Am 21. Mai startet der neue Film von Atom Egoyan Simons Geheimnis. Der Regisseur gab hierzu ein Interview, in welchem er seine Ambitionen erklärt und uns die filmische Umsetzung näherbringt:
Welche Idee steckt hinter der Story, die Sie in Simons Geheimnis erzählen?
In Simons Geheimnis geht es auf vielerlei Weise um das menschliche Bedürfnis nach Dingen und nach Orten, die unserem Leben Sinn verschaffen – im Gegensatz zu dem pseudohaften Sinn, der Simon in den Massen von Reaktionen aus dem Internet entgegenschlägt. Die wahre Begebenheit des Terrorplans verknüpfte sich für mich mit der Geschichte eines jungen Mannes, der in einem Zeitalter selbst gewählter Identitäten – von erfundenen Usernamen im Internet bis hin zu Avataren in Computerspielen – aufwächst.
Wie kamen Sie auf die Verknüpfung dieser auf den ersten Blick sehr weit voneinander entfernten Themen?
Mich hat es immer interessiert und auch fasziniert zu erforschen, wie wir Menschen miteinander kommunizieren, und auch, wie Medien uns erst die Möglichkeiten und Wege verschaffen, uns selbst darzustellen. Ich nahm es dabei aber lange schon als Paradox wahr, wie unterschiedlich unsere Bereitschaft, Informationen zu verbreiten und unsere Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, ausgeprägt sind.
Welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft?
Was in unserer Kultur gerade geschieht – so wie ich es sehe – ist, dass Leute sich wie an etwas ganz Selbstverständliches daran gewöhnt haben, dass sie jederzeit in der Lage sind, ihre Ideen zu verbreiten und mit anderen zu teilen, dass aber gleichzeitig ihre Aufmerksamkeitsspanne parallel dazu abgenommen hat und Leute so sehr rasch von einem Thema zum nächsten wechseln. Das ist auch genau eine der Schwierigkeiten, vor denen Simon im Film steht: Plötzlich verbreitet sich seine Lebensgeschichte explosionsartig im Internet, er bekommt massenweise Reaktionen, aber dann ebbt das Interesse der Leute am Thema wieder ab, und er muss sich doch wieder allein mit den aufgeworfenen Fragen auseinander setzen, sowohl intellektuell als auch emotional.
Haben Sie für die verschiedenen Erzählebenen unterschiedliche filmische Mittel eingesetzt?
Die Szenen mit Sami und Rachel wirken wie aus einem Traum. Wir haben sie mit einem Teleobjektiv mit sehr hoher Brennweite aufgenommen, was so wirkt, als ob die Kamera um die beiden herumfließt. Die Hintergründe, also alle Orte, an denen die beiden sich befinden, sind unscharf. So verstehen wir, dass sich diese Szene in Simons Fantasie abspielen. So wie wir das Paar Rachel und Sami zeigen, wird es zu einem der heiligen Objekte, die im Film zu sehen sind, von der Weihnachtskrippe über den gestohlenen Baumschmuck bis hin zur zerrissenen Schriftrolle – und so betonen wir ihren unschätzbaren Wert für Simon. Abgesehen von den Rückblenden, für die wir einen anderen Filter verwendet haben, um anzudeuten, dass man die Gegenwartsebene verlässt, haben wir die Atmosphäre des Film nur durch Kontraste, durch die verwendeten Farben, durch das Szenenbild, die Kostüme und die Beleuchtung hergestellt.
Mit Material von X Verleih