Im Epizentrum der US-Fernsehfiktion

25.09.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
The Sopranos: Früher Triumph des Showrunner-Models
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The Sopranos: Früher Triumph des Showrunner-Models
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Der Showrunner genießt ein  luxuriöses Privileg: Er gibt seine Vision nahezu unverfälscht an ein Publikum weiter. Dafür nimmt er allergrößte Belastungen auf sich. Der 1.Teil eines Portraits um den verzerrten Traumjob in der boomenden TV-Branche.

Würden wir Matt Nix – eines der vielen talentierten erzählenden Lichter Hollywoods – nach seinem Beruf fragen, würde er sagen, Autor. Fragten wir interessiert nach, würde er sagen Autor-Produzent. Und wären wir noch neugieriger, würde er sagen Autor-Produzent und Casting-Director. Matt Nix ist der Showrunner der Serie Burn Notice, mit der Bezeichnung Manager hat er Probleme. Da würde er ja wie eins dieser Arschlöcher klingen, wie diese karrieristischen, peitschenschwingenden Business-Schoolabsolventen, die Brennstäbe der freien amerikanischen Marktwirtschaft. Aber ist Matt Nix nicht genau das? Kein Peitschenschwinger, aber doch mehr Manager als Autor? 

Einen ergiebigen Panoramablick auf die zeitgenössische Autoren-Zunft kredenzt uns in regelmäßigen Abständen das Branchenblatt The Hollywood Reporter mit seinem Roundtable, eine Art moderierter Stammtisch, zu dem die darstellerisch und schöpferisch Tätigen des US-amerikanischen Fernsehens Zugang haben. In gemütlicher Runde sehen sich meist nicht mehr als sechs prominente Gäste den Fragestellern gegenüber, jeder bekommt seine zehn Minuten, gesprochen wird dabei ausschließlich über Filme und Serien. Die bemerkenswertesten dieser Interviewrunden sind meist jene, in denen die gegenwärtig erfolgreichsten und aktivsten Showrunner zusammenkommen: Vince GilliganMatthew WeinerBeau Willimon. Sie haben während der knapp bemessenen Plauderstunde besonders viel zu sagen, wirken dabei aber ungemein entspannt und mit sich und ihrer Welt im Reinen. Wahrscheinlich ist es das Wohlbehagen der Entlohnten, die Zufriedenheit der für ihre Arbeit Gewürdigten, die sie entspannen lassen. Vielleicht reden sie aber einfach auch ganz gern über sich und ihre Arbeit. Denn eigentlich müsste so ein Showrunner ja ständig unter Strom stehen. Schließlich ist sein Arbeitsprofil zuletzt stets dichter und komplexer geworden.

Der Showrunner als Projekt-Manager
Das Quality-TV und das Konzept des Showrunners sind untrennbar miteinander verknüpft. Der Showrunner ist der Kern des Produktionsmodelles, die Schöpfungsbiographie einer Serie auf eine einzige kreative Quelle und ein Ideal zurückgehenzulassen. Dem Autoren, der die wichtigsten Ressorts des Projektes kontrolliert, vertraut der Sender dabei weitgehend blind, installiert ihn als einen mit größten Verantwortungen und Freiheiten geweihten Projekt-Manager. Im Grunde müssen wir uns den modernen Showrunner als eine Art schaltende und waltende Dreifaltigkeit vor Augen führen. Da ist zuallererst der Creator, der Visionär, der die Geschichte und das Konzept einer Serie erdenkt, der tagtäglich seine Idee verteidigt. Mit dem Posten des Creators erschließt ein Showrunner die institutionelle Macht, seine Idee über Jahre und Staffeln am Laufen zu halten.

Gleichwohl stellt ein Showrunner eine natürliche Autorität dar, eine kreative Institution und Führungskraft von der die Erzählstränge ausgehen, bei dem sie wieder zusammenlaufen und an ein Autorenteam verteilt werden. Im Writersroom, wo die Köpfe, die während einer Staffel durch eher metaphysische kreative Synapsen verbunden sind, sich auch räumlich nahe kommen, werden die Ideen und Fortschritte synchronisiert. Der Showrunner hat als kreative Schaltzentrale das große Ganze im Blick und gewährleistet so erzählerische Konsistenz und Kohärenz. Und genau wie die Dynamik einer Geschichte, wird auch das Autoren-Team, das der Showrunner zumeist nach eigenem Gutdünken zusammengestellt hat, von einer übergeordneten Instanz koordiniert. Episoden werden vom Showrunner an seine Autoren delegiert, Regisseure instruiert.

Der Manager verdrängt den Autor
Macht und Autorität, Delegieren und Koordinieren – das sind in der Tat Begriffe, wie sie normalerweise in Managerhandbüchern gepaukt werden. Im Zusammenhang mit der Empfindsamkeit eines schöpferischen Geistes erscheinen sie ein wenig kantig. Der Autor im Berufsbild des Showrunners aber gerät im ökonomisch ausgerichteten Fernsehen, wo dann auch Begriffe wie Produktivität, Effizienz und Deadline fallen, in den Hintergrund.

„Ein Showrunner bekommt den Job bei einer Serienproduktion, weil er ein guter Autor ist – allerdings stellt diese Facette irgendwann nur noch einen kleinen Teil der eigentlichen Arbeit dar.“ So urteilt Jane Espenson, die Joss Whedon bei seiner Arbeit für Buffy – Im Bann der Dämonen unterstützte und derzeit als Showrunnerin für Once Upon a Time – Es war einmal … tätig ist, bei der San Diego Comic Con über ihren Beruf. 

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