Das Schweigen der Lämmer bei einem Taylor-Swift-Konzert: So pitchte Regisseur M. Night Shyamalan seinen neuen Thriller Trap: No Way Out vor zwei Jahren. Die Prämisse ist genauso einfach wie genial: Ein Serienkiller befindet sich auf einem Konzert mit seiner Tochter und wiegt sich in der Sicherheit der Masse. Doch dann findet er heraus, dass das gesamte Gebäude von der Polizei umstellt ist. Der Jäger wird zum Gejagten.
Obwohl von Anfang an klar ist, dass der Protagonist kein guter Mensch ist, lädt uns der Film dazu ein, mit dem Killer bei seinen Fluchtversuchen mitzufiebern. Doch wen besetzt man für so eine Rolle? In Josh Hartnett hat Shyamalan eine unerwartete wie brillante Besetzung gefunden. Erst letztes Jahr entpuppte er sich in Oppenheimer als Szenendieb. Anlässlich des Kinostarts von Trap haben wir ihn zum Interview getroffen.
Hier könnt ihr den Trailer zu Trap schauen:
Moviepilot: Beim Guardian ist kürzlich ein Profil über dich erschienen, in dem von der Joshonaissance die Rede ist. Wie fühlst du dich damit?
Josh Hartnett: Im Grunde verläuft meine Karriere schon eine Weile so. Aus irgendeinem Grund sind die Leute aber jetzt erst daran interessiert. Ich habe vor Jahren für mich entschieden, dass ich nur noch mit Regisseuren drehen will, die ich wirklich interessant finde. Ich will Filme machen, die anders sind, und Figuren spielen, die sich voneinander unterschieden, um das Publikum zu überraschen. Dank Oppenheimer und ein paar Guy Ritchie-Filmen nehmen mich nun wieder mehr Menschen im Kino wahr. Das ist definitiv schmeichelhaft und freut mich sehr.
Ich fand Cash Truck so gut. Fast wie ein moderner Heat.
Danke!
Welche Regisseure stehen noch auf deiner Bucket List?
Da gibt es einige Namen, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde. Bei der Awards-Tour von Oppenheimer habe ich Luca Guadagnino und
Yorgos Lanthimos
getroffen, deren Schaffen ich sehr beeindruckend finde. Ich wollte auch schon immer mal etwas mit Wes Anderson drehen. Und David Fincher! Der war vor langer Zeit bei einem Film an Bord, in dem ich mitgespielt habe. Schlussendlich hat es aber nicht geklappt.
Welcher Film war das?
Das war damals bei Black Dahlia. David Fincher war ursprünglich als Regisseur des Films vorgesehen. Letztendlich hat er sich aber dazu entschieden, etwas anderes zu drehen. Daraufhin ist Brian De Palma als Ersatzregisseur dazugekommen. Ich hätte liebend gerne mit Fincher bei dem Film zusammengearbeitet, aber es sollte nicht so sein. Vielleicht kann ich das irgendwann nachholen.
Ich hoffe, da findet sich eine Möglichkeit. Bevor wir zu Trap kommen, noch eine andere wichtige Frage: Was war das letzte Konzert, auf dem du warst?
Taylor Swift, The Eras Tour. Meine Kinder sind komplett besessen von ihr. Also bin ich mit ihnen zu einem der Konzerte im Wembley-Stadion gegangen.
Wie cool! Ich bin sehr fasziniert davon, wie sie es schafft, diese Konzerte für so viele Menschen in einen Safe Space zu verwandeln. Jetzt kommt Trap und lädt den Konzertraum mit jeder Menge Suspense auf.
Genau das wollten wir schaffen. Wir wollten diese zwei komplett verschiedenen Dinge gegenüberstellen. Auf der einen Seite ist da diese extrem düstere Figur, auf der anderen Seite die fröhliche Konzertatmosphäre. Das Spannende ist: Zuerst wirkt Cooper normal, psychologisch intakt. Der Serienkiller ist tief in ihm versteckt. Wir lernen ihn als coolen Dad kennen, der erst nach und nach seinen wahren Kern enthüllt. Diese Risse in der Figur aufzudecken, hat mir als Schauspieler sehr viel Spaß gemacht. Es ist aber eine Menge Arbeit nötig, um all diese Ebenen im Spiel zu finden.
Wie hast du das geschafft? Gab es etwas Bestimmtes, das dir bei der Vorbereitung auf die Rolle geholfen hat?
Nun ja, man kann einen Serienkiller nicht einfach so treffen und ihn fragen, wie er bei seinem Handwerk vorgeht. Also habe ich viele Bücher über Serienkiller und Psychologie gelesen. Besonders fasziniert hat mich, wie diese Leute eine Ebene der Fiktion über ihrer Persönlichkeit und ihrem Leben errichten, die sich stabil anfühlt. Sehr schnell bricht aber alles in sich zusammen, sobald eine Sache aus dem Gleichgewicht gerät.
Welche Einblicke in den Kopf eines Serienkillers waren für dich ansonsten hilfreich, um Cooper zum Leben zu erwecken?
Ich habe herausgefunden, dass Serienkiller im Grunde wie Schauspieler sind und dass sie irgendwie auch geschnappt werden wollen. Es ist ein Dilemma: Sie wollen unbedingt das durchziehen, was sie machen. Sie wollen, dass man sie für intelligent hält, und stellen sich über das Gesetz. Gleichzeitig wollen sie ihre Geschichte erzählen und sind frustriert, dass sie das nicht tun können. Ein ständiger Konflikt mit dem eigenen Narzissmus. Diese beiden Seiten wollte ich in Cooper bündeln. Allerdings nicht nur in Form einer abgründigen Charakterstudie. Der Film sollte vor allem unterhaltsam sein und Spaß machen.
Ich habe sehr viel gekichert, vielleicht sogar zu viel.
Nein, nein, genau so soll es sein.
Der Film wartet mit einigen Wendungen auf. Hattest du beim Lesen des Drehbuchs jemals das Gefühl, dass dieser eine Twist zu viel des Guten sein könnte?
Es war eine große Herausforderung, das alles überzeugend umzusetzen. Mir war von Anfang an klar: Wenn wir das durchziehen wollen, müssen wir auf eine Menge Humor zurückgreifen. Wie kriegt man das Publikum auf die Seite eines Serienkillers? Humor war unsere Geheimwaffe. Wir sagen dir direkt am Anfang: "Das hier ist ein böser Mensch." Und dann schlägt man sich trotzdem auf seine Seite.
Ich war auch überrascht, wie sehr ich am Anfang mit ihm mitgefiebert habe.
Das ist der Trick. Cooper findet sich unerwartet in einer unangenehmen Situation wieder, aus der er nicht entkommen kann – und das ist eine Erfahrung, die jeder Mensch schon mal gemacht hat. Ja, er ist böse, aber plötzlich wird er menschlich. Das war von Anfang an die Grundidee des Films. Und das liebe ich an [M.] Night [Shyamalan] auch so sehr. Er ist einer der besten Regisseure unserer Zeit, die Filme mit originären Ideen drehen. Es ist schön, zu wissen, dass es noch Geschichten gibt, die überraschen können und uns Figuren vorstellen, die wir so noch nie gesehen haben.
Ich kann mir sogar vorstellen, dass Cooper zu einer neuen ikonischen Filmfigur wird. Allein dieses Serienkiller-Lachen, das du am Ende aufsetzt.
Cooper erlebt in dem Film eine wirklich bizarre Reise. Wie findet ein Monster zumindest für sich ein bisschen Menschlichkeit? Wie reagiert er, wenn er die Fassade komplett fallen lassen kann? Wenn er da lacht, ist er am freiesten.
Während dem Schauen musste ich vor allem an zwei Filme denken. Psycho von Alfred Hitchcock und Shining von Stanley Kubrick. Waren das Einflüsse, über die ihr beim Dreh gesprochen habt?
Night hatte definitiv ein paar Filme, zu denen er immer wieder zurückgekehrt ist. Ich weiß nicht mehr, ob die dabei waren, die du gerade genannt hast. Als wir uns am Anfang über den Film unterhalten haben, erwähnte er auf alle Fälle Der Fremde im Zug von Hitchcock. Ich kann aber sehr gut nachvollziehen, wie du auf die anderen Filme kommst.
Der Aspekt, der mich am meisten an Trap fasziniert, ist die Verortung bei einem Konzert in einer Arena mit 20.000 Sitzplätzen. Wie habt ihr das gedreht?
Bei der Eras Tour habe ich das gemerkt, wie viel Aufwand in einem Konzert steckt. Das ist ein Großprojekt für sich allein und erfordert unfassbar viel Planung. Auch bei uns musste alles bis ins kleinste Detail vorbereitet werden, bevor wir mit den Dreharbeiten anfangen konnten. Saleka [Shyamalan] hatte 14 neue Songs für den Film geschrieben. Das macht man nicht einfach so. Dazu musste eine ganze Show mit Choreografie auf die Beine gestellt werden. Tanzproben, Lichteinstellungen – wir hatten sogar eine echte Konzert-Crew am Set, die sich um die Technik gekümmert hat. Also zum Beispiel die ganzen Bilder auf den Leinwänden auf der Bühne, die während einem Konzert gefilmt werden. Deren Kameras liefen sozusagen gleichzeitig mit unseren.
Habt ihr die Musik dann auch live gespielt?
Ja, das war alles live und vor Publikum. Wir wollten, dass die Statisten das Gefühl bekommen, auf einem richtigen Konzert zu sein. Sie konnten sich vorab mit den Songs vertraut machen, damit ihre Reaktionen beim Konzert authentisch sind. Das war sehr aufregend. Nicht zuletzt habe ich kaum Erfahrung mit Popkonzerten und fühlte mich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Hier bin ich, ein – damals – 45 Jahre alter Mann, und habe keine Ahnung, was vor sich geht. Die Musik war aber großartig.
Ein anderer wichtiger Teil des Films ist die Beziehung zwischen Cooper und seiner Tochter Riley, die von Ariel Donoghue gespielt wird. Wie funktioniert der Dreh mit einer Kinderdarstellerin bei so einem Film?
Ariel kam für die Dreharbeiten mit ihrer Familie aus Australien nach Kanada. Sie war gerade einmal 13 Jahre alt. Also haben wir versucht, den Dreh so angenehm wie möglich zu gestalten. Meine Familie ist für ein paar Wochen gekommen. Wir waren im Zoo, haben gemeinsam gegessen und viel Zeit miteinander verbracht. Mir war es wichtig, dass sie sich am Set wohlfühlt, wovon am Ende auch die Vater-Tochter-Beziehung im Film profitiert. Ich habe den größten Respekt vor ihr, denn Kinderdarsteller machen einen doppelten Job. Sie dürfen zwar nur eine bestimmte Anzahl an Stunden arbeiten, müssen aber zusätzlich zur Schule gehen. Das kostet viel Kraft und Energie. Ariel ist eine unglaublich talentierte und professionelle Schauspielerin.
Trap läuft seit dem 1. August 2024 in den deutschen Kinos.