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Beton-Oase

14.10.2014 - 12:00 Uhr
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a real hero

„Soll ich euch mal was zeigen?“
„Okay.“

Die Straße verschwimmt und wir fliegen durch einen trockenen Kanal der untergehenden Sonne entgegen. Zu den Synthesizer-Klängen des Songs „a real hero“ fährt der Wagen über die glatte Oberfläche und kommt an einem kleinen Teich zum Stehen, an dem einige Pflanzen wachsen und in dessen Wasser sich das warme Sonnenlicht bricht. Eine Oase inmitten der kalten, herzlosen Großstadt. Doch dieser Moment ist vergänglich, sein Nachhall wird zwar noch einige Minuten eingefangen, doch dann ist er vergangen und nur noch wie ein schöner Traum – irgendwie hier und dennoch nicht real. Die Realität holt uns wieder ein.

Die Szene, über die ich hier schreibe, ist aus dem Neo-Noir-Film „Drive“ von Nicolas Winding Refn und dauert nur zweieinhalb Minuten, dennoch ist sie mir derartig im Gedächtnis geblieben wie sonst nur wenige Filmszenen. In diesen paar Minuten wird nicht viel geredet – sowieso ist der Film eher einer, der von der Mimik und der Chemie der Protagonisten lebt, einem Fahrer ohne Namen sowie seiner Nachbarin Irene, die ein kleines Kind hat und deren Mann im Gefängnis sitzt. Diese Szene bedarf keiner Worte, auch so kann man jede der Figuren nachvollziehen und irgendwie wünscht man sich in diesem kurzen Moment, dem einzigen Moment, in dem die beiden glücklich sein können, in diesem Moment, in dem der Sohn von Irene einmal ein Kind sein darf, der Film möge enden und es dabei belassen. Die drohende Katastrophe ist schon zu erahnen, dies ist die Ruhe vor dem Sturm, könnte man meinen. Doch hier endet der Film nicht. Unerbittlich sehen wir, wie die Geschehnisse ihren Lauf nehmen und die traumhafte Atmosphäre dieser Szene verblasst nach und nach. Das klingt kitschig – doch das ist diese Szene nicht, sie ist menschlich.

Es gibt noch einen Grund, warum ich diese Szene so mag. Nicht nur wurde sie genau an der richtigen Stelle in den Film eingefügt, sie steckt auch voller durchgeplanter Kameraeinstellungen, zum Beispiel, während der kurzen Einleitung in die Szene, in der man alle drei Personen im Auto sehen kann (das Kind auf der Rückbank ist im Spiegel zu sehen). Die schwebende Kamera außerhalb des Wagens und das ruhig dahingleitende Auto sind, genauso wie die Beleuchtung der untergehenden Sonne und der kleine Flecken Natur, nur in dieser Szene im ganzen Film zu finden. Der Rest spielt nachts, in der Stadt und meistens aus Sicht des Protagonisten, aus dem Inneren des Fahrzeuges. Irgendwie verheißt diese Szene Hoffnung. Hoffnung, dass mit den beiden Figuren doch alles gut wird, dass der Fahrer ein Held ist, der das alles schon irgendwie regeln wird und die Hoffnung, dass selbst in einer Betonlandschaft etwas wachsen und gedeihen kann. Diese Hoffnung wird uns im Laufe des Filmes genommen und dennoch denke ich oft daran zurück, was hätte passieren können und wie der Film sich hätte anders entwickeln können.

Die zweieinhalb Minuten, die in den Film perfekt hineinpassen und dennoch so fremd wirken, so surreal in der restlichen Atmosphäre des Streifens, diese zweieinhalb Minuten sind mir im Gedächtnis geblieben, haben mich inspiriert und mir gezeigt, dass man einen Film nicht immer nur in den Schranken des Genres produzieren muss, sondern man die Charaktere menschlich machen und sie aus den starren Regeln des Kinos herausbringen sollte und dieses Unterfangen ist hier mehr als geglückt: Menschlichere Figuren habe ich in Filmen selten gesehen und dafür danke ich Drive.


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