Christian Ulmen und Fahri Yardim über jerks, Marvel-Jobs und die Frage: Darf man als "alter" Mann noch über Sex reden?

03.02.2023 - 09:30 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Fahri Yardim und Christian Ulmen
Joyn/Anatol Kotte
Fahri Yardim und Christian Ulmen
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5 Staffeln lang brillierten die beiden Schauspieler in der deutschen Ausnahme-Serie jerks. Nun streiten Christian Ulmen und Fahri Yardim ein vorerst letztes Mal über die unangenehmen Fragen des Lebens – im Interview.

Aufhören soll man ja immer, wenn es am schönsten ist. Oder, wie im Fall von jerks.: am unangenehmsten. Ab dem 2. Februar 2023 läuft die fünfte und letzte Staffel der Kultserie bei Joyn, in der Christian Ulmen und Fahri Yardim Fremdscham-Versionen ihrer selbst spielen – und damit über die Jahre für einige der bösesten und witzigsten Momente der jüngeren deutschen Fernsehgeschichte sorgten.

Im Gespräch mit Moviepilot verrät das Comedy-Dreamteam, welche Humorkritik sie ärgert, unter welchen Umständen man als Mann über 40 noch zwanghaft über Sex reden darf und ob Fahri Yardim für Guardians of the Galaxy 3 doch noch als Waschbär Rocket zurückkehrt.

Nach 5 Staffeln jerks: Warum die witzigste deutsche Serie "banal" enden muss

jerks. - S5 Trailer (Deutsch) HD
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Moviepilot: War es schwer, für diese Serie ein passendes Ende zu finden?

Christian Ulmen: Wären wir ein Thriller, wäre das sicher eine Herausforderung. Bei jerks. geht es nicht um den raffinierten Plot mit dem krassen Twist am Schluss. Wir machen auch in der letzten Staffel, was wir in allen vorherigen gemacht haben: Wir erzählen vom Scheitern. In 10 Episoden. Wir enden so, wie David Letterman aufgehört hat: mit einer ganz alltäglichen Folge. Darum sagen wir auch nicht "Staffelfinale" dazu, sondern "zum letzten Mal".

Fahri Yardim: Banal zu enden ist wahrscheinlich das Passendste, was jerks. passieren kann. Im Grunde war die Banalität bei uns immer das, was bei anderen das große Feuerwerk war. Wir waren immer klein und [die Serie] wurde nur dadurch groß, dass wir dem Kleinen treu geblieben sind. Am Ende bleibt ein stumpfes Gefühl. Die Welt dreht sich weiter.

Christian Ulmen: … nur nicht mehr ununterbrochen um jerks.

In Folge 3 greift ihr in einer Diskussion zwischen Kindern ein Thema auf, das euch und jerks. immer wieder unterstellt wurde: Pipi-Kacka-Humor. Habt ihr das auch deswegen thematisiert, weil euch die Vorwürfe ärgern?

Christian Ulmen: Nee, geärgert hat mich das nie. [Pause] Doch, manchmal schon. Es kommt darauf an, von wem es kommt. Aber deswegen haben wir das in der Folge nicht aufgegriffen. Mir hat einfach die Vorstellung gefallen, dass schon der kleine Fahri sagt: "Ich liebe alles, was mit Pipi und Kacka zu tun hat, finde ich lustig!"

Fahri Yardim: Abgesehen davon, dass jerks. einfach zu 95 Prozent kein Pipi-Kacka-Humor ist, finde ich es eine Unverschämtheit gegenüber Pipi-Kacka-Humor. Eigentlich bin ich empört, dass wir so wenig Pipi- und Kacka-Humor haben!

Christian Ulmen: Die meisten, die jerks mit dieser Humorkategorie beschreiben, kennen die Definition nicht: Wesensmerkmal von Pipi-Kacka-Humor ist die Fäkalie als Pointe. Der Witz muss auf Pipi oder Kacka enden. Zum Beispiel: "Warum nehmen Ostfriesen immer Ketchup mit aufs Klo? Damit die Wurst besser schmeckt!" Das ist klassischer Pipi-Kacka-Humor. Der geneigte Rezipient lacht über eine Kackwurst, deren Verzehr hier suggeriert wird. Bei jerks. ist in den aller-aller-seltensten Fällen eine Körperausscheidung oder irgendein anderer Aspekt sogenannter "Untenrum-Themen" der Witz.

Wir siedeln unsere Geschichten in der Welt der Scham an, erzählen, worüber man nicht so gerne spricht, und das sind logischerweise sexuell oder gastroenterologisch oder soziophob konnotierte Begebenheiten. Aber die Pointen sind niemals ein Penis oder Kot. Zum Beispiel: Christian liegt mit Durchfall im Bett, er hat es nicht rechtzeitig zur Toilette geschafft. Aber das ist nicht die Pointe, sondern eine Ausgangssituation für Fahri, der Christians Hilflosigkeit ausnutzt, ihn aus Eifersucht vor seinen neuen Freunden zu diskreditieren. Wir lachen über Fahris Verkommenheit, nicht über Christians Stuhlgang.

Christian Ulmen und Fahri Yardim haben über Sexualität inmitten "verklemmter Unterdrückungsfantasien" ganz unterschiedliche Meinungen

Christian Ulmen im Whirlpool mit Mia-Sängerin Mieze

Habt ihr eine Theorie, warum so viele es witzig finden, Menschen dabei zuzusehen, wie sie furchtbare oder unangemessene Dinge tun?

Fahri Yardim: Ich glaube, weil die Dinge so alltäglich sind in ihrer Furchtbarkeit. Es ist befreiend, wenn man merkt, dass das allzu Menschliche auch Abgründe hat und dass Feigheit und Korrumpiertheit und entfremdet sein und kleine Rassismen und Egoismen nur menschlich sind. Das entlastet uns davon, ständig diesen zivilisatorischen Kraftakt hinzulegen, kultiviert sein zu müssen.

Christian Ulmen: Das Unbehagen bei jerks. entsteht, weil man als Zuschauer mit seinen eigenen Abgründen konfrontiert ist. Mit dem eigenen Rassismus, der eigenen Feigheit, dem eigenen Scheitern. Man guckt sich selbst zu, wenn man jerks. schaut.

Habt ihr in 5 Staffeln jerks. Dinge über euch selbst gelernt, die euch vorher vielleicht gar nicht so bewusst waren?

Fahri Yardim: Ich habe meinen Frieden gemacht damit, dass ich viele hübsche, sexuelle Fantasien habe. Ich habe immer gedacht, das wäre ein seltener Anteil, den ich für jerks. bemüht hervorholen muss, eigentlich aber ist er ständig präsent. Es tut gut, ihn befreit zu haben aus der inneren Ecke des schlechten Gewissens. Sexualität – obwohl sie so befreit scheint – ist immer noch oft ein angespanntes Feld. Gerade deswegen kann der offene Umgang ein guter Eisbrecher sein. Ich behaupte gerne über mich, eine Gabe zu haben, über sexuelle Dinge reden zu können, die bei vielen anderen komisch klingen würden. Bei mir bleibt da was Unschuldiges.

So begann die jerks-Reise von Christian Ulmen und Fahri Yardim:

Jerks - S01 Trailer (Deutsch) HD
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Christian Ulmen: Man spürt, dass du das denkst. Mir hat mal eine Freundin gesagt, die ich kenne, seit wir 19 sind: "Christian, jetzt bist du über 40. Du hast einen grauen Bart. Du bist alt. Wenn Du jetzt über Sex redest, bist Du ein alter grauer Mann, der über Sex redet. Das wirkt needy. Lass das nach."

Fahri Yardim: Was für ein bizarrer Anspruch! Die jugendliche Zeit, die studentische Zeit, dürfe noch mit Leben und Hedonismus gefüllt sein, und alles, was danach kommt, möge dann nur noch Ernsthaftigkeit und Nestbau sein. Mit dem Kaffee in der Hand schaue man friedlich abgemeldet auf sein Lebenswerk. Sexualität ist ein absolutes Lebenselixier, immer, auch im hohen Alter. Wenn man sie denn befreit aus den oft verklemmten, patriarchalen Unterdrückungsfantasien.

Nach Überraschung im Marvel-Trailer: Fahri Yardim weiß selbst noch nicht, ob er in Guardians of the Galaxy 3 dabei ist

Gemeinsam bis zum Ende: Fahri Yardim und Christian Ulmen

Fahri, du hast in mehreren Filmen Rocket gesprochen, den Guardians of the Galaxy-Waschbären. War das interessant für dich, weil es so weit weg ist von dem, was du sonst so machst?

Fahri Yardim: Ja, auch. Promi-Synchron hat eigentlich ein schlechtes Image bei Sprecher:innen, weil die wenigsten wegen ihres Talents gebucht werden, sondern wegen ihrer Strahlkraft und Reichweite. Eigentlich sind sie ein Marketing-Tool und, was das Sprechen angeht, ein Kompromiss. Nun war das so, dass ich glücklicherweise mit dieser dreckigen Stimme ganz gut auf diesen Waschbären gepasst und darauf auch von Sprecher:innen viel Zuspruch bekommen habe. Weil der neue Trailer von jemand anderem gesprochen wurde, munkeln gerade viele, ob ich da raus bin. Ich weiß es selbst noch nicht!

Christian Ulmen: Fahri, wusstest du, dass ich in dem Film war und nicht wusste, dass du den Waschbären sprichst? Ich dachte mir noch: Das klingt wie Fahri Yardim, dieses Tierchen! Habe dich dann mitten im Kino gegoogelt. Du klingst so schön.

Nicht nur jerks. geht im Februar weiter: Das sind die 20 besten Serienstarts

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