Christoph Waltz - Aus der Fernsehhölle nach Hollywood, endlich

04.10.2016 - 09:40 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Christoph Waltz in Inglourious BasterdsUniversal Pictures
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Christoph Waltz wird heute 60 Jahre alt. Vor seinem Weltruhm schlenderte der österreichische Darsteller durch die Tiefen des Fernsehens, aus denen ihn erst Quentin Tarantino holte. Ein Blick auf den eigensinnigen, intelligenten Schauspieler.

"Mehr Tiefen als Höhen" durchzogen nach eigener Aussage seine Karriere. Und tatsächlich: Wirft man einen Blick in die Vita von Christoph Waltz, dümpelte der Schauspieler jahrzehntelang im Morast biederer Fernsehproduktionen umher. Ausgerechnet die Rolle eines Judenjägers sollte dem Österreicher endlich seine verdiente Aufmerksamkeit bringen.

Trotz der anfänglichen deutschen Staatsbürgerschaft besteht Waltz dabei auf seinen österreichen Wurzeln, wie er dem ORF  einmal klarmachte:

Ich bin in Wien geboren, ich bin in Wien aufgewachsen, ich bin in Wien zur Schule gegangen, ich habe in Wien Matura gemacht, ich habe in Wien studiert, ich habe in Wien mein Berufsleben begonnen, ich habe in Wien zum ersten Mal Theater gespielt, ich habe in Wien zum ersten Mal gedreht, es gibt noch ein paar Wiener Details. Wie österreichisch wollen Sie es denn noch haben?

Den Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern beschrieb er gegenüber Talkmaster Conan O'Brien einmal mit der Ungleichheit zwischen "Schlachtschiff und Walzer [Waltz]". Auf das Klischee angesprochen , die Deutschen hätten keinen Humor, entgegnete er: "Es ist kein Klischee. [...] Ich glaube, Deutsche sind immer auf einen Frontalzusammenstoß aus. Es hat kaum eine Art von Anmut und Melodie, es ist einfach nur ..." In diesem Moment schlägt Waltz mit der Faust in die offene Handfläche.

Vielleicht ist es gerade diese ironische, charmante Schnippischkeit, mit der Christoph Waltz die Sünden der Fernsehhölle überlebte und zu einem der faszinierendsten Darsteller der Gegenwart avancierte.

Verloren im Krimi, des Deutschen liebste Unterhaltung

Ganze 32 Jahre nach seinem Film- und Theaterdebüt mussten in die Lande ziehen, bis der Wiener seine verdiente Aufmerksamkeit bekam. 1977 spielte er die Hauptrolle im Fernsehfilm Der Einstand. Wie der Film, drohte auch Christoph Waltz im Laufe der Jahre in Vergessenheit zu geraten, mindestens aber in Belanglosigkeit verloren zu gehen. Diverse Auftritte im Tatort und Kommissar Rex, garniert mit Darbietungen in längst zum TV-Humus verkommenen Spielfilmen ließen ihn zwar nicht jahrelang am Hungertuch nagen, verriet  er: "Ich meine, ich musste nie in einem Autovermietungsunternehmen arbeiten." Aus der Sicht eines Künstlers sind die immergleichen und langweiligen Figuren aber natürlich grauenvoll.

Christoph Waltz in Du bist nicht allein - Die Roy Black Story

Dabei ließen kurzlebige Amplituden erste Ausblicke auf eine schauspielerisch anforderungsreichere Zukunft zumindest erhoffen. So erhielt Waltz etwa viel Lob für das 1996 ausgestrahlte Fernsehbiopic Du bist nicht allein - Die Roy Black Story um den titelgebenden Schlägersänger, in dessen Rolle er schlüpfte.

Sein sich danach fortsetzender langlebiger Flug unter dem Radar der hiesigen Filmschaffenden mag auch an der Weise liegen, wie hierzulande produziert wird. Im Rahmen eines Interviews  zu Django Unchained brachte Christoph Waltz die geradezu anmaßende Sicht deutscher Produktionen mit einem Zitat des Schauspielers und Regisseurs Wolfgang Liebeneiner auf den Punkt: "In Amerika wird Film hergestellt wie Kunst und verkauft wie Ware, und in Deutschland ist es genau umgekehrt."

Erfolg in der Neuen Welt

Amerika sollte endlich seine zumindest künstlerische Heimat bedeuten, in der der eloquente Akteur mit dem kantigen Gesicht seinen Ausdruck fand. Mit welch Intelligenz und Inbrunst er nämlich seiner Berufung folgt, ist in Verbindung mit einem solchen Talent und Arbeitseifer der Traum eines jeden Regisseurs.

Selbst vermeintlich öden Pressekonferenzen  drückte er seinen intelligenten Stempel auf, so geschehen zum Start des Dramas Wasser für die Elefanten 2011, in dem Waltz einen strengen Zirkusdirektor mimte. Mit der Frage konfrontiert, wie ihn an die Rolle des Bösewichtes reizte, antwortete er humorvoll, aber mit seriöser Dringlichkeit: "[...] Wenn Sie mir sagen, was ein Bösewicht ist, kann ich Ihnen vielleicht eine Antwort drauf geben. Es gibt keine Bösewichte. Die gibt's nur, wenn man die Sache nicht genau betrachten möchte."

Brad Pitt und Christoph Waltz in Inglourious Basterds

Diese ambivalente Cleverness mündete 2009 dann endlich in den Triumph, der Christoph Waltz mit einem Schlag weltberühmt machte. Es reichte eine Sequenz in Quentin Tarantinos wortgewaltigem Weltkriegs-Epos Inglourious Basterds, um den Österreicher in der Rolle des Judenjägers Hans Landa ins Rampenlicht zu rücken. Sein Auftreten mit dunklem Ledermantel, Totenkopf-verziertem Offiziershut und absurd riesiger Pfeife war nur die äußerliche Erscheinung eines tieferliegenden (Schauspiel-)Genies. Das nuancierte, stets (in mehrfacher Hinsicht) doppelbödige Spiel, in dem er als Nazi im Gespräch mit einem französischen Bauern (Denis Menochet) hinter das Versteck von Juden kommen will, ist von betörender Darstellungskunst. Die vielen kleinen Spitzen, Metaphern und Blicke, mit denen Waltz sein Gegenüber an der Nase herumführt, findet ihren wuchtigen Höhepunkt, als er vom furchtbar freundlichen, pflichtbewussten Soldaten in diabolische Grausamkeit umschwenkt. Von einer Sekunde auf die andere. In nur einer Regung des Gesichtes.

Es brauchte erst die Regiekunst eines Quentin Tarantino und die ambivalente Figur eines Nazis, um die Tiefe des Österreichers Christoph Waltz einem großen Publikum und Hollywood vorzuführen.

Angesichts vergangener Arbeiten u. a. als Bond-Oberschurke (James Bond 007 - Spectre), als deutscher Zahnarzt und Kopfgeldjäger abermals in einem Tarantino (Django Unchained) sowie für Roman Polanski im gesellschaftssatirischem Kammerspiel Der Gott des Gemetzels möchte man auf noch mehr Glanzlichter Christoph Waltz' hoffen. Dass er auch durch eine traditionsreiche US-Show führen kann, bewies er wunderbar mit seiner Moderation bei Saturday Night Live. Demnächst ist er in Alexander Paynes Downsizing und der Action-Cyborg-Romanze Alita: Battle Angel von Robert Rodriguez zu sehen.

Ob er dagegen jemals in einen Tatort zurückkehrt ? "Nein."

Wie schön.

Alles Gute zum 60. Geburtstag, Herr Waltz!

Wie steht ihr zu Christoph Waltz?

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