Könnt ihr euch erinnern, wann ihr zuletzt eine deutsche Fantasy-Serie gesehen habt? Wahrscheinlich nicht. Denn wenn wir alte Märchenserien und Animiertes ausklammern, ist die Liste plötzlich sehr kurz. Das will Ringe der Macht-Streamer Amazon Prime * mit dem Start von Hohlbeins - Der Greif ändern. Was für Genre-durstige Filmfans aus Deutschland eine gute Nachricht ist. Wir geben euch einen Spoiler-freien Ersteindruck.
Amazons Fantasy-Serie Der Greif: Stranger Things trifft Supernatural in Deutschland
Als Grundlage für die Fantasy-Serie Der Greif dient Heike und Wolfgang Hohlbeins gleichnamige deutsche Buchvorlage *: Mark Zimmermann (Jeremias Meyer) gilt als schwieriger Einzelgänger. Für seine Wutanfälle und ein Kindheits-Trauma ist er seit längerem in Therapie. Die unerklärlichen Dinge, die er gesehen hat, als sein Vater ihn und seinen älteren Bruder Thomas vor zehn Jahren entführte, schreibt er mittlerweile seiner geistigen Erkrankung zu. Bis Thomas (Theo Trebs) an seinem 16. Geburtstag auftaucht und ihm ein dunkles Familien-Erbe enthüllt.
Fantasy-Fans, die Supernatural gesehen haben, werden hier sicherlich einige Parallelen erkennen: Ein verschwundener Vater und zwei Brüder, die das Vermächtnis ihrer Familie mithilfe einer Familienchronik schultern müssen? Sam und Dean lassen grüßen. Aber das tut der Serie Der Greif keinen Abbruch, zumal sie anschließend eher in Richtung Stranger Things driftet.
Mark eröffnet sich die fantastische Parallelwelt des Schwarzen Turms, die mehrere Etagen besitzt. Löcher gähnen im Himmel und gewaltige Stützpfeiler ragen aus schroffen Landschaften auf. Hier schmiedet ein übermächtiges Wesen grausame Pläne, um sich die Welt der Menschen zu unterwerfen: der Greif. Klar, dass Mark dieser Bedrohung nicht allein gewachsen ist und deshalb in der Amazon-Serie Mitstreiter wie Metal-Fan Memo (Zoran Pingel) und Klassenkameradin Becky (Lea Drinda) um sich sammelt.
Der Greif ist eine Raum- und Zeitreise in eine faszinierende Fantasy-Welt
Während der Netflix-Hit Stranger Things die 80er aufleben lässt, ordnet sich Amazons Der Greif 1994 ein Jahrzehnt später ein. Das gibt der Fantasy-Serie eine besondere 90er-Würze, die sich nicht nur in großen Brillen und Vokuhila-Frisuren niederschlägt, sondern auch viel über Musik-Liebe funktioniert.
Denn nicht nur haben Mark, Memo und Thomas einen Plattenladen und erstellen Kassetten-Mixtapes: Der Soundtrack einer ganzen Generation ist in Der Greif zu jeder Zeit präsent. Nirvana und Metallica untermalen unterschiedliche Stimmungslagen und passen zum Schulalltag in Krefelden häufig genauso gut wie zu anderen Fantasy-Dimension.
Auch wenn die Parallelwelt des Schwarzen Turms am Drehort Teneriffa entstand, muss Deutschland sich mit seinen Kirchen, Wäldern und Gemäuern als Fantasy-Setting nicht verstecken. Die Computer-Effekte haben wir anderswo schon hochwertiger gesehen, doch die steinernen Handlanger des Greifs liefern ein überzeugendes Kreaturen-Design ab und insbesondere die augenlosen Gestaltwandler sorgen immer wieder für wohlige Schauer à la Pans Labyrinth.
Amazons Fantasy-Serie sucht ihre Balance zwischen Gewalt und Jugend-Unterhaltung
Nur beim Finden seines Tonfalls gerät Der Greif immer wieder ins Straucheln. Denn mit seinen jugendlichen Protagonisten verschmilzt Amazons Coming-of-Age-Serie die düstere Fantasy nicht immer nahtlos mit der ernsthaften Beschäftigung mit dem Erwachsenwerden, dem emotionalen Teenie-Drama und der kindlichen Rätsel-Schnitzeljagd.
Die Thematisierung von Marks (durchaus nicht nur als Fantasy-Erklärung abgefrühstückten) mentaler Gesundheit erdet die Serie zu Beginn gut. Sie wird von Erol Yesilkaya und seinen Serien-Mitstreitern aber auch für Gewaltausbrüche genutzt, die unangenehm aus dem Rahmen fallen.
Das zeigt sich schon in Folge 1 in einer Traumsequenz, wo der Held der Geschichte seinen Lehrer blutig prügelt, bis dessen Gesicht kaum noch erkennbar ist. Später bricht die Brutalität auch aus der reinen Fantasie aus. Das fühlt sich jedes Mal unnötig an, weil die Amazon-Serie genug anderes Konfliktpotenzial besitzt, ohne im Teenager-Kontext zusätzlich derart grafisch werden zu müssen.
Obwohl die Figuren in der Greif von der ungläubigen Mutter (Sabine Timoteo) bis zur Klassenschönheit Sara (Flora Thiemann) alle ihren Reiz haben, ringt die Serie damit, genug Interesse für alle jonglierten Charaktere hervorzurufen. Warum zum Beispiel sollten wir uns für das Gelingen oder Scheitern einer Schulparty interessieren, wenn Mark in der Parallelwelt gerade gegen Gargoyle-ähnliche Sklavenhändler und das Ende der Welt kämpft?
Schlussendlich ist Der Greif an mancher Stelle noch auf der Suche, das richtige Maß seiner Elemente zu finden. Doch mit seiner faszinierenden Stockwerk-Welt, einnehmenden Figuren und dem besonderen 90er-Charme besitzt die Amazon-Serie genug Potenzial, um trotzdem einzuschalten und diesen deutschen Fantasy-Vorstoß mitzuerleben.
Die Fantasy-Serie Der Greif umfasst 6 Episoden, die seit dem 25. Mai 2023 bei Amazon Prime als Stream verfügbar sind.
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Wir spüren dem hinterher, was Buffy als Serie so besonders machte, erinnern uns an die besten Episoden sowie Lieblingsfiguren und diskutieren auch über das Spin-off Angel und die Pläne zu einem Fantasy-Reboot.
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