Community

Richard Linklater´s Boyhood - sooo much feels

18.09.2014 - 19:58 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Bild zu Richard Linklater´s Boyhood - sooo much feels
Universal Pictures
Bild zu Richard Linklater´s Boyhood - sooo much feels
6
4
Eine kleine Liebeserklärung

Ein fast leeres Kino am Abend irgendeines Fußballspiels. Der Film: Boyhood. Alles was ich im Vorfeld über diesen Film gelesen habe hat mich neugierig gemacht: Die selben Schauspieler, die innerhalb von 12 Jahren an diesem Baby gearbeitet haben und das auch noch unter Richard Linklater? Dem Regiesseur der Before-Reihe (Before Sunrise, Before Sunset, Before Midnight)? Der selbe Regisseur von Waking Life? JA, ICH WILL!

Und was soll ich sagen? Ich könnte Tage lang über alles reden, was ich an diesem Film liebe. Ohne Punkt und Komma könnte ich versuchen, das zu erklären, was Boyhood mir an verschiedensten Emotionen bereitet hat. Aber jetzt erstmal zum Film: Die Hauptfigur Mason (Ellar Coltrane) ist ein durchschnittlicher Junge. Er ist nachdenklich, ruhig, intelligent und weiß nicht recht, was er mit sich selbst anfangen soll. Er lebt mit seiner Mutter (Patricia Arquette) und seiner älteren Schwester zusammen, während er, nach der Scheidung seiner Eltern, seinen Vater (Ethan Hawke) nur ab und zu an den Wochenenden sieht. Wir sehen diese Figuren innerhalb dieser 12 Jahre in ganz gewöhnlichen Situationen: Umzüge, Campingausflüge, die Besuche des Vaters usw.

Es scheint während des Films nicht viel zu passieren, wobei gleichzeitig doch so viel passiert: das Erwachsenwerden. Die einzelnen Filmsequenzen scheinen nur lose aneinander gereiht worden zu sein, aber wenn wir uns an unsere Kindheit zurück erinnern, dann ist es doch genau so: Wir sehen Fragmente, Erlebnisse, die auf den ersten Blick nichts besonderes sind und uns trotzdem erhalten bleiben, weil da immer noch mehr ist. Wir sehen den kleinen Mason als er einen toten Vogel findet, wir sehen ihn und seine erste Jugendliebe und wir sehen ihn bei seinem Abschluss und all diese Momente sind gleich wichtig. Sie sind ebenso prägend und bedeutend für ihn. Und an diesen Stellen tritt er als Figur zurück, denn dann erinnern wir uns selbst an unseren Abschluss, an unsere erste Liebe oder an einen völlig banalen Augenblick, der die Jahre in unserem Gedächtnis überdauert hat. Boyhood ist wie ein altes Familienvideo, dass man wieder entdeckt oder ein altes Tagebuch, dass irgendwo im Staub lag und dass man schon lange vergessen hatte. Er lässt dich nachdenken und erinnern und fühlen, wenn du ihn lässt.

Besonders für mich und meine Generation schafft es Boyhood, den Zeitgeist der 2000er einzufangen und das nicht nur durch seinen fantastischen Soundtrack. Harry-Potter-Bücher, Britney-Spears-Songs, Gameboys!? Das und noch mehr Popkultur flossen in den Film ein, der ja auch in diesen Jahren gedreht wurde. Vielleicht fiel es mir auch deswegen so leicht mich mit der Figur von Mason und seiner Schwester zu identifizieren.

In Richard Linklaters Film Boyhood geht es um das Erwachsenwerden und die Zeit und das Leben. Es geht um die Mutter, die alles für ihre Familie tat und nach Jahren der Arbeit und der Mühe, plötzlich alleine ist und sich fragt, ob das schon alles war, was das Leben für sie bereit hält. Es geht um einen Vater, der versucht, seine Kinder auf das Leben vorzubereiten, obwohl er sein eigenes noch bewältigen muss und selbst manchmal wie ein Kind erscheint. Es geht um einen Jungen, der wächst und älter wird und gezwungen ist, sich zu entscheiden, was er denn vom Leben erwartet und was für eine Person er überhaupt sein will.


Am Ende sitzt er da, gerade angekommen am College, mit einer Gruppe von Unbekannten, sieht auf den Horizont, der sich vor ihm erstreckt, mit der Frage: “Was jetzt?“. Was jetzt? Die Frage, die wir uns wohl auch am Ende unserer eigenen Jugend stellten, die ich mir auch schon selbst oft genug gestellt habe und auf die der Film auch gar keine Antwort geben will. Er lässt uns dort stehen, zusammen mit Mason. Er wertet nicht, er stellt dar, er zeigt.

Boyhood erinnerte mich im ersten Moment an Terrence Malicks The Tree of Life, durch seine Thematik, seine Tiefe, wobei Boyhood wesentlich simpler daher kommt (definitiv nicht in einem schlechten Sinne). Er geht weniger religiös und spirituell mit dem Thema des „Erwachsenwerdens“ um. Da wo The Tree of Life Vielen oft zu pathetisch und geschwollen erscheint, ist Boyhood zugänglicher und einfacher, aber keineswegs schlechter oder unwichtiger (ich denke beide haben ihre Schwächen und Stärken und ich liebe sie beide!!). Letzten Endes gibt es sicherlich Einige, die mit dem Film (ebenso wie mit The Tree of Life) nichts anfangen können, was ich natürlich akzeptieren muss und unter Umständen auch verstehen kann. Doch wenn man diesem Film eine Chance gibt, dann kann man eine ganz besondere Filmperle entdecken.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News