Dafür, dass Joss Whedon Filmschaffender und Drehbuchautor in dritter Generation ist und damit selbst im dynastisch strukturierten Hollywood ziemlich alleine dasteht, hat er sich doch einigermaßen viel Zeit damit gelassen, einen Platz für sich und seine Arbeit zu finden. Umso bewundernswerter ist es, dass in der ganzen Klein-Klein-Arbeit, die Whedon verrichtete, offenbar nur, um überhaupt etwas zu tun, einige Projekte als Säulen herausragen, aufgrund derer distinktiver Wiedererkennungswerte, ihm doch so etwas wie Stil, ein Plan, ein übergeordnetes erzählerisches Paradigma unterstellt werden darf.
Wie aber können wir einem, der während seiner heute vollendeten 50 Jahre gleichermaßen Roseanne, Speed, Toy Story und Cabin in the Woods bereicherte, denn Stringenz und Konsistenz attestieren? Genau, die Säulen: Joss Whedon wird gemeinhin mit drei Projekten verbunden. Für Buffy – Im Bann der Dämonen wird er geschätzt, für Firefly ‒ Aufbruch der Serenity verehrt und für den größten Blockbuster der letzten zehn Jahre, Marvel’s The Avengers, wird er nahezu ausnahmslos bekniet. Das sind drei auf den ersten Blick vollkommen verschiedene Settings, was sich allerdings gleicht, sind die Ansätze, mit denen hier Unterhaltsamkeit und durchschlagende Zerstreuung generiert werden.
A Band Apart – Eine Außenseiterbande
Mit dem Gangsterfilm von Jean-Luc Godard, Bande à part – Außenseiterbande, ist Joss Whedons Schaffen nicht nachgewiesen verknüpft. Unzweifelhaft ist jedoch die Verbindung seiner Sujets zumindest zu ebenjenem Titel. Außenseiter sind seine Figuren alle auf ihre Weise. Und in Buffy wie auch in Marvels Avengers und Firefly schließen diese Außenseiter sich zu Banden, Gruppen zusammen – freiwillig oder doch eher gezwungenermaßen, wo doch jeder soziale Zusammenschluss irgendwelchen sozialen oder biologischen Trieben unterliegt. Bei Buffy haben wir die hübsche Schönheitskönigin, neu in die Stadt gekommen, einstmals populär und etwas oberflächlich, inzwischen aber zumindest in Teilen zu ihrer Lebensaufgabe charakterlich hochgewachsen. Mit ihrem Schicksal auf ewig, solang ihre Knochen sie tragen, Dämonen mit einem Arschtritt zurück gen Höllenschlund zu befördern, geht allerdings auch eine soziale Distinktion, Einsamkeit einher.
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Dort auf der vermeintlich unteren Schiene der Highschool-Nahrungskette sind bereits Willow und Xander, klug und sensibel, bzw. belämmert, neurotisch und sensibel, die Buffy bereitwillig aufnehmen. Xander und Willow, die sozial schwachen, im Duo starken, laden Buffy ein. Und wenn Buffy wollte, könnte sie dort sein, wo Cordelia fristet, die ebenfalls eingeweihter Teil der Außenseiterbande ist, sich sonst aber in erhabeneren Sphären des Highschool-Zirkus bewegt. Mit Giles, dem nervösen Bücherwurm, Bibliothekar und Briten stößt der letzte klassische Loser zur Gang, in der alle voneinander abhängig sind. Und Whedon, Erfinder der Charaktere, beginnt auf deren diversen Abhängigkeiten, Schwächen, Neurosen und Sehnsüchten zu surfen. Er meint über das Verhältnis zu seinen Figuren: “Spike, Andrew, Illyria, River, Captain Hammer, Loki, the Cheese Man… zur Hölle, ich liebe sie alle, sonst könnte ich sie nicht schreiben." Whedons stilistischer Gestus bleibt dabei weitgehend gleich.
Joss Whedon – Einer von ihnen, einer von uns
Er weiß als Vater genau, was seinen Kindern wehtut, was sie mögen, wovor sie Angst haben. Die Situationen, Episoden und sozialen Räume richtet er dementsprechend aus. Dazu gehören auch Fish-out-of-water-Situationen, also die Figuren in eine Lage zu bringen, die sie nicht gewohnt sind, was nur jemand tun kann, der seine Figuren wahrhaftig kennt. In diesen Situation dann beginnt Joss Whedon seine Figuren zusammenarbeiten zu lassen, die Instrumente und das Fundament dazu gibt er ihnen vorher an die Hand. Das Spektakel, der ernste Kampf, die eigentliche Situation wird zur Pointe und die Lösung des Problems zur Formsache. Joss Whedon versteht es, die Dynamiken einer Gruppe anschaulich zu etablieren, illustrieren und zu verwerten, was in der Fiktion selbstverständlich Hand in Hand geht. Bausteine und Werkzeuge, Hammer und Meißel. Manche Gesetze einer Gruppe bleiben aber gleich, sind berechenbar und verlässlich. Nicht umsonst sprechen wir im Zusammenhang mit Gruppen gerne von Chemie, manchmal auch von Physik.
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Bei den Avengers zum Beispiel sind die Stärken zuerst offensichtlicher als die Schwächen. Aber wenn nicht die gemeinsam geteilte Schwäche, was treibt die Avengers sonst zusammen? Avengers Assembled – wieder erwächst aus dem Team eine Stärke und Homogenität, deren einziger gemeinsamer Nenner die jeweiligen Schwächen sind. Das ist einfachste Gruppenpsychologie. Doch die Superhelden-Egos – das von Tony Stark übersteigt wahrscheinlich die versammelten der Buffy-Clique – unter einen Hut zu bekommen, ist drehbuchtechnisch und inszenatorisch wahrlich keine einfache Aufgabe. Das Ego der einzelnen Helden meint hier ja auch das Geltungsbedürfnis und die Aufmerksamkeit, die wir den einzelnen Helden zuordnen: die Screen-Time. Das Superhelden-Ego wird so gleichermaßen zum Zeit- und Platzproblem, das sich dadurch bezwingen lässt, die Charaktere möglichst oft an einem Ort zu versammeln, ohne dass das gestellt aussieht und ohne dass Langeweile aufkommt.
Ein distinguierter Nerd
Dafür braucht es einen fidelen, blitzgescheiten und von der Erfahrung in die Gelassenheit beförderten Autoren. Und wenngleich die Ordnung seinem Curriculum Vitae bisweilen abgeht (oder abging), ist Joss Whedon doch einer, der fürs Drehbuchschreiben geboren wurde, dem das Schreiben für den Film als Geburtsrecht durch seinen schreibenden Vater (Tom Whedon) und Großvater (John Whedon) einverleibt wurde. Eine Signatur eines solchen Talents ist die Pointiertheit der Dialoge und die Konsistenz und Zugespitztheit des Stoffes. Zugute kommt ihm dabei die Kenntnis seiner Figuren, die er entweder wie bei Firefly und Buffy selbst erschaffen hat, oder mit denen er, wie im Falle der Avengers, aufgewachsen ist. Whedon schreibt und liest Comics (Fray), er verfügt im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen über Comic-Fachwissen, findet sich im Marvel-Universum genauso gewandt zurecht wie im Shakespeare-Werk. Joss Whedon ist ein distinguierter Nerd, kultivierter Schaffender und ein hingebungsvoller Zugehöriger und damit wahrscheinlich das erste schreibende und regieführende Scharnier zwischen der Ruppigkeit eines Comic-Buches und dem abgeriebenen Blockbuster-Kino. Alles Gute!
Was wünscht ihr Joss Whedon zum Geburtstag?