Mad Max: Hat der Film uns das Spiel ruiniert?

25.05.2015 - 16:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Mad Max
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Mad Max: Fury Road presst seit seiner Veröffentlichung täglich tausende Menschen in die Kinosessel, ein Ende des Hypes um die Endzeit-Welt scheint nicht in Sicht. Ich habe den Film gesehen und glaube nun zu wissen, wieso das Spiel zum Film scheitern wird.

Ich gehe nicht besonders gerne ins Kino. Bevor ich mich in dem durchgesessenen und vom Vorbenutzer noch angewärmten Stuhl versenke und altes Popcorn in die Ritzen des Polsters zurückpresse, muss ich für mein Ticket durchschnittlich den Gegenwert eines Billigflugs nach Rom bezahlen, was es nur selten tatsächlich wert ist.

Und doch stand ich an diesem Mittwoch Abend mit einem vergoldeten Papierfetzen in der Hand im Herzen des Berliner Cinemaxxx und drängelte mich zu meinem Sitzplatz, während ich voller Vorfreude grinste. Endlich würde ich Mad Max: Fury Road sehen. Ob meine Freunde, das Internet, geradezu die ganze Welt zurecht so begeistert von diesem Film ist?

Oh ja.

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Mad Max wischte mich zwei Stunden lang und mit dröhnendem Sound von den Füßen, zog mich lachend durch eine Pfütze voller Dreck, Rost und Blut und ich wollte mehr, mehr, mehr. In den nächsten Tagen umgab ich mich mit allem, was das Mad Max-Universum hergab und stieß in meinem Wahn auch über eine Pressemeldung , die Mad Max, das inoffizielle Spiel zum Film, für Ende 2015 ankündigte. Kurz darauf wurde ein erster Gameplay-Trailer veröffentlicht, der die wesentlichen Features des Spiels erstmals in Bewegung zeigt. Wohlig schnurrend klickte ich auf den Play-Button.


Mad Max  wird von Avalanche Studios entwickelt, die vor allem für die spielgewordene Michael Bay-Verneigung Just Cause 3  sowie die Vorgänger bekannt sind. Der Erfolg des Kinofilms scheint dabei derzeit die größte und effektivste Werbetrommel für das Spiel zu sein: Open World? Viel Dreck und Explosionen? Knackige Nahkämpfe? Actiongeladene Verfolgungen? All das haben Just Cause 3 , RAGE  oder Batman: Arkham City  bereits zur Perfektion getrieben.

Der Film allerdings, der aktuell weltweit riesige Besuchermengen in die Kinos treibt, könnte eine neue Vorfreude auf die eigentlich nicht besonders innovative Spieleformel wecken, die versucht, Inspirationen aus Fury Road zu übernehmen und damit das AAA-Actionbrett ein wenig aufzupeppen.

Soweit die Theorie. Nachdem ich den Trailer immer und immer wieder angesehen hatte, spürte ich, wie die Vorfreude auf das Spiel immer weiter abklang. Ich redete mir ein, dass sich bis zum Release im September noch vieles ändern kann, doch je mehr Entwickler-Tagebücher und Specials unter meinen Mauszeiger wandertern, desto sicherer wurde ich mir: Der Film hat uns das Spiel ruiniert.

Was macht einen 0815-Actionfilm zu MAD MAX: FURY ROAD?

Die Erklärung meiner düsteren Prognose (ich sage das wirklich nicht gerne! Wirklich!) beginnt beim Film. Denn im Grunde ist Mad Max eine Gewaltorgie, die sehr einfach strukturiert ist: Menschen sitzen in Autos und fliehen vor anderen, bösen Menschen in Autos. Ab und zu kommen sie sich zu Nahe und dann wird gekämpft. Oberfiesling stirbt. Die Guten gewinnen. Bedeutungsschwangeres Zitat zum Abschluss, Abspann.

Soweit das Grundgerüst des Films, das sich nicht wesentlich von anderen Actionstreifen unterscheidet. Aber was macht dieses 0815-Spektakel nun zu dem fantastischen MAD MAX: FURY ROAD, das mich so begeistert?

Ein ungewohnt ruhiger Moment


Das recht rustikale Grundgerüst des Actionstreifens wird vor allem durch seine Charaktere so besonders gemacht: Auf der einen Seite steht Protagonist Max, der von ständigen Halluziantionen gejagt wird und im gesamten Film vielleicht 20 Sätze ausspricht. Jedes Mal, wenn er den Mund öffnet, fühlt es sich nach einer riesigen Überwindung für ihn an, was jeder Szene mit ihm eine enorme Intensität verleiht.

Zudem spielen die Frauen eine wichtige Rolle: Nicht nur als bloßes Gegengewicht zum männlichen Helden charakterisiert, ist jede von ihnen glaubwürdig geschrieben und verfolgt ein ganz eigenes, persönliches Ziel. Der mitreißende Soundtrack schließlich treibt die Zuschauer fast ohne Verschnaufpause durch ein zweistündiges Spektakel, das nur wenige, dafür aber sehr intensive Ruhepausen nimmt. Timing ist alles! All das ist Mad Max: Fury Road.

Warum wird Mad Max ein 0815-Actionspiel?

Um den aufgeregten 120% der Kommentare unter diesem Artikel vorzubeugen:

Ja, ich weiß: Das Spiel erscheint im September.

Ja, ich weiß: Es ist noch lange hin bis September.

Allerdings hatten die Kollegen von GameInformer Anfang Mai bereits die Gelegenheit, das Team von Avalanche Studios direkt in ihren Werkstätten zu besuchen und kamen mit einem mehrseitigen Special  zurück, das extrem tief in die Entwicklungsarbeiten blicken lässt. Ich habe mich durch die insgesamt 21 Seiten und Videos gearbeitet und kann meinen Eindruck von Mad Max in etwa so zusammenfassen: Ein Open-World-Actionspiel mit sehr viel Sammelkram. Ein neues Far Cry in postapokalyptischen Wüstenlandschaften. Nicht mehr, nicht weniger. Die Erklärung für diese bittere Einsicht liegt auf der Hand: Nichts, was den Film inhaltlich und technisch so großartig gemacht hat, scheint das Spiel wiedergeben zu können – oder zu wollen.

Der wohl größte Unterschied, der in diesem ausführlichen Gameplay-Trailer ersichtlich wird, ist die unübersehbare Unterrepräsentation von Frauen im Spiel. Auch die Kollegen von GameInformer schreiben in ihrem Artikel, dass sie während ihrer mehrstündigen Session nur ein einziges Mal auf eine Frau trafen, die als Gefangene Max um Hilfe bitten musste.

Meh.

Die Tatsache, dass Max Max so großzügig über die Existenz von Frauen jenseits hübschen Dekors oder verzweifelter Questgeber hinwegzusehen scheint, ist nicht nur langweilig und unzeitgemäß, sondern nimmt dem Spiel bereits im Vorfeld unheimlich viel Potential für spannende Charaktere, wie wir sie auch schon im Film erleben durften.

Auf interessante, weibliche Figuren scheint das Spiel offensichtlich zu verzichten.


Apropos Charaktere: Held des Spiels wird der namensgebende Max sein, der im jüngsten Teil der Kino-Reihe wortkarg und verschlossen gegen die ständige Wiederkehr seiner Visionen kämpft. Max sieht sich ständig am Abgrund zum Wahnsinn stehen und ringt mit sich, diesem nicht völlig zu verfallen und damit nicht besser als der Rest seiner trostlosen Welt zu werden.

Diese sehr reflektierte und spannende Gratwanderung zwischen Normalität und Wahnsinn, quasi DAS Motiv von Mad Max, wird auch im Spiel aufgegriffen, allerdings so platt wie nur irgendwie denkbar.

Der Wahnsinn und seine Suche nach dem inneren Frieden spiegeln sich auch im Gameplay wieder. Seine psychische Instabilität manifestiert sich im Wut-Modus, ein automatischer Modus, der aktiviert wird, wenn Max ausreichend Schaden innerhalb kürzester Zeit verursacht hat. Diesen Wahnsinn kann Max außerdem in sich speichern und bei einem der herumwandernden Priester in der Wüste einsetzen, um seine Fähigkeiten zu verbessern.

Mit dieser Gameplay-Entscheidung pfeift Avalanche Studios offensichtlich auf die Möglichkeit, einen glaubwürdigen und spannenden Charakter zu erschaffen, der sich mit seinen größten Konflikten auseinandersetzen muss. Stattdessen wird Max als 0815-Actionheld stilisiert, der möglichst viele Köpfe möglichst fehlerfrei innerhalb kürzester Zeit einschlagen muss, um total wütend und sauer und noch krasser zu werden.

Videospiele, ich will euch weinen sehen!

Ich schrieb bereits in der Vergangenheit darüber,  wie bereichernd der Versuch von Entwicklern wäre, ihren Protagonisten mehr Gefühle als nur auffüllbare Energieleisten zuzutrauen, daher senke ich an dieser Stelle einfach nur enttäuscht den Kopf angesichts dieser riesigen, verpassten Chance. Der "widerspenstige Krieger", wie Max von der offiziellen Website des Spiels vorgestellt wird, ist nicht der Held, den ich mir für dieses Abenteuer erhofft habe.

Wenn wir den Anspruch an interessante Charaktere notgedrungen von unserer Wunschliste gestrichen haben, bleibt der riesige Anteil des reinen Gameplays zurück. Selbstverständlich kann eine von Denkprozessen befreite Ballerei Spaß machen, bei der der Protagonist nur wenig mehr als ein wandelnder Waffenschrank ist – und Mad Max scheint hier vielversprechende Ideen vorzulegen: Ihr dürft über das komplette Spiel hinweg an eurem eigenen Vehikel, dem Magnum Opus, herumschrauben und es mit in der Welt aufgesammelten Einzelteilen weiter verbessern.

Im Spiel wird Max regelmäßig in Nahkämpfen verwickelt sein.


Klingt motivierend und auch die Kämpfe mit den riesigen Auto-Konvois im Trailer sehen spaßig aus. Von Zeit zu Zeit wird Max allerdings das Vehikel verlassen und unter verschiedenen Vorwänden immer wieder Außenposten erobern müssen, die dann anschließend einen ständigen Nachschub an neuen Bauteilen und Benzin liefern. Far Cry, anyone?

Aber Scherz beiseite, als ich das gelesen habe, fühlte ich mich tatsächlich direkt an Far Cry 4  erinnert, in dem ich ebenfalls Jagd auf Außenposten machen musste und mich ab einem bestimmten Punkt im Spiel nicht mehr wie ein Gejagter fühlte, sondern wie ein Inselkönig, der mehrere Ortschaften in seine Gewalt gebracht hat.

Mit einem Batman-Kampfsystem und KI-Warboys, die trotz zahlenmäßiger Überlegenheit warten, bis Max sein aktuelles Duell beendet hat, drohen die Gameplay-Elemente außerhalb der Fahrerkabine in die Sphären bedeutungloser Langeweile abzudriften. Mad Max scheint ein Standard-Actiongewitter zu werden, was insbesondere angesichts der Steilvorlage des Kult-Franchises eine riesige Enttäuschung ist.

Die Welt von Mad Max ist voller spannender Geschichte, die vom Spiel übersehen werden.


Absoluter Höhepunkt des Spiels werden sicherlich die Kämpfe in, auf und an den Fahrzeugen sein, die von euch auf verschiedene Art und Weise ausgerüstet, verbessert und angepasst werden können. Außerdem sollen verschiedene Gagdets und Extra die Kämpfe der Stahlkolosse alles andere als langweilig werden lassen – ein Schicksal, das den gesamten Rest des Spiels ereilen könnte: Ein jedes Spielklischee umarmender Actionheld prügelt sich durch Gegnerhorden, um Außenposten einzunehmen und die ein oder andere Fraue aus ihrer misslichen Lage zu helfen.

Ab und zu wird er dabei so wütend, dass er noch brutaler zuschlägt und anschließend irgendwo in der Wüste bei einem Priester neue Nahkampftechniken erlernt, während er seinen Wahnsinn und seine Verzweiflung in die Leere hinausschreit. Zumindest damit wirst du dann nicht alleine sein, Max.

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