Das Verbrechen ist überall im Rostocker Polizeiruf

19.02.2012 - 21:45 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Charly Hübner in Polizeiruf - Einer trage des anderen Last
NDR
Charly Hübner in Polizeiruf - Einer trage des anderen Last
2
0
Der Tatort machte heute Pause und ließ dem Polizeiruf den Vortritt. Die Ermittler aus Rostock wurden diesmal einer schweren Prüfung unterzogen, die besonders den emotionalen Alexander Bukow in seelische Mitleidenschaft zog.

Kann einer seiner Vergangenheit entkommen? Diese Frage durchzieht den neuen Polizeiruf aus Rostock. Charly Hübners Ermittler Alexander Bukow ist genau der richtige, um sich durch das Geflecht von Ex- und Bald-Knackis, korrupten Gefängniswärtern und resozialisierten Erzieherinnen zu manövrieren. Eine Wahl hat er nicht, schließlich wird zu Beginn von Polizeiruf 110: Einer trage des anderen Last seine Kollegin Katrin König so schwer verletzt, dass sie in ein künstliches Koma versetzt werden muss.

Lokalkolorit: Das vergleichsweise junge Team aus Rostock ist nicht gerade für idyllische Ostsee-Fälle bekannt. Ein entsprechend kahles Bild zeichnet auch Einer trage des anderen Last von der mecklenburg-vorpommerschen Metropole. Das Finale in der abgeschraddelten Unterwelt eines Fabrikgebäudes bringt etwas Farbe ins Geschehen. Es dominieren allerdings die tristen Rückzugsorte des nur manchmal organisierten Verbrechens, die in Sachen Wohnlichkeit nur noch durch das Innere einer JVA unterboten werden.

Plot: Ein Polizeitransporter wird überfallen, doch anstatt den Insassen zu befreien, bringen die beiden Täter diesen brutal um. Für Bukow (Charly Hübner) ist der Fall vor allem eine Suche nach Absolution, gibt er sich doch die Schuld am Krankenhausaufenthalt seiner Kollegin König Anneke Kim Sarnau. Im Dickicht krimineller Seilschaften, die in die Polizei reichen, verliert er ein ums andere Mal seine Contenance. Das dürfte zuweilen auch dem Zuschauer so gehen, ist das Jonglierspiel mit verdächtigen Namen nach einer Weile doch recht unübersichtlich. Unter dem Wirrwarr leidet die Spannung. Das Wer? steht in Einer trage des anderen Last aber glücklicherweise nicht im Vordergrund. Der beherbergt nämlich Charly Hübners gequälten Bukow und Hübner wird der Aufgabe mit seinen stets suchenden Augen, der Getriebenheit, wie sie nur ein Schuldiger empfinden kann, mehr als gerecht.

Unterhaltung: Ein Komödiantenstadl war Polizeiruf 110: Einer trage des anderen Last nun wirklich nicht. Als wären die lebensgefährliche Verletzung von Katrin König und die Schuldgefühle Alexander Bukows noch nicht genug, setzt der neue Polizeiruf mit drangsalierten Prostituierten und drangsalierenden Knastbrüdern noch einen drauf in Sachen Härte. Unterhaltung ist bei diesem Krimi relativ, dabei liegt das Augenmerk nicht so sehr auf der gehetzten Thriller-Atmo etwa von Tatort: Verschleppt. Bukows Verzweiflung prägt hingegen den rauen Ton, der nordisch-schwermütig daherkommt.

Tiefgang: So gut wie jeder scheint im neuen Polizeiruf kontaminiert zu sein vom Vebrechen. Bukows Jugendsünden waren schon in früheren Folgen Thema und auch seine Manipulation von Beweismitteln wird wieder aufgegriffen. Jessica, die Schwester des Toten, bald 25, hat ein ganzes verbrecherisches Leben schon hinter sich und verhilft als Erzieherin nun anderen zu einem Hauptschulabschluss. Wachmann Dörner hingegen steckt mit drin in den Geschäften des ungleichen Vebrecherpaares Lewandowski (stets auf 180: Gerdy Zint) und Hansen (geradezu ekelhaft schmierig: Hans Löw). Selbst Polizist Pöschel zeigt in seinem Umgang mit einer Prostituierten eine Nähe zum Milieu, die befremdet, ihm als verdeckter Ermittler im Knast jedoch zu Gute kommt. Drehbuchautor Eckhard Theophil, selbst Ex-Knacki und Jetzt-Sozialarbeiter, plaudert im neuen Polizeiruf gewissermaßen aus dem Nähkästchen. Das ist nicht immer logisch. In den Milieuschilderungen neureicher Verbrecher und moralisch entgrenzter Cops liegt jedoch die wahre Stärke dieses Krimis.

Mord des Sonntags: Viel sehen wir nicht von der Leiche, doch der irrwitzige Überfall auf den Gefangenentransporter samt anschließender Exekution des Insassen in der Ödnis eines Fabrikgeländes bildet einen erstklassigen Auftakt für den neuen Polizeiruf.

Zitat des Sonntags: “Ich dachte schon, Sie wachen gar nicht mehr auf, Bukow!” oder “Und vergiss nicht: Wenn’s dunkel is, is Nacht.”

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News