Am aufregendsten war das MCU, als es jung und zerbrechlich war

19.04.2018 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Iron ManWalt Disney Pictures / Marvel Studios
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Während sich die 3. Phase des Marvel Cinematic Universe mit Avengers 3: Infinity War dem Ende neigt, blicken wir zurück auf die Anfänge des Franchises, das mittlerweile Hollywood dominiert. Wie war das MCU, als es noch jung und zerbrechlich war?

Ausgerechnet in Kunar, einer Provinz Afghanistans, liegt der Grundstein des Marvel Cinematic Universe verborgen. Lange bevor New York City in Trümmer gelegt wurde, bevor die Götter auf die Erde kamen und James Gunn die Kraft von populärer Musik entdeckte, um eine Gruppe Außerirdischer mit einem verlorenen Menschen zusammenzuführen, waren es die unverkennbaren Töne von AC/DC, die den trockenen Wüstenboden zum Beben brachten, förmlich erschütterten. Neugierige Stille herrschte zuvor, ehe Robert Downey Jr. zum ersten Mal als Tony Stark den Mund öffnete und mit charmanter Arroganz das größte Franchise unserer Zeit begründete. Dabei war es 2008 - unmittelbar vor dem Kinostart von Christopher Nolans The Dark Knight - alles andere als gewiss, dass sich das Risiko von Marvel lohnen würde und zehn Jahre später mit Avengers 3: Infinity War den 19. MCU-Film mit ungefähr allen Hollywood-Stars in der Hauptrolle sehen würden.

Iron Man, der es mit der Welt aufnimmt

Rückblickend mag es ein bisschen merkwürdig klingen, dass dieser Erfolg nicht selbstverständlich war, wo unterdessen selbst ein Solo-Film wie Black Panther mühelos die goldene Milliarden-Grenze am weltweiten Box Office passiert, während das Interesse im eigenen Entstehungslands, den USA, genauso groß ist wie beim internationalen Vertrieb. Als sich Marvel in Form der Marvel Studios jedoch erstmals als eigene Filmproduktionsgesellschaft wahrgenommen hat, anstelle bloß als Lizenzgeber (mit bis zu diesem Zeitpunkt überaus nachteiligen Verträge aus den 1990er Jahre) zu fungieren, war die Neugier groß. Das Wagnis von Iron Man drückt sich in vielerlei Hinsicht aus, nicht nur in den 140 Millionen Dollar Budget, die der ersten Leinwand-Adaption eines Eisenmannes zukommen sollte, der in puncto Popularität keineswegs mit den damals dominierenden Größen der Gattung (Spider-Man, Batman, X-Men) mithalten konnte.

Iron Man

Ob Robert Downey Jr., der sich in den Jahren zuvor mühsam sein Karriere-Comeback erarbeitet hat, ein ganzes Franchise stemmen könnte, war ebenso unklar wie die Frage, ob Der unglaubliche Hulk wirklich als zweiter Grundpfeiler taugen würde, nachdem bereits Ang Lees Verfilmung des grünen Wutmonsters ungeachtet der künstlerischen Ambition nicht einmal das doppelte seiner Produktionskosten einspielt hatte. Im Abstand von gerade einmal zwei Monaten eroberten beide Filme die Kinos, als sollte der zweite den Schwung und die Frische (!) des ersten mitnehmen. Die Rezeption hätte allerdings kaum unterschiedlicher ausfallen können. Während sich der von Jon Favreau inszenierte Iron Man als unfassbarer Glücksfall entpuppte und sämtliche Erwartungen durchbrach, ließ Louis Leterrier mit seiner Hulk-Version sehr früh erahnen, wie ein Scheitern des MCU hätte aussehen können, bevor das MCU überhaupt ein verwendeter Begriff war.

Marvels langer Atem zum Erfolg

Tatsächlich wurde Der unglaubliche Hulk nachträglich fast komplett aus der Geschichte des Franchise ausradiert. Die unbefriedigende Umsetzung des Titelhelden wurde schnell als Problem erkannt, das Verbesserung bedarf, ebenfalls der Einfluss eines dominanten Edward Norton, der sich als Persönlichkeit über die Produktion stellt - ein Eigensinn, der im MCU trotz großer Namen nie gewünscht war. Aber gerade deswegen ist die erste Phase so aufregend, weil trotz aller Zukunftsplanungen bei der Erstellung des Grundgerüsts noch vieles ausprobiert wurde und weit vom Einklang der aktuellen Filme entfernt war. Was funktioniert, wird bestellt und verlängert, was scheitert, wird abgesetzt. Iron Man 2 knüpfte an den Erfolg des Vorgängers an, während der Hulk einer weiteren Überarbeitung inklusive Neuausrichtung unterzogen wurde, ehe er in Marvel's The Avengers als Teamspieler ungeahntes Potential entfaltete. Marvels langer Atem darf hier nicht vergessen werden.

Captain America

Sowohl Thor als auch Captain America - The First Avenger wirken im Hinblick auf die heutigen Einspielergebnisse geradezu mager. Während Marvel aber erkannte, dass eine konsequente Entscheidung beim Hulk notwendig war, hat sich die Ausdauer im Fall seiner Kollegen gelohnt, sodass Robert Downey Jr. zwar weiterhin der größte Star des MCU sein mag, das Gewicht des Franchises inzwischen aber ebenso auf den Schultern von Chris Hemsworth und Chris Evans lastet. Neben den großartigen Casting-Entscheidungen, die gar nicht oft genug betont werden können und einen gar nicht allzu kleinen Anteil an der Langlebigkeit des MCU haben, ist es vor allem eben jene Ausdauer, die Marvel gegenüber der Konkurrenz überlegen macht. Das DC-Universum leidet im Grunde seit Man of Steel an überstürzten Entscheidungen, die stets im Zeichen einer Aufholjagd stehen, ebenso vergleichbare Konzepte wie etwa das aus dem Boden gestampfte Dark Universe.

Avengers Assemble!

Wenn in Marvel's The Avengers die zuvor in ihren eigenen Filmen eingeführten Superhelden erstmals aufeinandertreffen, hat dieses atemberaubende Event auch sechs Jahre später nicht an Faszination verloren, was insbesondere daran liegt, dass sich der Film die Zusammenführung als zentrales Handlungselement herausgreift. Nachdem Iron Man 2 mit Black Widow und Nick Fury kryptischen Hinweise Richtung S.H.I.E.L.D. streute, Hawkeye plötzlich in Thor auftauchte und Captain America am Ende seines Abenteuers, das im Zweiten Weltkrieg begonnen hat, plötzlich am Times Square stand und die Welt nicht erkannte, sorgte Joss Whedon in einem bemerkenswert ausbalancierten Kraftakt für die Vollendung der Formel. Das Experiment war geglückt. Bis heute erreichte kein MCU-Film mehr ein dermaßen perfektes Gespür für die Dynamik der Figuren, ihrer Geschichten und das große Abenteuer, das sie gemeinsam erleben.

Thor

Zwar mögen die Querverweise in der zweiten und dritten Phase deutlich zugenommen haben, ebenso die miteinander verflochtenen Storylines. Nie wieder aber war das MCU dermaßen vielfältig und konzentriert bei der Sache, wie in seinen ersten sechs Filmen, die teilweise sogar noch von der Kraft kontrastreicher 35-mm-Aufnahmen zehrten, ehe der digitale Look des MCU zum Standard wurde, der selbst die epischsten Momente in visueller Gleichgültigkeit aneinanderreiht. Da provoziert Kenneth Branaghs furiose Inszenierung von Thor nicht nur aufgrund der schrägen Perspektiven für eine Erschütterung des Erdballs, sondern auch die geballte Überzeugungskraft der Bilder. Die neuen MCU-Filme mögen ihre eigenen Qualität und Vorzüge haben, die durchgeknallte Abwechslung, die in der ersten Phase zwischen einer shake­s­peareschen Götterdämmerung und einem Indiana Jones-Abenteuer im Zweiter Weltkrieg bleibt dennoch unerreicht.

Das Zerbrechliche, was in Aufregung versetzt

Das Gewicht der Rüstung, wenn sich Iron Man zum ersten Mal halsbrecherisch und aus der Not heraus in die Lüfte katapultiert, ließ nie einem dermaßen durchschlagenden Erfolg vermuten - erst recht nicht, nachdem Mark I wenige Sekunden später mitsamt seinem Pilot scheppernd in die Wüste krachte. Bei all den Dingen, die mal überraschend, mal weniger überraschend funktioniert haben, war der Start des MCU aber vor allem ein holpriger, der stets den Blick auf die unzähligen kleinen Zahnräder gewährte, die sich im Hintergrund drehten und die große MCU-Maschine zum Laufen brachten. Diese augenscheinliche Zerbrechlichkeit lässt den Einstieg in das größte Franchise unserer Zeit auch noch zehn Jahren später so wirken, als würden wir zum ersten Mal bezeugen, wie die einzelnen Bausteine zusammenkommen und einen prächtigen Koloss bilden, der aus der Superhelden-Landschaft herausragt.

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