Österreichs Action-Exportschlager Arnold Schwarzenegger machte sich als harter Held der 80er Jahre mit Filmen wie Terminator und Das Phantom-Commando einen Namen. Damals ahnte kaum jemand, was für ein komödiantisches Timing in dem Muskelpaket schlummert.
Twins und Kindergarten Cop versuchten zwar schon früh, Arnie als Comedy-Star zu etablieren, ließen aber bei der Action zu wünschen übrig. Erst ein heutiger Tiefseeforscher, der manchmal nebenbei ein paar Filmchen dreht, schaffte es, Karacho und Komödie erfolgreich zu vereinen. Das Ergebnis, das am 15. Juli 1994 herauskam, ist nicht unbedingt schlecht, sondern vielmehr seltsam gealtert und entzog sich schon damals nicht der Kritik.
30 Jahre True Lies mit Arnold Schwarzenegger: Wahrlich ein Film, den man gesehen haben muss, um ihn zu glauben
In True Lies - Wahre Lügen führt Harry Tasker (Schwarzenegger) ein gefährliches Doppelleben. Soweit es seine Familie betrifft, ist er Computervertreter mit dem langweiligsten Job aller Zeiten, für den er des Öfteren auf Reisen muss. Tatsächlich arbeitet er aber als kampferprobter Top-Agent für die geheime Regierungsorganisation Omega Sector – die letzte Verteidigungslinie, wenn es um Terrorismus im Land geht.
Harry und seine Kollegen (unter anderem der unerträgliche Tom Arnold in seiner noch erträglichsten Rolle) werden auf die Pläne der Terrororganisation Crimson Jihad (!) aufmerksam, die vorhaben, mit einem gestohlenen Atomsprengkopf eine US-Großstadt wegzupusten. Man merkt, dass dieser Film vor 9/11 gedreht wurde.
So weit, so unkompliziert. True Lies besteht aber aus zwei komplett unterschiedlichen Plots, die erst in der letzten Hälfte ruppig zusammengeklatscht werden. Harry erfährt nämlich gleichzeitig von einer vermeintlichen Affäre seiner Frau Helen, gespielt von der mittlerweile oscarprämierten Jamie Lee Curtis. Sie ist auf die Masche eines schmierigen Gebrauchtwagenhändlers (Bill Paxton) hereingefallen, der sich ironischerweise als Spion ausgibt. Der eifersüchtige Ehemann nutzt daraufhin die Ressourcen des Staates, um seine Frau zu beschatten und die inkompetente Konkurrenz mit Mikropenis auszuschalten. Man merkt leider auch, dass dies James Camerons Scheidungsfilm nach der Trennung von seiner dritten Frau (Kathryn Bigelow) war.
Ohne seine Identität als waschechter Geheimagent preiszugeben, erpresst Harry die aufgewühlte Helen, als Freelancer-Agentin einen fingierten Spionagauftrag anzunehmen – was uns der Film komplett als romantische Geste verkaufen will. Husband of the year!. Am Ende erfährt sie allerdings von Harrys wahrem Job und macht sogar gemeinsame Sache gegen die Terroristen, die mittlerweile die Tochter (Eliza Dushku) entführt haben. Das imponierte offenbar so sehr, dass Helen fest als Agentin angeheuert wird. Schade nur: Das Bewerbungsgespräch mit Omega Sector-Boss Charlton Heston sehen wir nie.
Es war einmal vor 9/11: Die lustigen Jungs von Crimson Jihad
Wer True Lies heutzutage schief anguckt, muss sich unter Umständen anhören, zu den woken Gen-Irgendwas zu gehören, die sich an einem 30 Jahre alten Film abarbeiten wollen. Dabei ist die von mehreren Seiten kommende, durchaus berechtigte Kritik an True Lies genauso alt wie der Film selbst, erinnert man sich etwa bei Cracked . Und man muss wirklich keine große Mühe aufwenden, um zu sehen warum.
Was die Schurken des Films angeht, liegen hier offensichtlich nur sehr flach unter der Erde verbuddelte Ressentiments vergraben. Das wurde schon Mitte der 90er kritisch kommentiert. Unter anderem vom American Arab Anti-Discrimination Committee, das eloquent argumentierte: "Seit dem Fall der Sowjetunion braucht Hollywood einen neuen Feind; wir sind der bequeme Sündenbock geworden."
Der britische Schauspieler Art Malik, den man schon aus James Bond 007 - Der Hauch des Todes als Mudschahid kennt, spielt mit Gusto und jeder Menge Humor den genervten Terror-Boss, der ständig lamentiert "nur von Idioten umgeben" zu sein. So cartoonhaft sogar, dass man den Film dafür fast vom Haken lassen würde, läge die anti-arabische Xenophobie nicht so eindeutig auf der Hand. Und würde sie nicht so plump den Filmgucker-Frontallappen im Gehirn ansprechen, der nur schmierige Barbaren zum Wegballern für den coolen Saubermannhelden sehen will.
Angestoßen wurde die Diskussion über die problematischen Aspekte von True Lies unter anderem von Filmkritiker Kenneth Turan . In seiner Los Angeles Times-Review des Films schrieb er: "Es mag hirnlos sein, aber das bedeutet nicht, dass es keine Auswirkung auf das Hirn hat."
"Hirnlos", Kenneth? Also bitte, das von allein losgehende Maschinengewehr, das per Zauberkugeln arabische Terroristen tötet, ist ja wohl reine Physik.
"Frauen. Du kannst nicht mit ihnen leben und darfst sie nicht töten"
Und dann ist da der manchmal latente, aber öfter doch ganz offensichtliche Sexismus. Die naive, komplett ohne Wirkmächtigkeit dargestellte Helen steht im Gegensatz zum promiskuitiven Schurkinnen-Vamp in Gestalt von Tia Carrere. Im Laufe des Films wird die graue Ehe-Maus per Grease-Logik ebenfalls cool und sexy, um in der Mitte einer Madonna-Huren-Dialektik zur "perfekten Frau" zu reifenwerden.
Gleichzeitig levelt sie zur kompetenten Agentin auf, obwohl sie vorher auf die häusliche Persona ihres Mannes und sogar den Gebrauchtwagenaufschneider reingefallen ist. Dass so plump geschriebene Frauencharaktere von jemandem kommen, der uns Sci-Fi-Badass Ripley in Aliens und Terminator-Heldin Sarah Connor gegeben hat, ist schon relativ schockierend und vor allem enttäuschend.
00 Wer? Was True Lies trotzdem guckbarer als James Bond macht
Dass True Lies trotz alledem nicht komplett in der Kino non grata-Kiste gelandet ist, liegt hauptsächlich an Jamie Lee Curtis, die vor allem in den Szenen als biedere Hausfrau auf erster Spionagemission die Schau stiehlt. Nein, sie wird nie so badass wie Ripley oder Sarah und ihre Figur ist nicht sehr gut geschrieben – ihre Performance macht Helen aber unendlich charmant und 1000-mal interessanter als jedes Bond-Girl. Auch kann nicht genug Gutes über die Chemie zwischen Schwarzenegger und Curtis gesagt werden, die sich zuweilen wirklich wie ein altes, sich noch liebendes Ehepaar anfühlen. Wenn er sie nicht gerade im Terroristen-Verhörraum über ihr Sexleben ausfragt.
Auch Harry besitzt trotz aller Muckis und Morde im Auftrag der Nation eine andere Seite, die ihn vom Macho-Murks eines 007 abgrenzt. Im Kontrast zu seinem arschcoolen UK-Kollegen lässt Agent Tasker nicht bei jeder Gelegenheit seine Agenten-Persona (aka seine einzige Persona) heraushängen. Manchmal gibt er zuhause den überforderten Dad, den die Familie für den langweiligen Vertreter hält: Superman und Clark Kent. Nur dass beide authentisch sind und nicht nur als Cover für die andere dienen. Das Comedy-Genre tut dem Agententum offenbar gut.
Lasst uns aber auch nicht vergessen, dass Cameron auf technischer Ebene sämtliche Action-Register zieht. Hier werden handgemachte Versatzstücke abgeliefert, über die wir heute noch viel mehr reden würden, wäre der Rest nicht so tonal durcheinander und irritierend. Denken wir nur an die Verfolgungsjagd zu Motorrad und zu Pferd, die Schießerei auf der öffentlichen Toilette, die rasante Jagd nach einem Atomsprengkopf auf dem Overseas Highway, oder den unglaublichen Düsenjet-Showdown mit einem der Dad-Joke-igsten Arnie-Oneliner. Im Gegensatz zu diesen aufgeblasenen Szenen wirken die damaligen Abenteuer von 007 geradezu urig.
Hier der Original-Trailer zu True Lies:
Wo kann ich mir True Lies ansehen?
Wer sich selbst ein Bild machen möchte, findet True Lies - Wahre Lügen im Streaming-Abo bei Disney+ oder als Leih- und Kauftitel bei Amazon, Apple TV, MagentaTV und Co. Die gleichnamige Serie, die es 2023 auf nur eine Staffel brachte, ist hierzulande nicht mehr streambar.