Yersinia - Kommentare

Alle Kommentare von Yersinia

  • 5

    Zunächst das Positive. Optisch ist das alles sehr ordentlich. Der Film ist schön düster und es gibt einige wirklich flotte Effekte. Das Schloss, der Gruselwald und der Feenwald sind wunderschön anzusehen (Letztes ein bisschen süß-kitschig, da muss man halt nachspülen, sonst gibt’s Karies). Auch der Soundtrack ist gelungen.
    Englische Namen (bzw. groben Charakterisierungen) wie Snow White und Huntsman im Deutschen zu übernehmen ist natürlich total banane, aber die Einführung eines Charakters als „Hans-Man“ hat mir immerhin einen vollkommen unerwarteten Lachflash beschert. Viel beknackter ist eigentlich, dass ein ach so herzensgutes Wesen wie Snow White, nicht einmal NACH DEM NAMEN DES MANNES fragt, der sich im Laufe des Films für sie den Hintern aufreißt. Was für eine elende Egobraut -.-
    Die Geschichte von Schneewittchen wurde teilweise ganz gut ausgebaut und moderner gestaltet. Die Zwerge sind beispielsweise keine Weicheier mit gemachten Betten und abgezähltem Besteck. Größtes Problem, wie ich finde: Die Charaktere sind sehr flach, was schon zu viel gesagt ist, weil sie für flach ja mindestens zwei Dimensionen haben müssten. Da ist die Königin: man bekommt zwar einen kurzen Flashback zu ihrem Hintergrund, der aber (zumindest bei mir) mehr Fragen aufwirft als er klärt. [*SPOILER*] Warum ist die Gute so erpicht darauf, ganze Königreiche ins Verderben zu stürzen? Weil ihr Dorf überfallen und ihre Mutter ermordet wurde… aha! Da wäre mir ein klassisches „sie ist halt einfach böse“ doch lieber als so halbherzig den Schlimme-Kindheit-Joker vorgesetzt zu bekommen. Aber noch um einiges ärgerlicher als die Königin ist Snow White. Die Entwicklung von der unbeholfenen Göre ohne jegliches Charisma zur Heerführerin ist für mich absolut unglaubwürdig. Und warum genau ist Snow White so reinen Herzens? Weil sie jeden Tag gebetet hat? Das ist sooo lahm und eindimensional! Überhaupt, diese Einbindung der christlichen Religion in ein Fantasymärchen nervt! Musste sie wirklich das Vaterunser beten, war das nötig?! Weiterhin finde ich jahrelange Verknastung und perverse Bespannung durch Mister Topfschnitt hätte bei Snow White viel mehr Verstörung hervorrufen müssen. Da hätte man echt was draus machen können!! Okay, das Mädel guckt den ganzen Film über wie eine Kuh wenn’s donnert, aber das war wohl kaum von den Filmemachern intendiert und zählt deshalb nicht. Warum lässt die Königin sie überhaupt am leben, wenn sie doch weiß, dass Snow White Gerüchten zufolge die Schönste im Königreich ist (das erwähnt sie ja am Anfang) und frisst ihre Seele nicht gleich? Weil das Gör erst Volljährig werden muss, damit es legal ist?! Und wenn von Anfang an ihr Plan war, zu warten, bis sie herangewachsen ist und ihre Schönheit dann auszusaugen, warum ist sie verdammt noch mal so angepisst, als der Spiegel ihr verrät, dass es soweit ist? Fragen über Fragen. Dann dieser William, gibt es irgendeine Rechtfertigung für die Existenz dieses Charakters? Nein, einfach nein! Es gab eine Stelle im Film, bei der ich innerlich gejubelt habe und mir dachte „Jetzt geht’s los!“, und zwar als man (ich) für einen kurzen glücklichen Moment dachte, dass William Schneewittchen in die Pfanne hauen will - vielleicht aus verletzter Eitelkeit, weil er erleben musste, dass seine Jugendliebe doch mehr auf Hans steht. Aber nein, das wäre zu überraschend gewesen! Positiv in diesem Zusammenhang finde ich, dass man sich mit romantischem Geschnulze doch relativ gut zurückgehalten hat. Ein zweites Twilight (Hans oder William, Raufbold mit Herz oder aufopferungsvoller Milchbub?) hätte ich auf expliziter Ebene nicht ertragen.
    Mit Logik hat es der Film nicht so, aber oookay, es ist ja auch ein Märchen! Manche Sachen muss man einfach so hinnehmen, wie z.B. den weißen Hirsch oder das „keine Macht im dunklen Wald“. Aber bei den sich selbstverstümmelnden Frauen hört es doch auf: wie nehmen künstlich zugefügte Narben an der Oberfläche der Haut jemandem die Essenz der Schönheit, auf die es die Königin abgesehen hat? Ach, wahrscheinlich ist die Königin blind auf beiden Augen oder einfach nur blöd und erkennt nicht, dass einige dieser Frauen auch mit Narben noch heißer sind als Kristen Stewart. Vielleicht geht es ja aber auch nur um die innere Schönheit… nee, warte, warum war dann die Königin zeitweise die Schönste im Land? Ach, egal… [*SPOILER ENDE*]
    Moral von der Geschichte: Spiegel lügen und Frauen ab 30 sind prinzipiell hässlicher als durchschnittlich aussehende Teenagermädchen. Außer man kauft ordentlich Oil of Olaz.
    Der Film ist mäßig spannend, dafür aber stellenweise unfreiwillig komisch (Power-Slide in den Abwasserkanal, „Snow White ist die schönste im Land“ – die nächste Einstellung wird von Stewarts dämlichem Standard-Blick dominiert, …). Nix Neues: Stewart kann nicht wirklich schauspielern, hat nur einen Gesichtausdruck auf Lager (mit offenem Mund grenzdebil in die Leere starren) und absolut null Ausstrahlung. Theron fand ich okay, wenn auch teilweise zu übertrieben, die anderen Hauptdarsteller waren ganz gut, schätze ich.
    Jetzt wo ich mir das von der Seele geschrieben habe, fühle ich mich besser und kann abschließend sagen: Ich mag Fantasy-Filme, hab mich ganz gut unterhalten gefühlt und wäre ich jünger, hätte mir der Film vermutlich um einiges besser gefallen :-) Man darf bloß nicht zu viel drüber nachdenken.

    4