Tatort - Eine Hochzeitsnacht als Albtraum

16.09.2012 - 22:29 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Denis Moschitto in Tatort - Hochzeitsnacht
Radio Bremen
Denis Moschitto in Tatort - Hochzeitsnacht
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Lürsen und Stedefreund sind im neuen Bremer Tatort mitten drin im Geschehen. Denn glücklicherweise wird die geschmacklose Hochzeitsfeier auf dem Lande durch einen Raubüberfall aufgelockert.

Die Tatorte aus Bremen sind alles andere als Qualitätgaranten. Sie haben es allerdings schwer, müssen sie doch mit ihrem jährlichen Auftritt ordentlich Eindruck stiften, damit wir 365 Tage später noch wissen, wer da im Norden eigentlich ermittelt. In Tatort: Hochzeitsnacht übertreiben es die Macher vielleicht gerade deswegen gewaltig. Der neue Tatort strotzt vor dummen Entscheidungen, fehlplatziertem Comic Relief und Ferris M.C., äh, Ferris Hilton, äh, Sascha Reimann. Das Prädikat leider geil hat dieser Sonntagskrimi nicht verdient.

Lokalkolorit: Nebelschwaden und imaginäres Wolfsgeheul umgeben die Feierlichkeiten, die Stedefreund (Oliver Mommsen) und Lürsen (Sabine Postel) durchleiden müssen. So klischeehaft wie außen geht es innen ab. Schlechte Witze und geschmacklose Hemden haben glücklicherweise nur fünf Minuten Zeit, um ihren Terror zu verbreiten. Die überaus authentische Hochzeitsfeier wird dann durch den Überfall unterbrochen. Weil der Tatort kein Vertrauen in sein Sujet (oder seine Zuschauer) hegt, darf Stedefreund trotzdem durch den Matsch der Pampa irren. Ihr habt immer noch keinen Urlaub im Bremer Umland gebucht? Aber hurtig, hurtig!

Mehr: Tatort – Borowski und der stille Gast

Plot: Wer die unglaublich bescheuerte Idee hat, eine Hochzeitsgesellschaft zu zweit (!) in eine Geiselnahme zu verwandeln, um seine eigene Unschuld zu beweisen, hat neun Jahre im Gefängnis im Grunde verdient. Denis Moschitto, sympathischer Emo-Gangster von nebenan, spielt (nicht lachen!) Wolf. Der Bad Boy des Dorfes will den Mord an seiner umtriebigen Carola aufklären, die wir zu Anfang poetisch, aber sehr tot auf Herbstlaub gebettet sahen. Sein eher materialistischer Partner Simon (wahnsinnig bedrohlich: Herr M.C.) weiß nichts von dem Plan, weswegen sich viel Geschrei anschließt. Das fällt nicht weiter auf, da in diesem Tatort alle ohne Unterlass krakeelen, sogar der hosenlose, Gassi gehende Stedefreund: “Das kann doch alles nicht wahr sein!”. Doch.

Unterhaltung: Wer sich an Kommissaren erfreut, die des nachts einem Hund hinterherlaufen, dabei ihre Hose verlieren und alte Damen mit Schrotflinten kennenlernen, der kommt in Tatort – Hochzeitsnacht voll auf seine Kosten. Dass die Spannung durch die ständige Auflockerung des Geschehens erst auf der Strecke bleibt, um dann durch ungläubiges Staunen über die hirnlosen Aktionen der Beteiligten ersetzt zu werden, war (hoffentlich) nicht Absicht der Macher. Am Ende unterhält der Tatort aus Bremen höchstens mit seinen Defiziten und das hat selbst Inga Lürsen zu ihrem Jubiläum nicht verdient.

Tiefgang: ‘Viel Lärm um nichts’, lautet das Motto in Tatort – Hochzeitsnacht. Dass Dörfer dunkle Geheimnisse verbergen, wissen wir nicht erst dank Michael Haneke. Abseits der Whodunnit-Wendungen, die selbst Agatha Christie ein Gähnen entlockt hätten, kratzt der Tatort nämlich nur an der Oberfläche. Bestechung und Drogeneskapaden herrschten in der Gemeinschaft also vor. Und? Das Schöne an einem guten Kammerspiel ist, dass wir Lebensgeschichten allein durch Erzählungen kennenlernen. Das Enttäuschende an einem halbgaren Kammerspiel ist, dass uns diese Geschichten keinen Deut interessieren. Von dem singenden Stotterer und dem schießwütigen Cop Biebermann fange ich gar nicht erst an…

Mord des Sonntags: Stedefreunds Hose fließt auf dem Bach davon und mit ihr jede Chance, dass wir einen guten Tatort zu sehen bekommen.

Zitat des Sonntags: “Scheiße, da ist ja meine Torte, wir haben die Torte noch gar nicht angeschnitten!” (Die Braut)

Bremen hat sich in diesem Tatort nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Seht ihr das auch so?

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