In Cannes, an der französischen Mittelmeerküste, steigt zurzeit die größte internationale Fernsehmesse – die Mip TV. Dort kaufen und verkaufen die deutschen Sender und Produktionsfirmen aller Herren Länder neue und alte Formate, eben alles, das sich irgendwie zu Geld machen lässt. Millionen fließen, wenn die Geschäftsleute versuchen, ihre TV-Perlen – wie Händler auf einem Flohmarkt – an den Mann zu bringen.
Dieses Jahr scheint ein weiterer Trend aus den USA nach Europa zu kommen, wie wir heute in der Berliner Zeitung lesen konnten. Erstes “Highlight” steckt im Sortiment des internationalen Unterhaltungsproduzenten Eyeworks und heißt The OCD-Project. Das klingt wie Jack Bauer auf Drogen, ist aber für mich in Wahrheit eine der absurdesten Ideen seit der Erfindung der Casting-Shows. Das Format wird in den USA zum ersten Mal im Juni gezeigt. Das Studio plant aber schon mit einer zweiten Staffel. The OCD-Project ist eine Doku-Soap, in der Menschen sich vor laufender Kamera von einem Psychologen helfen lassen. Das macht die Super Nanny auf ihre Weise zwar bereits schon seit geraumer Zeit auf RTL, ist dem Geschäftsführer von Eyeworks Deutschland offensichtlich aber egal, denn der überlegt sich schon, wie er das Format für den deutschen Markt adaptieren kann.
Opas im Rollstuhl auf Hetzjagd
Nicht ganz neu, aber mindestens so niveaulos wie die Therapeuten-Geschichte, ist die belgische Kultreihe Benidorm Bastards. Hier werden alte Menschen – teilweise im Rollstuhl – mit versteckter Kamera auf junge Erwachsene losgelassen. In Cannes hat sich das Format bereits in sieben Länder verkaufen lassen und weiß Gott, wie viele es noch werden. Wir haben zur Not immer noch Sender wie MTV, die sich als Lückenfüller gern geschmacklosen Schrott ins Programm nehmen. Für Länder, die noch unschlüssig sind, womit sie ihr Volk quälen können, gibt es noch die holländische Serie Floor Faber. Wer sich gern das Leben einer neurotisch veranlagten, jungen Frau anschaut, sollte zugreifen.
Anti-Helden ist weiter im Kommen
Von jungen Frauen mit einem Sprung in der Schüssel zu gebrochenen Helden aus der Medizin: Die meisten von Euch kennen Dr. House, das misanthropische Genie. Dr. House ist eine großartige Figur, die so ihre Macken hat. Scheinbar entwickelt sich dieser Trend im medizinischem Personal weiter, da es mit seiner Umwelt nicht mehr klar kommt. Dieser Trend schwappt gerade nach Deutschland über. RTL hat sich schon mal die Rechte an der Showtime-Serie Nurse Jackie gesichert. Jackie ist eine drogensüchtige Krankenschwester. Mit Maggie Hill hat der US-Sender ABC dann auch noch eine schizophrene Chirurgin im Angebot. Die Steven Spielberg -Serie United States of Tara reiht sich in die verkorksten Charakter-Serien ebenfalls ein. Hauptfigur ist eine Mutter mit mutipler Persönlichkeit und nein, es heißt nicht United States of Terror!
Das Mip TV in Cannes bietet dem internationalen Fernsehmarkt eine Menge Stoff, den sich der ein oder andere Geschäftsmann deutlich zu oft reingezogen hat. Um in Zukunft nicht den Verstand zu verlieren, wenn wir durch das TV-Programm zappen, müssen wir alles, was wir bisher über Niveau, normalen Menschenverstand und halbwegs durchschnittlich unterhaltsames Fernsehen wussten, wieder vergessen.
In unserem Fernsehprogramm könnt ihr ja schon mal schauen, welche Alternativen euch die privaten Sender noch bieten können.