Im Kommentar der Woche stellen wir jede Woche einen Kommentar zum Verlieben vor. Sei es zu einer Serie, mit der ihr alt werden wollt, zu einem Film, der dem Alltag nicht standhielt, zu einer Person, bei der ihr Schmetterlinge im Bauch fühlt als wärt ihr 16 - ihr könnt jedem Kommentar, selbst an den unerwartetsten Orten auf moviepilot, euer Herz schenken. Hauptsache ist, ihr sagt uns Bescheid und beweist eure Liebe, in dem ihr ihn uns als Kommentar der Woche vorschlagt.
Kommentar der Woche
Mit ihrem Kommentar zu Before Midnight beweist moviepilot-Mitglied LuAnne, dass nicht jede Liebe zu einem Film, zu einer Filmreihe desillusioniert und erkaltet enden muss. Wir sind vielleicht nicht mehr Hals über Kopf verliebt, wie wir es noch vor bald 20 Jahren waren - aber Liebe ist mehr, als turtelnd durch Wien zu spazieren...Erinnert man sich stets an den genauen Moment, in dem eine Liebe geboren wird - die winzige Geste, der kurze Blick, der flüchtige Kuss - so ist ihr Ende meist eine diffuse Nebelschwade, wo, nachdem sie sich gelichtet hat, man sich plötzlich (wohl bestenfalls) alleine und verlassen wiederfindet. In diese trüben Gewässer wagt sich Richard Linklater in Begleitung seines treuen Schauspieler-Duos Hawke/Delpy vor.
Nun ist es so, dass Beziehungskisten eine ebenso lange wie breit gefächerte Tradition im Kino haben, die von der klassischen RomCom bis hin zum Psychodrama reicht. Beim dritten Akt von Regisseur Linklaters "Before..."-Erforschung der Liebe findet der Zuschauer - nach dem ersten Treffen des Amerikaners Jesse und der Französin Céline in Wien 1996 in Before Sunrise, und ihrem Pariser Wiedersehen vor neun Jahren in Before Sunset - das Paar dieses Mal in Griechenland wieder, wo (passenderweise) die historische Wiege des Dramas steht.
Before Midnight ist, jedenfalls aus meiner Sicht, einer dieser Filme, bei dem die Tagesform der entscheidende Faktor der Rezeption ist. An einem "guten" Tag wird er sich nämlich von der, von den zwei vorherigen Teilen gewohnten Redseligkeit mitreißen lassen und den Film als Meisterwerk des psychologischen Feingefühls empfinden. An einem schlechten Tag hingegen werden ihm die Dialoge als Platitüdenanreihung bis zum Erbrechen erscheinen, deren Seelenstriptease sich ins Unerträgliche steigert bis - ironischerweise - der Einzige, der nackt und schutzlos dasteht, der Zuschauer selbst ist. Dabei vereint Before Midnight eigentlich alle formalen Voraussetzungen eines soliden Films: ansprechende Thematik, schlüssige und zugleich überzeugend natürliche Schauspieler, gepflegte Dialoge und ansprechende visuelle Umsetzung.
Das Erstaunlichste, das meines Erachtens dem Trio Linklater, Delpy und Hawke bei diesem dritten Teil gelingt, ist, den Rhythmus des Films allein durch die zuweilen schwindelerregenden Dialoge zu betonen. Vom ausgeglichenen Gefühls-Tennis entwickelt sich der Film zum rasanten Wort-Pingpong, dessen Frequenz Maschinengewehr-Niveau und -Wirkung erreicht. Bewirkt die nähebedingte Krise der beiden einerseits eine mentale Verzerrung, die sie im gegenseitigen Betrachten kleiner erscheinen lässt, so machen genau diese Fehlbarkeit und dieses hartnäckige Streben nach Zusammensein die zwei Figuren zu passenden, empathischen Projektionsflächen für das Publikum.
Und wenn vielleicht sonst nichts anderes, so lernt der Zuschauer, dass er in seinem alltäglichen Kampf um den Erhalt seiner eigenen Liebe nicht einsam ist. Wie heisst es doch so schön: "Tempus fugit, amor manet - Es vergeht die Zeit, die Liebe bleibt". Glücklicherweise nicht nur auf der Leinwand.
Den Original-Kommentar findet ihr übrigens hier.