Ich, Persona & das Spiel mit den Rollen

11.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Persona
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Persona ist ein Film, dessen Geschichte mir unter die Haut ging und mich im Innersten erschütterte. Er ist ein Rätsel, das sich wohl nie ganz lösen lässt, meine Sicht auf die Filmkunst änderte und mich vor die Frage stellte: Wer bin ich und wenn ja, warum nicht?

Mitte der Sechziger Jahre befindet sich der Mann, der 1997 in Cannes als „bester Regisseur aller Zeiten“ ausgezeichnet werden wird, in einer Schaffens- und Seinskrise. Der schwedische Theater- und Filmemacher Ingmar Bergman steht seiner Kunst in dieser Zeit sehr pessimistisch gegenüber und ist der Meinung, dass sie weder die Möglichkeit noch die Macht besitze, den Verlauf unseres Lebens zu beeinflussen. Das wurmt ihn und überschüttet ihn mit Zweifeln. Nicht nur deshalb stellt der Regisseur sich und sein kreatives Schaffen, filmisch immer wieder in Frage. Doch die Neugier, ob hinter all seinen Mühen vielleicht doch ein Sinn verborgen ist, treibt ihn an und er filmt und schreibt unermüdlich weiter. Mit Persona erscheint 1966 einer seiner besten und meistdiskutierten Filme, der beispielhaft Bergmans Gedanken und Assoziationen zur Filmkunst verdeutlicht.

Persona beginnt verstörend. Im hektisch geschnittenen Vorspann tauchen vereinzelt Bilder vom Schlachten einer Ziege, Ausschnitte einer Zeichentrickserie, eines männlichen Glieds und einer Vogelspinne auf. Dazwischen wird der Zuschauer vom grellen Licht eines Scheinwerfers geblendet und durch das Rattern eines Filmprojektors zusätzlich verwirrt. Es folgen ruhigere Bilder und der Film nimmt uns mit an einen seltsamen Ort. In einer kahlen und strahlend weißen Leichenhalle liegt ein Junge, der sich langsam aufrichtet und direkt in die Kamera schaut. Er sieht uns an und versucht, die unsichtbare Scheibe zwischen Filmwelt und Realität zu ertasten. Wieder ändert sich die Perspektive und es wird deutlich, dass der Junge eine Art Leinwand abtastet, auf der abwechselnd und leicht verschwommen, zwei Frauengesichter erscheinen. Mit diesem Vorspann beraubt uns Bergman der Illusion des Films und weist darauf hin, dass wir einer künstlich erschaffenen, einer gemachten Filmrealität beiwohnen. Trotz dieses Hinweises ist die folgende Handlung auf unheimliche und beklemmende Art und Weise einnehmend.

Das Drama beginnt, als die Schauspielerin Elisabet Vogler (Liv Ullmann) während einer Theateraufführung plötzlich zusammenbricht und fortan in tiefes und unerklärliches Schweigen verfällt. Nach einem Krankenhausaufenthalt wird sie zu Erholung zusammen mit der Krankenschwester Alma (Bibi Andersson) in ein Ferienhaus an der Küste geschickt. Dort, auf engstem Raum, verschwimmen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie, aber auch zwischen den Persönlichkeiten der beiden.

Warum ich Persona mein Herz schenke
Persona hat mich auf eine rätselhafte Reise in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern mitgenommen. Aus Bergmans besonderer Bildsprache und der grandiosen schauspielerischen Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen Liv Ullmann und Bibi Andersson speist sich die Dynamik des Films. Schon der Titel verrät, wie wichtig Bergman bei dieser Arbeit die Beziehungen zwischen den Schauspielern und ihren Rollenfiguren sind. Im antiken Drama bezeichnet Persona die Masken der Schauspieler, aber es kann auch Rolle, Stimme oder Identität bedeuten. Mit diesen Begriffen spielt der Regisseur virtuos, wenn er im Film ein komplexes System aus wirklichem Ich, gesellschaftlicher Fassade und gespielter Rolle entwirft. Es sind die Beziehungen und Zusammenhänge eben dieses Systems, in dem sich Elisabet Vogler und Schwester Alma im Film verlieren. Vieles bleibt offen in diesem Strudel der Identitäten, doch eine Ärztin versucht immerhin, Elisabets Schweigen zu erklären. Während ihres Sturzes auf der Bühne habe sie erkannt, dass sie als Schauspielerin, wie auch als Mensch immer wieder nur Rollen spiele. Dass der Schein so ihr wahres Sein aussteche, führe zur bitteren Erkenntnis einer Lebenslüge, die sie in tiefe Lethargie stürze.

Elisabets Undurchdringlichkeit ist es schließlich auch, was Almas Welt und ihre Selbstwahrnehmung verändert. In der besonderen Kommunikationssituation wird auch ihr Ich, ihr Verhalten langsam in Frage gestellt. Ihre Fassade beginnt zu bröckeln und Ingmar Bergman zeigt uns in faszinierenden Szenen und Bildern, was sich dahinter verbirgt. Weil der Film es als Kunstform schafft, solch grundlegende und existenzielle Fragen zu stellen und zu interpretieren, sie als Geschichte so gekonnt zu inszenieren und das Unterbewusstsein des Zuschauers im tiefsten Inneren anzusprechen, ist er für mich zeitlos und einzigartig.

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