Woodstock - Die Mutter aller Festivals

04.09.2009 - 13:51 Uhr
Hippies pilgern zum Konzert - Szenenfoto aus Taking Woodstock
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Hippies pilgern zum Konzert - Szenenfoto aus Taking Woodstock
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An einem Wochenende im Spätsommer 1969 bewiesen eine halbe Million Hippies in Bethel im US-Bundesstaat New York, dass eine bessere Welt möglich ist, dass Menschen in Liebe und Frieden zusammen Leben können. Zumindest drei Tage lang…

Taking Woodstock, der neue Film von Oscar-Preisträger Ang Lee (Der Eissturm, Tiger & Dragon, Brokeback Mountain) erzählt zum 40. Jubiläum des Woodstock Festivals wie es dazu kam, dass die Organisatoren, nachdem die Anwohner sie vom ursprünglichen Veranstaltungsort vertrieben hatten, in dem beschaulichen Örtchen Bethel im Bundesstaat New York unterkam. Das Konzert selbst spielt dabei nur eine Nebenrolle im Film. Es geht um die Menschen, die es möglich gemacht haben und darum, wie eine amerikanische Kleinstadt damit klar kam, von einer halben Million Hippies heimgesucht zu werden. Dennoch ist der Geist des Festivals natürlich in jeder einzelnen Einstellung spürbar. Ein Anlass – neben dem 40. Jubiläum an sich – einmal die Geschehnisse in Bethel im Spätsommer 1969 zu rekapitulieren.

Woodstock Ventures

In den späten 1960er Jahren gründete der junge Musikproduzent Michael Lang (im Film gespielt von Jonathan Groff) das Media Sounds Aufnahmestudio in Woodstock und hatte die Idee es durch ein gigantisches Musikfestival zu finanzieren. Mit Hilfe zweier Investoren aus New York gründete er die Woodstock Ventures und fing an, die Woodstock Art and Music Fair zu planen. Das Projekt wurde ein finanzieller Reinfall, aber das historisch bedeutendste Musikfestival aller Zeiten.

Als Veranstaltungsort war ursprünglich Wallkill, 50 km südlich von Woodstock geplant. Nach Protesten von Anwohnern wichen die Veranstalter durch Vermittlung des jungen Hoteliers und Lokalpolitikers Elliot Teichberg (in Taking Woodstock dargestellt von Comedian Demetri Martin) nach Bethel aus – auf eine Kuhweide des Bauern Max Yasgur (im Film gespielt von American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen -Daddy Eugene Levy). Yasgur, ein alter Republikaner vom Schlage Abraham Lincolns, der noch nicht Recht und Ordnung, sondern die persönliche Freiheit als wichtigstes politisches Ideal republikanischer Politik betrachtete, trieb den Mietpreis hoch, als er hörte, wie viel Publikum erwartet wurde, stand aber von Beginn an hinter dem Festival, verteidigte die jungen Leute gegen misstrauische Nachbarn und zeigte sich auch nach der Veranstaltung, als seine Weide im Matsch versank, noch beeindruckt davon, wie viele Menschen auf seinem Land friedlich zusammen gefeiert hatten.

Die Veranstalter stemmten ihr Mammutprojekt mit einer Mischung aus professionellem Ehrgeiz und dem naiven Leichtsinn engagierter Amateure. Auf Yasgurs Grundstück wurde eine Bühne aus dem Boden gestampft und durch geschickte Verhandlungen – oder schlicht unverschämt hohe Gagenversprechungen – wurden ein paar der damals bekanntesten Musiker engagiert, unter ihnen Crosby, Stills, Nash and Young, Janis Joplin, Jefferson Airplane, der noch am Anfang seiner Karriere stehende Joe Cocker, Greatful Dead und Jimi Hendrix. Zu jenen Stars, die sich trotz großzügiger Angebote und immer wieder beteuerter Hoffnungen des Publikums nicht zu einem Auftritt in Woodstock bewegen ließen, gehörte hingegen der Liedermacher Bob Dylan.

Über 500.000 Hippies pilgerten nach Bethel und machten die Woodstock Art und Music Fair zu dem Ereignis, das noch heute ikonenhaft für die Hippiebewegung als solche steht und – je länger es zurückliegt – im kollektiven Bewusstsein der Popkultur einen immer wichtigeren Platz einnimmt, während der Summer of Love, San Francisco 1967, eigentlicher Höhepunkt der ursprünglichen Hippiekultur, immer mehr in Vergessenheit gerät oder schlicht mit Woodstock in einen Topf geworfen wird.

Kreatives Chaos

Wenig lief nach Plan in auf der Kuhweide von Max Yasgur. Schon als am Freitag, 15. August 1969 gegen 17 Uhr das Konzert offiziell eröffnet wurde, stand nicht die ursprünglich angekündigte Band Sweetwater auf der Bühne, sondern der vergleichsweise unbekannte Folk-Liedermacher Richie Havens, weil Sweetwater noch nicht eingetroffen waren und später – wie viele ihrer Kollegen – mit einem Hubschrauber eingeflogen werden mussten, da alle Zufahrtsstraßen nach Bethel von Massen von Hippies verstopft waren. Der Timetable war also von Beginn an durcheinander und wurde die nächsten Tage über konsequent weiter ignoriert.

Am Freitagabend setzte starker Regen ein, der auch während der folgenden Tage noch mehrfach wiederkehren sollte und einige Musiker zu Unterbrechungen ihrer Performance zwang. Jerry Garcia und Greatful Dead gaben nach ihrem Auftritt am Samstag Nachmittag an, mehrfach Stromschläge erlitten zu haben. Inzwischen hatten die Zuschauermassen den Zaun um das Festivalgelände niedergetrampelt und die Organisatoren notgedrungen den kostenlosen Zugang zum Festival nachträglich gestattet.

Die Sonntag Nacht hindurch wurde bis lange nach Miternacht gespielt, und am Morgen des Montags, 18. August spielte der eigentlich als Headliner für den Sonntagabend geplante Jimi Hendrix seine legendäre ins atonale kippende Improvisation der amerikanischen Nationalhymne, die zu einem der wichtigsten Musikstücke der Hippiebewegung wurde. Nur noch vereinzelte Zuschauergrüppchen harrten auf der von Regen und hunderttausenden Fußpaaren in eine sumpfige Mondlandschaft verwandelten Weide aus.

Das Ende einer Ära

In Woodstock lebte die Hoffnung auf eine neue Welt, ein Reich der Liebe und des Friedens. Dabei war schon damals zu erahnen, dass die Hippiebewegung den Weg aller Jugendkulturen gehen würde und ihr Verfallsdatum schon so gut wie erreicht war.

Einige Tage vor dem Festival hatten Anhänger des psychopathischen Gurus Charles Manson fünf Personen getötet – darunter die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate, Ehefrau Roman Polanskis. Die Sekte folgte einer kruden Mischung aus Okkultismus, Rassismus und Ideen der Hippiebewegung wie der Suche nach Erleuchtung mittels Drogen und sexueller Freizügigkeit.

Im Dezember 1969 fand das im Vorfeld als “Woodstock West” bezeichnete Altamont Free Concert in Altamont bei San Francisco statt. Drei Besucher kamen bei Unfällen ums Leben, einer wurde nach einem eskalierenden Streit während des Auftritts der Rolling Stones von den als Security geheuerten Hells Angels totgeschlagen.

Ein Jahr nach Woodstock starben kurz hintereinander zwei der wichtigsten Gesichter der Woodstock Nation: Am 18. September 1970 erstickte Jimi Hendrix in einem Londoner Hotelzimmer im Schlaf an seinem eigenen Erbrochenen. Er hatte große Mengen Rotwein und Schlafmittel intus. Kaum zwei Wochen später, am 1. Oktober, fand Janis Joplins Roadmanager John Cooke die Sängerin tot auf dem Boden des Landmark Motels in Los Angeles – mit 17 Einstichen am Unterarm.

Woodstock war kein Aufbruch, sondern das Aufbäumen vor dem Untergang. Die Hippiecommunity spannte noch einmal alle Muskeln an, bevor sie erschöpft von jahrelanger Ekstase zusammenbrach.

Taking Woodstock

Vom diesem tragischen Niedergang ist in Ang Lees Taking Woodstock noch nichts zu spüren. Aus der Sicht der Anwohner und Veranstalter zeigt er uns auf unterhaltsam-ernsthafte und dabei hochsympathische Weise das Geschehen rund um das Festival und beschwört in rechtschaffener Naivität noch ein Mal jenes Gefühl kollektiver Trunkenheit in Liebe, Frieden und Musik.

Hier der Trailer:

Taking Woodstock startet am 03. September in den deutschen Kinos. Wo er in eurer Nähe läuft, seht ihr in unserem Kinoprogramm. Und im Tobis Filmclub könnt ihr Freikarten für Taking Woodstock gewinnen!

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