American Gods - Unser Recap zu Staffel 1, Folge 4

23.05.2017 - 09:15 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
American Gods - Git GoneStarz
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In American Gods pausiert die Haupthandlung und erzählt stattdessen von der untot gewordenen Laura, die Angreifer mit einfachen Handgriffen buchstäblich explodieren lässt.

Wem American Gods in der Vorantreibung der Handlung bislang zu langsam war, für den wird Git Gone ein Schlag ins Gesicht sein: Bryan Fuller und Michael Green verabschieden sich für eine Stunde fast völlig von Neil Gaimans Vorlage und widmen Shadows (Ricky Whittle) mittlerweile untoter Ehefrau Laura (Emily Browning) ein eigenständiges Prequel, das man überflüssig finden kann. Schließlich ist das Buch auch gut ohne eine eigene Geschichte für sie ausgekommen. Für Gaiman war die Figur lediglich in ihrer Beziehung zu Shadow wichtig, Bryan Fuller und Michael Green machen aus ihr einen wichtigen Baustein in ihrem Porträt von Glaube, Tod und Liebe.

Laura hat ein Problem: Sie ist eigentlich schon tot. Und das lange bevor ihr durch einen Autounfall abrupt das Leben genommen wird. Schon zu Lebzeiten wird sie von Fliegen geplagt, als befinde sich ihr Körper mitten in der Verwesung. Was genau sie quält, weiß - wie so oft - niemand, aber ihr Leben zwischen repetitivem Casinojob und Einsamkeit ist vor allem von Ereignisarmut durchzogen, die sich so leicht nicht aus der Welt schaffen lässt. Nicht umsonst versucht sie sich mit Insektenspray umzubringen, jenes Werkzeug, das zur Beseitigung von nervigem oder gar schädlichen Existenzen erfunden wurde. Zu Ende bringen kann sie den Suizid jedoch nicht, dafür ist sie dann doch nicht Nihilistin genug: Sie mag vielleicht an nichts glauben, und vielleicht hält sie das Leben auch für sinnlos. Das heißt aber nicht, dass es es nicht wert ist, gelebt zu werden. Das heißt in ihrem Fall lediglich, dass man genauso gut alle Hoffnungen auf eine Karte setzen kann.

American Gods bedient hier glücklicherweise nicht die naive Phantasie der allesheilenden Liebe, ganz zum Schrecken von Shadow, der Lauras Unglücklichsein als persönlichen Angriff versteht und ihre Liebe ihm gegenüber in Frage stellt. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich später herausstellt, denn Laura braucht die Beziehung zu ihm genau so wie sie ein Haustier braucht. Sie ist eine wohltuende Ablenkung, aber sie kann in keiner Weise ihre tiefsten Wünsche und Bedürfnisse stillen. Im Grunde ist es wie mit jeder Beziehung: Sie machen das Leben erträglicher, können es aber niemals ändern. Dass dann ausgerechnet ein Heist die gewünschte Änderung bringen soll, mag sehr kurz gedacht sein, es ist aber eben auch in die einzig plausible Richtung gedacht. In keinem anderen Bereich in Lauras Leben bietet sich ein derart großer Spielraum für ein großes Ereignis an. Das mag dumm sein. Das mag auch naiv und überheblich sein. Es ist aber vor allem radikal und damit vor allem lebendig, also genau das, was Laura sein will, was sie selber erst nach ihrem Tod merkt.

Regisseur Craig Zobel stellt das Heist-Motiv dieser Episode clever auf den Kopf: Der obligatorische mit saucooler Musik unterlegte Zusammenschnitt von Casinoaufenthalten und Privatleben hat nichts mit der gängigen Lässigkeit von Kriminellen und ihrer Raubzugplanung zu tun. Laura ist schlichtweg die Queen of the Bored mit dem wundervollsten Leck-mich-Lächeln. Zobel bebildert das Stück von Brian Reitzell und Shirely Manson nur ironisch mit Slow Motion-Coolness. Hinter der Maskerade steckt nichts als Langeweile, sei es beim Job oder beim Sex. Stilistisch würde man so eine Sequenz während der Ausführung eines Heists erwarten, doch hier wird er als das Mittel zum Zweck inszeniert, das er ist. So darf auch beruhigt der Fehlschlag des Plans übersprungen werden. Es spielt keine Rolle, wie er schief gelaufen ist, wichtig ist nur, dass Laura jetzt zurück in ihre Tristesse muss, die sie bis zu ihrem Tod nicht mehr überwinden wird.

Dass sich nach ihrem Tod Anubis (Chris Obi) um sie kümmert, ist genauso absurd wie logisch. Bereits in Head Full of Snow wurde er als kaum beschäftigte Gottheit porträtiert, die sich an das klammern muss, was ihr vorgesetzt wird. In Git Gone deutet American Gods zwei Gründe für seine Präsenz an. Erstens arbeitet die an gar nichts glaubende Laura in einem ägyptisch eingerichteten Casino. Das könnte ein Argument für Anubis sein, der sich in der letzten Folge schon Mrs. Fadil gewidmet hat, nur weil sie sich an Geschichten über ihn aus ihrer Kindheit erinnert. Der zweite Grund ist nicht weniger komisch und wird von Anubis selbst gegeben: "The circumstances of your death commit me." Die Umstände von Lauras Tod beinhalten unter anderem einen abgetrennten Penis, wie wir im Piloten erfahren haben. In der ägyptischen Mythologie hilft Anubis der Göttin Isis, die Körperteile ihres zerstückelten Mannes wiederzufinden. Die beiden finden dem Mythos zufolge alle Teile außer seinem Penis, den sie mit Hilfe von Magie neu herstellen. Dass diese Verbindung für Anubis anscheinend Grund genug ist, um sich Laura anzunehmen, spricht mal wieder Bände über die Lage der alten Götter im neuen Amerika.

Richtig spaßig wird Git Gone, wenn Laura zu den Lebenden zurückkehrt. Nachdem wir erfahren, dass sie es war, die Shadow im Piloten vor Technical Boys Schergen gerettet hat, trifft sie auf Audrey (Betty Gilpin), die erfrischend authentisch auf ihre Zombiefreundin reagiert. Einerseits ist sie verständlicherweise unendlich schockiert, Laura wiederzusehen, andererseits hat sie keineswegs vergessen, was für einen Schmerz sie wegen ihr erfahren musste und verhält sich entsprechend vulgär ("Get out of my house you zombie whore!"). Ihre langsame Annäherung befindet sich ganz im Stile von Bryan Fuller irgendwo zwischen romantisch und abstoßend: Laura muss ihre Balsamierflüssigkeit loswerden und kommt daher nicht um einen intimen Moment mit der völlig hysterischen Audrey. Ihre lautstarke Ausscheidung scheint das Eis zu brechen, auch wenn Audrey keine Gelegenheit auslässt, ihre Freundin wissen zu lassen, wie sehr sie sie hasst ("I feel terrible." - "Oh, fuck your feelings.")

Am Ende der American Gods-Episode steht im Grunde eine unzählige Male erzählte Binsenweisheit: Wir wissen erst, was wir haben, wenn es weg ist. Wenn diese Lektion aber mit der Hilfe einer einarmigen, Formaldehyd kackenden Zombiefrau vermittelt wird, dann macht das nicht nur auf eine perfide Art Spaß, dann ist das auch ganz einfach schön.

"There is nothing to believe. Trust me. I've looked."

Notizen am Rande:

- Dass Git Gone ein selbständig funktionierender Kurzfilm ist, wird auch durch das Bildformat verdeutlicht. Als bislang einzige Folge wurde sich hier für die eher im Kino übliche anamorphe Bildaufzeichnung mit einem Seitenverhätlnis von 2,40:1 entschieden.

- American Gods deutete in der Serie im Vergleich zum Buch bisher weniger an, dass Mr. Wednesday etwas mit Lauras Tod zu tun haben könnte. Einen kleinen Hinweis gab es in dieser Folge aber auch: Die Autoszene zwischen Laura und Robbie (Dane Cook) wird mit zwei Krähen eröffnet.

- Eigentlich sehr flüssig inszeniert und geschnitten, wird Git Gone gegen Ende dann doch ein wenig holprig. Als Audrey und Laura auf Anubis und Mr. Ibis (Demore Barnes) treffen, ist Audrey nach einem Schnitt einfach weg und Laura auf einmal in der richtigen Stadt, um Shadow zu treffen. Da musste wohl zusammengekürzt werden, um die einstündige Laufzeit nicht zu überschreiten.

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