Shutter Island macht schlaflos

16.02.2010 - 14:00 Uhr
Mark Ruffalo und Leonardo DiCaprio in Shutter Island.
Concorde
Mark Ruffalo und Leonardo DiCaprio in Shutter Island.
Mareike will unbedingt eine Eintrittkarte für die Weltpremiere von Shutter Island. Eine Reportage über einen Berlinale-Fan, der eine Nacht vor dem Ticketschalter verbringt.

Grelle Lichter scheinen direkt in die Augen von Mareike. Im Schneidersitz thront die 42-Jährige grinsend auf dem roten Teppich. Es ist 19 Uhr und in dem Einkaufszentrum Potsdamer Platz Arkaden herrscht reges Treiben. Immer wieder lächelt sie Passanten an, die sie im Vorbeigehen kritisch beäugen. Neben ihr liegt ein Schlafsack, vor ihr steht eine offene Schüssel mit Broten. Der Grund für ihre seltsame Ausrüstung ist, dass Mareike um jeden Preis Karten für die Weltpremiere von Shutter Island ergattern will. Die Berlinale-Ticketschalter öffnen am nächsten Tag um 10 Uhr morgens.

Die 60. Filmfestspiele in Deutschlands Hauptstadt begeistern bereits seit letzter Woche viele Film-Fans. An zehn Tagen zeigen die Veranstalter fast 400 Filme. Preise entgegen nehmen, für ihre Filme werben oder sich im Blitzlichtgewitter sonnen – dafür reisen Hollywood-Größen in das eisige Berlin. Die Weltpremiere von Shutter Island ist eines der Highlights der Filmfestspiele. Mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle erzählt der Mystery-Thriller die Geschichte des U.S. Marshal Teddy Daniels. Um eine flüchtige Mörderin namens Rachel Solando zu finden, reist er zum Ashecliff Hospital auf dem abgelegenen Shutter Island.

Mareike weiß das alles. Seit zehn Jahren ist die gebürtige Frankfurterin Stammgast der Berlinale. „Ich liebe dieses Flair, den Roten Teppich und den Ausnahmezustand“, sagt die Werbetexterin. Während die Geschäfte schließen bewegen sich die Passanten in Richtung Ausgang. Viele Berlinale-Fans hingegen kommen erst jetzt. Auf dem provisorischen Schlafplatz vor den Verkaufsständen haben inzwischen fast 30 Film-Fans Platz gefunden. „Wir sind so etwas wie eine große Familie. Man kennt sich, freut sich und übernachtet vor allem wegen der Atmosphäre hier“, platzt es strahlend aus ihr heraus. Nötig ist das inzwischen nicht mehr. Über den Internet-Bestelldienst können Film-Freaks Karten zu allen Vorstellungen reservieren. “Das werde ich niemals machen”, entgegnet Mareike energisch. Für sie geht es um das gesamte Ereignis Berlinale. Nicht bloß den Film zu schauen, ist für sie ein Highlight, sondern auch die Nacht mit ihren Berlinale-Freunden vor dem Ticket-Schalter zu verbringen.

Noch acht Stunden bis die Stände öffnen. Einige Berlinale-Fans versuchen zu schlafen, aber die meisten erzählen Geschichten: Ein Berlinale-Fan hat Denzel Washington die Hand geschüttelt, ein anderer einen Cafe mit Uma Thurman getrunken. Mareike lauscht staunend. Warum macht sie das alles? „Wir können mit den Stars über den Roten Teppich laufen. Du kannst mit ihnen über den Film sowie über ihre Karriere quatschen. Außerdem fühlst du dich für einen kurzen Moment wie ein Star“, berichtet sie immer noch hellwach. Aufgedreht läuft Mareike zwischen ihren „Berlinale-Freunden“ herum. „Sie ist vielleicht der größe Berlinale-Fan, den ich kenne“, sagt ein Bekannter, der bereits seit 35 Jahren dabei ist.

Eine laute Diskussion reißt Mareike aus ihrem Halbschlaf. Inzwischen ist es sieben Uhr morgens. Das Einkaufszentrum ist prall gefüllt: Menschen laufen wild durcheinander, um einen aussichtsreichen Platz zu bekommen. Mareike muss trotz allem Einsatz, um ihren Platz kämpfen. Viel Gedrängel und zerrissene Nerven später verlässt der Berlinale-Fan die Potsdamer Platz Arkaden. “Endlich habe ich die Eintrittskarten für Shutter Island”, sagt sie enthusiastisch. Vorbei an Arbeitern, die gerade die Berlinale-Bühne aufbauen, geht sie in Richtung ihres Autos. Sie schaut sich mit leeren Blick um. In drei Tagen werden Leonardo DiCaprio, Ben Kingsley und Martin Scorsese an ihr vorbeigehen. Für einen Augenblick ist sie ihnen wieder ganz nahe und die lange Wartezeit ist vergessen. Mareike wird sicher auch im nächsten Jahr wieder eine schlaflose Berlinale-Nacht verbringen.

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