1919 - Künstlerische Freiheit bei United Artists

23.04.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Charly Chaplin ist einer der Mitbegründer von UA
United Artists / moviepilot
Charly Chaplin ist einer der Mitbegründer von UA
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Vom Jahr 2008 aus unserem letzten Artikel geht es beinahe ein komplettes Jahrhundert in die Vergangenheit: 1919 gründeten eine Handvoll Schauspieler United Artists.

Amerika gilt als das Land der großen Freiheit, diese Assoziation hat sich über Jahrzehnte hinweg eingebrannt. Doch mit der absoluten und uneingeschränkten Freiheit war es auch im Lande der Stars und Stripes nicht immer weit her, und das nicht erst, seitdem es seit einigen Jahren von einem Rezessionstief ins nächste schlittert. Besonders Filmschaffende und Künstler können davon ein Lied singen. In der Not läuft allerdings so mancher kreativer Kopf zu Höchstformen auf. Und eines schönen Morgens wacht er dann auf und ist Gründer einer Filmgesellschaft.

Immer diese Künstler!
Das Jahrhundert war noch jung, als sich in den Kinos landab- und landaufwärts überhaupt nicht heimlich, still und leise der Langfilm durchsetzte. Einige wenige Produktionsfirmen hatten die Filmbranche dabei fest in der Zange und es sah nicht danach aus, als würden sich die Verhältnisse in absehbarer Zeit ändern. Teurer und teurer wurden die Werke, und auch die Schauspieler verlangten Mitspracherecht und immer höhere Gagen, so dass diverse Produzenten wohl schon die kostbaren Bärenfelle vor ihren Kaminen davon schwimmen sahen. Ein Plan musste her.

Die Firma Paramount war es schließlich, aus deren Reihen die zündende Idee kam: sie würde sich mit dem First National Exhibitors Circuit zusammenschließen, einer Gesellschaft der größten nationalen Kinokettenbesitzer. Das Monopol für Produktion und Verleih wäre somit unter einen Hut gebracht, und ganz nebenbei auch noch die Rechte der so lästigen Stars beschnitten: sie würden kaum noch künstlerische Forderungen stellen können, geschweige denn finanzielle.

Die Fantastischen Vier
Ganz besonders vier Stars des Jahrzehnts müssen den Produzenten ziemliche Kopfschmerzen bereitet haben. Charlie Chaplin hatte als tölpelhafter Tramp in Streifen wie Lichter der Großstadt Karriere gemacht, Mary Pickford war die unangefochtene Nummer Eins unter den Stummfilmdarstellerinnen, David Wark Griffith hatte mit seinen Werken wie Geburt einer Nation den Langfilm etabliert und Douglas Fairbanks verzückte das Publikum regelmäßig mit seinen Mantel-und-Degen-Filmen.

Doch trotz aller Erfolge: Paramount verlängerte keinen einzigen Vertrag. Ein Privatdetektiv wurde in die Höhle der Löwen geschickt und fand heraus, was die Vier schon befürchtet hatten: der Zusammenschluss von Paramount mit den Kinobesitzern stand kurz bevor. Die Künstler konnten das nicht auf sich sitzen lassen, und so stand ein Beschluss schnell fest: sie würden eine eigene Firma gründen.

Goldrausch in Hollywood
Der 17. April 1919 stand schließlich unter dem Vertrag, und daneben die Unterschriften der vier Gründungsmitglieder von United Artists – der neuen Gesellschaft für den Filmvertrieb. In Ermangelung eigener Studios wurden einfach die der Mitglieder genutzt, und davon gab es bald reichlich: Walt Disney, Gloria Swanson, Buster Keaton – sie alle stiegen mit ein und genossen fabelhafte Konditionen und hohe Gewinnbeteiligungen. Unabhängige Produktionen garantierten künstlerische Freiheit und die Umsetzung auch ungewöhnlicher Stoffe.

Die Tinte unter den Verträgen war noch nicht ganz trocken, da ließen Filme wie Das Zeichen des Zorro mit Douglas Fairbanks, Der kleine Lord mit Mary Pickford und der wortwörtliche Goldrausch mit Charlie Chaplin die Kinokassen klingeln. Und sogar von einer Katastrophe profitierte die neue Firma: der Erste Weltkrieg legte in Europa die Produktion lahm und begünstigte den endgültigen Aufstieg amerikanischer Filmschmieden.

Geschichte im Zeitraffer
Die nun folgende Geschichte der United Artists war von häufigen Wechseln, von stetigem Auf und Ab geprägt. Mary Pickford und Charlie Chaplin hingen während der 50er ihre Positionen an den Nagel, neue Mitglieder kamen unter Vertrag und die Filmmaschine spuckte Werke aus, die noch heute als Meilensteine bekannt sind: Die zwölf Geschworenen, Manche mögen’s heiß, Die glorreichen Sieben und die Filme der James Bond-Reihe sind nur einige Beispiele. Eine Musik- und eine TV-Sparte wurden eingerichtet und dann kam der große Knall.

1980 ruinierte der Flop Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel von Michael Cimino United Artists, das daraufhin von Metro-Goldwyn-Mayer übernommen wurde. Heute gehört MGM wiederum Sony und hat seit langem keine Filme mehr produziert. 2006 wurden zwar Tom Cruise und die Produzentin Paula Wagner mit der Geschäftsführung beauftragt, Letztere stieg allerdings schon 2008 wieder aus und die Zukunft bleibt ungewiss. Die Vergangenheit ist dafür beachtlich: das Filmarchiv der United Artists umfasst bis heute 2600 Stunden TV-Programm und 1200 Spielfilme.

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1919 bewegte:

Fünf Filmleute, die geboren sind
23. Januar 1919 – Frances Bay, Tante Barbara aus Blue Velvet
18. Februar 1919 – Jack Palance, unzufriedener Produzent aus Die Verachtung
08. Mai 1919 – Lex Barker, Old Shatterhand aus Der Schatz im Silbersee
08. August 1919 – Dino De Laurentiis, Produzent vieler Filme von Federico Fellini
05. Oktober 1919 – Donald Pleasence, SEN 5241 aus THX 1138

Drei Filmleute, die ihr Debut feierten
Boris Karloff in The Prince and Betty
Fritz Lang mit Halbblut
Fay Wray in Blinde Ehemänner

Drei Ereignisse der Filmwelt
Oscar Micheaux produziert als erster Afroamerikaner einen Film: The Homesteader
Harold Lloyd hält die ersten test screenings ab um Feedback zu bekommen
Gründung der Münchner Lichtspielkunst AG

Drei wichtige Ereignisse der Nicht-Filmwelt
12. Januar 1919 – Die Niederschlagung des Spartakusaufstands in Berlin beendet die Novemberrevolution
15. Januar 1919 – Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden ermordet
28. April 1919 – in Versailles wird die Satzung des Völkerbundes durch die Vollversammlung der Friedenskonferenz angenommen

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