Nach fast zwei Jahren und 93 Aufregern in Folge stößt auch der härteste Schädel und die massivste Tischplatte an die Grenzen. Guggi hämmerte mit Leidenschaft und Sachverstand in die Tasten und nicht selten auch seinen Kopf auf den Schreibtisch. Hand aufs Herz: Wenn wir moviepiloten den Namen “Guggenheim” hören, denken wir nicht an Kunstmuseen oder an längst verstorbene Kunstsammler, sondern an unseren Guggi. Fakt.
Aber die Filmwelt dreht sich weiter und damit Themen, die unsere Gemüter erhitzen. So wird das Zepter von einem “g” zum nächsten weitergereicht und ein neuer (alter) moviepilot wird in Zukunft für Facepalm-Gesten und Zornesröte sorgen. Was meine Wenigkeit dazu befähigt, Guggis Erbe anzutreten? Lasst es uns gemeinsam herausfinden – mein (noch) unversehrter IKEA-Schreibtisch ist zumindest ein guter Anfang.
Der heutige Aufreger der Woche steht im Zeichen von Anwälten und Abmahnungen. Es geht um Namens- und Markenrechte, die Konzerne und Möchtegernkonzerne wie die ARD ohne Rücksicht auf Verluste und Rundfunkbeiträge zu schützen gedenken.
Tatort: Die Gräuelstelle ist gesichert
Die ARD sieht sich seit jeher als selbsternannter Hüter des Rechts, wenn es darum geht, die Ehre der eigenen Prestigemarke Tatort zu wahren. Fan-Podcasts wurden vom Sender bereits in Grund und Boden gestampft, weil er darin eine Markenrechtsverletzung sah. Vor einigen Wochen folgte die Fortsetzung. Der kleine Berliner Verlag Bertz + Fischer hatte zwei Bücher zum Thema Tatort herausgebracht. „Ermittlungen in Sachen TATORT“ so die Überschrift, dem sich die Buchreihe verschrieb. Das erste Buch mit dem Titel „Sex & Crimes“ konzentriert sich auf die Sittengeschichte der Krimireihe. „Herrlich inkorrekt“ heißt das zweite Buch und widmet sich der Political Correctness der Münster Tatortgespanns Thiel und Boern. So weit, so gut.
Der ARD war das jedoch zuviel Tatort im Titel der beiden Tatort-kritischen Büchern und ließ über eine Anwaltskanzlei den Verlag wissen, dass ein Verstoß gegen ihr Markenrecht vorliege. Bei zukünftigen Nachdrucken soll auf die Verwendung verzichtet werden – zumindest wenn der Verlag Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen aus dem Weg gehen möchte. Keine Einwände habe die ARD jedoch gegen die Verwendung des Wortes in den jeweiligen Büchern, „solange die Benutzung im Fließtext verbleibt“. Welch hübsch formulierter Hohn. Genau genommen darf der Sender gegen eine solche Benutzung rechtlich keine Einwände aufbringen. Zumindest nicht ohne Weiteres. (via)
Der Verlag will aus Furcht vor möglichen Prozesskosten der Aufforderung entsprechen. Sollte jedoch vom Fernsehsender kein überzeugender Titelvorschlag kommen, wird der Verlag die Buchreihe folgendermaßen umbenennen: „Ermittlungen in Sachen jener bekannten Sonntagabend-Krimireihe der ARD, deren markenrechtlich geschützter Titel zu nennen uns an dieser Stelle untersagt wurde“. Touché.
Sollten die deutschen Gesetzeshüter sich dazu erdreisten, während ihres Dienstes das Wort „Tatort“ in den Mund zu nehmen, behält sich die ARD das Recht vor, auch gegen die deutsche Polizei vorzugehen. Vorschläge, wie Deutschlands Freund und Helfer einen „Ihr wisst schon was“ in Zukunft nennen sollte, könnt ihr direkt an die Adresse WirDrehenAmRad@ARD.de schicken. Schuldfleck? Gräuelstelle?
Ein Hobbit kann auch anders
Nicht erst seit Krieg der Sterne, Harry Potter und der Stein der Weisen oder der absurden Mockbuster-Manie sind Hollywoods Anwälte im Dauereinsatz, um mit Abmahnungen und Unterlassungsklagen um sich zu werfen. Auch im Namen des Hobbits wurden juristische Kreuzzüge bestritten. Kurz repetiert: Ein englisches Pub in Southampton, das den Namen „The Hobbit“ trägt, war der Saul Zaentz Company Anfang 2012 ein Dorn im Auge. Schwups bekam Wirtin Stella Roberts und einige andere Lokale ein Anwaltsschreiben zugestellt – übrigens auch „Gandalf’s Night Club“, aber das ist eine andere Geschichte. In diesem Schreiben verbot sich das Unternehmen, das sämtliche internationalen Merchandisingsrechte an Tolkiens Ring- und Hobbitsaga besitzt, die Benutzung aller Namen und sämtliche Anspielungen, sonst würden rechtliche Schritte eingeleitet werden. Das Pub existiert seit über 20 Jahren und hätte wohl 20 weitere Jahre friedlich seine Frodo und Gandalf Cocktails verkaufen können, wäre nicht letztes Jahr ein gewisser Film in die Kinos gekommen. (moviepilot berichtete)
Nun mögen einige von euch sagen: Was ist falsch daran, das eigene Eigentum zu schützen? Auch milliardenschwere Unternehmen, die für unverschämt viel Geld Marken horten und für noch mehr Geld ganze Brutkäfige voll Advokaten halten, haben Rechte. Richtig, nur handelt es sich hierbei aber um ein urtypisches Beispiel, wie Unternehmen solche Rechtsfragen auf einer rein rationalen, geradezu abstrakten Ebene betrachten. Existenzielles Schiffe versenken. Auf dem Radar erscheint der Ping eines Rechtsbruchs. Sie entsenden die Anwaltsflotte. Ziel versenkt. Individuelle Fallstudien oder gar ein persönliches Gespräch suchen? Ein Unding. Der kleine Mann (im Hobbit Fall “Frau”) hat zu sputen und sich möglichst kleinlaut zu geben. Dass dabei Kosten entstehen, die Kleinbetriebe nur selten verkraften, scheint nicht zu interessieren.
Das hätte womöglich auch dem Hobbit Pub gedroht, wenn nicht die Schauspieler Stephen Fry, Sir Ian McKellen und sogar Schriftstellergott Neil Gaiman sich der Sache angenommen hätten. Diese und eine beachtliche Facebook-Prostestaktion zogen das Interesse der Öffentlichkeit auf sich. Und siehe da, 60.000 Facebook Likes und diverse aufgebrachte Tweets später war plötzlich von einer aussergerichtlichen Lösung die Rede. 100 Dollar im Jahr als Lizenzgebühr sollten fortan bezahlt werden – man will als Unternehmen schließlich das Gesicht wahren – und die Sache wäre für die Saul Zaentz Company vom Tisch. Es gibt sie also noch, die Happy Ends im wahren Leben. Zumindest bis Der Hobbit: Smaugs Einöde vor der Tür steht.