hoffnung auf eine baldige Aufklärung. Die restliche Zeit verbringt die Folge mit dem Herumstochern im kaputten Leben der Protagonisten, und dem Verfolgen weniger Spuren.

“Sometimes your worst self is your best self.”

Als würde ihn die Natur verhöhnen, muss Frank (Vince Vaughn) feststellen, dass seine Avocadobäume genauso wenig fruchtbar sind wie er und seine Frau Jordan (Kelly Reilly) selbst. Was sich schon seit einigen Folgen abzeichnet, wird nun zunehmend Realität. Frank ist gezwungen nach jedem Strohhalm zu greifen und seiner Vergangenheit hinterherzujagen. Nicht weil er es will, sondern weil er darin die einzige Möglichkeit sieht, sein Geld wiederzubekommen. "I never lost a tooth. Never even had a fucking cavity", versucht er sich mit Drohgebärden aus der Bedeutungslosigkeit zu holen und seinen Status als Crime-Boss wiederzuerlangen.

Ich habe Vince Vaughn viele Chancen gegeben, analog zur "Matthew McConaissance" die "Vince Vaughnaissance" aufleben zu lassen, doch die Art wie er Nic Pizzolattos mitunter sehr pathetischen Zeilen spricht, ist wirklich alles andere als überwältigend. Als wäre es ihm selbst peinlich murmelt er Zeilen wie:"Someone hit the fucking warp drive and I'm trying to navigate through the blur." schnell herunter. McConaughey hatte sich solche Ergüsse zu eigen gemacht, sie voll und ganz zum Teil seines Charakters werden lassen. Vince Vaughn ist leider nur dann wirklich gut, wenn er ernst gucken darf (übrigens der einzige Gesichtsausdruck) und sich mit seiner vollen Körpergröße über seine Geschäftspartner auftürmen kann.

Einen noch schlechteren Tag hat Paul (Taylor Kitsch) erwischt. Am Morgen wacht er neben seinem Armeefreund Miguel (Gabriel Luna) auf, was für einen Mann, der seine Homosexualität auf Teufel komm raus verleugnen will, kein erfreulicher Anblick ist ('I just don't know how to be out in the world, man"). Als dann noch ein Motorrad spurlos verschwunden ist und ihn aufgebrachte Reporter wegen seiner Black Mountain-Vergangenheit drangsalieren, ist er mental am Ende. Wenn dir sogar Ray Velcoro (Colin Farrell) Lebenstipps gibt, weißt du, dass du ganz unten bist ("You're a survivor. Everything else is just dust in your eyes. Blink it away, man"). Die Flasche Wodka scheint ihn aber mehr zu trösten als Rays Aufmunterungsversuche. Es ist allerdings schön zu sehen, dass Ray nach dem Nahtoderlebnis sein Leben wieder in den Griff bekommt.

Anis' (Rachel McAdams) Affären mit ihren Arbeitskollegen werden ihr plötzlich zum Verhängnis. Durch einen anonymen Tipp sieht sich ihr Chef gezwungen, sie zu suspendieren. Es scheint sich zu bestätigen, wovor Ray sie gewarnt hat. Chessanis (Ritchie Coster) Einfluss reicht weit. „He is a very bad person“ sagt sogar seine Tochter über ihn. Ist er der Strippenzieher hinter der Suspendierung? Hat er die Polizisten mit Absicht ins offene Messer rennen lassen, um die Ermittlungen zum Erliegen zu bringen? So langsam scheint sich zu zeigen, dass Chessani der Schlüssel zum Ziel sein könnte. Die einzige brauchbare Spur in dieser Folge offenbart sogar weitere Verbindungen zwischen Chessani und Casprere. Beide haben die Hilfe eines gewissen Dr. Irving Pitlor (Rick Springfield) in Anspruch genommen, jener Esoterik-Psychologe, den wir schon in Night Finds You kennengelernt haben.

Dann kommt der Durchbruch, der Down Will Come plötzlich nach vorne bringt. Paul findet Casperes gestohlene Uhr bei einem Pfandleiher und kann so einen Verdächtigen identifizieren. Ledo Amarilla (Cesar Garcia) scheint nun die beste Chance zu sein, dem Tod des Stadtplaners auf die Schliche zu kommen. Die darauf folgende Schießerei lässt zum ersten Mal in dieser Folge so etwas wie Spannung aufkommen. Im Sekundentakt gehen Polizisten, Zivilisten und Verbrecher zu Boden. Am Ende stehen Ani, Ray und Paul als einzige Überlebende auf einem Schlachtfeld. Im Gegensatz zu seinem Privatleben kann Paul als einziger mit dieser Situation umgehen. Hier weiß er, was er tut, hier muss er einfach nur funktionieren, Gefühle sind überflüssig.

Über weite Strecken erweist sich Down Will Come als eintönige Aneinanderreihung zusammenhangsloser Szenen. Was fehlt, sind echte Beziehungen zwischen den Figuren. Als hätte Nic Pizzolatto wahnsinnige Angst davor das Buddy-Cop-Genre zu berühren, Nicht nur wird Rays Partner Dixon die Episode nicht überleben, auch Anis' Partner kassiert eine deftige Absage. Ani schmettert ihm ein genervtes "Fuck off" an den Kopf. "Fuck off?" fragt er verwirrt, "I've been a friend of you!". Nein Elvis Ilinca (Michael Irby), du warst es nie und solltest es auch nie sein. Zwischen allen Charakteren herrscht immer noch eine riesige Distanz, die auch gemeinsame Dialogszenen nicht überwinden können. Da in den ersten 45 Minuten so wenig Spannendes passiert, ist es schwer, einen roten Faden zu erkennen. Es dominieren zersplitterte Szenen, die alle nicht viel mit einander zu tun haben und am Ende auch nirgendwo hinführen. Es sind kleine Fenster in das Leben der Figuren, die sich kurz öffnen, Zuschauern einen Blick gewähren lassen und sich sofort wieder schließen. Das Ende lässt zwar genug Fragen offen, doch wer jetzt noch kein Fan ist, wird es sicherlich auch nicht mehr werden.

Beobachtungen am Rande:

  • Die Preview für die nächste Folge kündigt einen Zeitsprung an, wie Rays fehlender Bart impliziert.
  • Athena erwähnt Sexpartys, die überall stattfinden. Hinweis?
  • Anis' Vater zu Ray: "You have one of the largest auras I've ever seen. Green and black. It's been taking up this whole room. I just -- I had to say something. You must have had hundreds of lives."

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