Bei den ersten Filmen, mit denen ich Oliver Stone in Verbindung bringe, ist der New Yorker Filmemacher gar nicht der Regisseur. Er hat jeweils das Drehbuch geschrieben und sorgte damit für Furore. Für 12 Uhr nachts – Midnight Express (1978) erhielt er seinen ersten Oscar: Der Film listet beklemmend die Haft eines Amerikaners in einem türkischen Gefängnis auf. Gewalt und Moral sind hier bereits zwei Eckpunkte, die immer wieder in den Filmen des Oliver Stone eine Rolle spielen werden. Scarface (1983) ist vielleicht eines der wenigen Remakes der Filmgeschichte, welches das Original grandios übertrumpft. Bei beiden Drehbüchern für andere Regisseure beweist Autor Oliver Stone, dass er gekonnt Geschichten erzählen kann: düster, kraftvoll, scharfsinnig, besessen, politisch. Aber an ihm scheiden sich auch die Geister: So werden ihm Rassismus, Gewaltverherrlichung und Glorifizierung vorgeworfen. Still war es in der langen Karriere des Oliver Stone jedenfalls nie.
Schon mit seinem Vater, einem New Yorker Börsenmakler mit konservativen Werten, streitet er um politische Positionen. Er will früh raus aus der Upperclass und seiner sicheren, gutbürgerlichen Umgebung. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium meldet er sich 1965 freiwillig zur Army und geht zwei Jahre später nach Vietnam. Die Zeit wird prägend für den jungen Mann, der mit einer gehörigen Portion Patriotismus nach Südostasien geht, mehrfach verwundet hat er Barbarisches im Krieg erlebt, so dass er illusionslos in die Heimat zurückkehrt. Fast wäre er dem Drogenrausch nach dem Krieg erlegen, aber Oliver Stone setzt seinen zornigen Frust in Kreativität um, beginnt ein Filmstudium und lernt so einiges von Martin Scorsese. Mit Filmen wie Platoon (1986), Geboren am 4. Juli (1989) oder Zwischen Himmel und Hölle (1993) verarbeitet er seine traumatischen Vietnam-Eindrücke und hält seinem Heimatland den Spiegel vors Gesicht. Wer die Filme des Oliver Stone gegen Werke wie Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel oder Rambo II – Der Auftrag (1985) liest, der erkennt, wie provozierend seine Werke für eine patriotische Nation und die dortige Idealisierung des Militärs sein müssen.
Folglich hat der Filmemacher immer Schwierigkeiten, seine Filme zu finanzieren. Überbordende Brutalität (Scarface), individuelle und gesellschaftliche Kriegstraumata (Platoon), amerikanische Interventionspolitik (Salvador) oder kapitalistische Gier (Wall Street), korruptes Machtstreben (JFK – Tatort Dallas) oder Kritik an den Medien (Natural Born Killers) sind die großen Themen seiner Filme, bei denen sich der Regisseur immer auch als Aufklärer versteht. Nach JFK wird er Konspirationstheoretiker der Nation genannt, er präsentiert sich als moralisches Gewissen Amerikas und gibt so manche politische Lehrstunde in seinen Filmen ab. Durch ihn erleben wir ein Amerika, in dem einiges im Argen liegt und welches auch ein zuckersüßes Happy End nicht retten kann.
Aber wie es so ist im Alter: Nach und nach wird es leiser um Oliver Stone. Zwar wird er von konservativen Kritikern für seine dokumentarischen Arbeiten über die kommunistischen Führer Fidel Castro (Comandante) und Hugo Chavez (South of the Border) als größter Staatsfeind Nr. 1 gebrandmarkt, aber mit seinem patriotischen Werk World Trade Center, der von Feuerwehrmännern am 11. September 2001 erzählt, erkennt ihn so mancher nicht mehr wieder. Auch von W – Ein missverstandenes Leben, einem Biopic über den republikanischen Ex-Präsidenten George W. Bush, haben sich viele mehr erhofft vom einstigen Querulanten Hollywoods. Wall Street 2: Geld schläft nicht scheint da fast ein Alterswerk zu sein, in dem die kritische Brisanz zur Zeit der Finanzkrise dem Kompromiss der Familienzusammenführung Platz macht.
Nichtsdestotrotz bleibt Oliver Stone mit seinen Filmen einer der wichtigsten politischen Filmemacher der USA. Vielleicht wird er ja noch einmal richtig ausholen und ein Comeback feiern. Wir wünschen es ihm zu 65. Geburtstag.