Der Regisseur Dani Levy (Meschugge, Alles auf Zucker!) äußert sich im Interview zu Schwarzseherei, das Leben in Berlin und die Notwendigkeit, sich selbst einzubringen.
Der Film geht von einer Situation aus, in der Sie ein Mittel gegen Schwarzseherei suchen. Warum?
Die Figur, die im Film meinen Namen trägt, sucht Hilfe bei einem Psychiater, weil sie Angst hat. Sie fragt sich, was passieren wird, wenn es den Deutschen nicht mehr so gut geht wie jetzt. Was passiert, wenn eine neue Weltwirtschaftskrise eintritt wie 1929: Sind die Deutschen dann wirklich verändert gegenüber 1933? Das ist natürlich meine monothematische Phobie, Manie, Besessenheit, als Jude hier in Deutschland, diese Fragen immer mit mir herumzutragen – obwohl ich selbst Deutschland gegenüber wesentlich zuversichtlicher bin als meine Figur im Film.
War es von Anfang an klar für Sie, dass Sie sich mehr oder weniger selbst spielen?
Ich arbeite nun seit bald 30 Jahren in einer Art, dass ich mich selber mit einbringe, meine Befindlichkeit zur Welt und zu bestimmten Themen. Das bedeutet für mich auch eine Form von Durchlässigkeit als Künstler. Das ist mal mehr, mal weniger persönlich, aber nie privat. Es ist ein Arbeiten mit dem eigenen Material, es findet eine Umsetzung meiner persönlichen Erfahrungen in eine künstlerische Welt statt. Gerade bei Deutschland 09, wo es um den eigenen, unverwechselbaren Blick aufs Land geht, war es für mich klar, dass ich mich selber als Figur mit einbringe und zur Verfügung stelle. Und das kann auch bedeuten, sich in eine bestimmte Peinlichkeit, eine bestimmte Nacktheit und Verwundbarkeit hineinzuwagen.
Sie beginnen mit tatsächlich geführten Straßeninterviews über die Wahrnehmung von Deutschland und loten dann in einem eher phantastischen Filmtripp die Möglichkeiten im Positiven wie im Negativen aus. Wie ist diese Idee entstanden?
Ich habe immer mehr Gefallen daran, meine tieferen Lagen, meine tieferen Texturen möglichst ungefiltert nach außen zu bringen. Der Film ist ein Exempel dramaturgischer Sprunghaftigkeit, er bewegt sich wild, eher wie ein Traum oder eine Drogenreise. Und ich spüre, wie befreiend es ist, wenn man von der Wahrscheinlichkeitskrämerei weggeht, wenn man in die Fantasien hineingeht, in die Träume, in das Fellineske. Ich habe das Buch in einem Rutsch geschrieben und dann bewusst nicht überarbeitet, sondern wirklich die erste Fassung „verdreht“, weil sie eben auch verdreht ist. Ich wollte sie nicht gegen-korrigieren, sondern die Geschichte umsetzen und schauen, was dann im freien Fall passiert.
Der erste Teil dieses Trips ist sehr positiv – zeichnen Sie dabei ein Wunschbild Deutschlands oder führen Sie eher positive Klischees vor?
Das ist natürlich beides. Es ist ein Wunschbild, ein Wunschbild vielleicht auch in Form von Klischees, aber auf der anderen Seite auch eines aufgrund von Erfahrung. Für die Szene mit der Straße, die sich zu einem multikulturellen Paradies entwickelt, wo die Realität zu singen und zu grooven beginnt, haben wir zum Beispiel überlegt, ob wir das in einer Straße drehen, die bewusst extrem deutsch und nüchtern ist. Aber wir haben uns dann doch dafür entschieden, die Akazienstraße zu nehmen, wo ich auch wohne. Dort tanzt zwar auch keine Salsa-Gruppe über die Straße, aber es ist durchaus eine multikulturelle Strasse, die fast schon einen utopistischen Touch hat – so wie es ja einige Ecken in Berlin gibt, wo trotz allem noch eine Art von Utopie lebendig ist, mit vielen Nischen. Das heißt, ich habe eigentlich eher eine Verstärkung der Realität vorgenommen und sie gleichzeitig ironisiert. Es macht natürlich viel Spaß, über die Engheiten des deutschen Lebens zu lachen und sie sozusagen in Form einer Utopie zu sprengen. Und natürlich wünsche ich mir oft in meinem Leben, auch in meiner eigenen Straße, dass Deutschland ein bisschen entspannter, ein bisschen lässiger wäre.
Die veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit in „Joshua“ – ist das auch ein Kommentar zu den Möglichkeiten des Kinos?
Kino ist Magie, und im Kino gibt es eben noch Wunder. Das Kino hat die Möglichkeit, Realität nicht nur zu fokussieren, sondern sie auch zu verändern, auf durchsichtige oder undurchsichtige Weise. Ich mag das Durchsichtige lieber, wenn die Mittel für die Zuschauer erkennbar sind, da bin ich eher Brecht als Hollywood. Ich mag es nicht, wenn dem Zuschauer eine Realität vorgegaukelt wird, die eindeutig nicht die wirkliche ist, aber man tut so, als sei sie es. Und für „*Joshua*“ war mein Ansatz, dass sich Realität und Surrealität küssen, sozusagen, und keine Grenze mehr haben, dass wir hin und zurück springen.
Quelle: Mit Material von Piffl Medien zum Film Deutschland 09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation