Philip Seymour Hoffman war – wie es Florian Keller im Tagesanzeiger schrieb – der beste seiner Gewichtsklasse. Jede Szene, jede noch so kleine Nebenrolle riss er an sich und ließ sie glänzen, bemerkte Uwe Schmitt in der Welt. Viele von seinen Auftritten werden immer im Gedächtnis bleiben. Einige davon haben wir aufgeschrieben.
Jenny – Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead
Philip Seymour Hoffman wusste genau, wie er seinen Körper einzusetzen hatte. In Boogie Nights erscheint er viel zu groß für seine kindlich bunten Klamotten, in Der talentierte Mr. Ripley gibt sich sein Schnösel leichtfüßig, befreit und elegant. Das Geld macht es möglich. Sidney Lumet eröffnet seinen Thriller Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead mit einer Sexszene zwischen Hoffman und Filmehefrau Marisa Tomei. Beide sind splitterfasernackt, eine gewisse Zufriedenheit ist diesem Ehepaar anzumerken, dabei werden die aufeinander einwirkenden Körper kühl und distanziert eingefangen. Es ist ein perfekter Auftakt für einen Film über eine Familie, die an ihren Lügen, vor allem auch am Unausgesprochenen zugrunde geht und in ihrem Mittelpunkt stehen zwei Darsteller im vollen Körpereinsatz.
Philipp – Und dann kam Polly
…und dann kam Polly ist eine ansehnliche Liebesromanze zwischen Ben Stiller und Jennifer Aniston. Sicherlich berührend, humorvoll und eben romantisch. Die wahre Komik des Films geht aber von Philip Seymour Hoffman aus, der in seinen Auftritten großartiges, überdrehtes Schauspiel an den Tag legt. Er prägte die wunderbare Aussage Ich habe gerade geschurzt und den passenden Gang danach, rückt sich selbst in den Mittelpunkt des Theaterstücks, in dem er als Judas meint, die Hauptrolle zu spielen und sorgt für wunderbare Lacher in der Basketball-Szene. Diese Sequenz könnte ein einfaches Gespräch zwischen zwei Freunden sein, wenn Hoffmans Sandy Lyle nicht so übertrieben brüllen, werfen und spielen würde, dabei aber nie trifft. Seine Darstellung ist herrlich mitanzusehen.
Robert – Mission: Impossible III
In Mission: Impossible 3 tritt Philip Seymour Hoffman als Antagonist Owen Davian auf. Und bereits in der ersten Szene des Films gibt er den Ton an. Die Waffe an den Kopf der Freundin von Agent Ethan Hunt haltend, zählt er: “Eins, zwei, drei…” Spätestens wenn er bei sieben angekommen ist, möchten wir Tom Cruise anbrüllen, er solle doch endlich diese Hasenpfote rausrücken. Definitiv veredelt Hoffman ein Action-Spektakel wie Mission: Impossible III und präsentiert uns den vielleicht ersten ernsthaft gefährlichen Bösewicht der Filmreihe.
Andrea – Magnolia
Die tiefe Stimme brummt. Die weichen Gesichtszüge beruhigen. Hineingeworfen in den verrückten Lauf der Dinge steht der eigentlich so simple Pfleger Phil am Bett des Sterbenden. Die viel jüngere Ehefrau des Kranken entschuldigt sich unter Tränen für ihre Inkompetenz. Julianne Moore gfreift Phil, gespielt von Philip Seymour Hoffman, dabei flehend an die Wange. Und dann erhaschen wir einen kurzen Blick auf dessen Gesicht und ich erkenne, dass ihn das ganze Szenario ebenso mitnimmt wie mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich Paul Thomas Andersons Magnolia sehe. Dieser Mann wirkt, als würde er all die ihm zugespielten Emotionen aufnehmen und kindlich unreflektiert zurückwerfen. Diese unschuldige Ehrlichkeit mit der er jede einzelne Rolle und in Magnolia jeden Patienten emotional und ausdrucksstark anpackt, als wäre dies das erste Mal, machte ihn zur zugänglichen Identifikationsfigur, zu meinem Star des Films sowie zu einem der spannendsten Darsteller überhaupt.
Ines – Nichts geht mehr – Das Millionenspiel des Dan Mahowny
Dan Mahowny (Philip Seymour Hoffman) würde ein jeder von uns auf der Straße übersehen, er ist still und unscheinbar, introvertiert. Aber hinter seiner Fassade verbirgt sich eine Sucht, die ihn in den Casinos zum Star macht. Mahowny wettet auf alles: Er setzt auf Sportler, Pferde und am Spieltisch. Dabei ist er nicht auf Reichtum aus, sondern will einfach nur spielen. Ein stoischer und unterkühlter Philip Seymour Hoffman fast ohne jegliche Regung im Gesicht steht am Spieltisch und präsentiert uns in Nichts geht mehr – Das Millionenspiel des Dan Mahowny einen Mann, der aus seiner Glücksspiel-Sucht nicht herauskommt. Qualvoll anzuschauen.
Lennard – The Big Lebowski
Die Coen-Brüder haben ein Händchen dafür, selbst kleine Nebenrollen fantastisch zu besetzen. Das ist im Fall des schmierigen, überaus loyalen und politisch überkorrekten Butler Brandt aus The Big Lebowski nicht anders. Wenn Jeff Bridges als tiefenentspannter „Dude“ von Philip Seymour Hoffman als besagter Brandt eine Führung durch die Villa des „Big Lebowski“ bekommt, prallen Welten aufeinander. Aus diesem Kontrast zwischen den Figuren und nicht zuletzt aufgrund von Hoffmans Spiel, entsteht der ganz eigene Humor dieser sensationellen Szene.
Christoph – Punch Drunk Love
Es war diese unglaubliche Vielseitigkeit und Leidenschaft von Philip Seymour Hoffman, durch die es ihm gelang, auch in den kürzesten Leinwandauftritten eine ganze Riege an Darstellern an die Wand zu spielen und aus ein paar Minuten Präsenz alles herauszuholen. Als der aufgebrachte Adam Sandler in Punch-Drunk Love den von Hoffman verkörperten Telefon-Sex-Supervisor und Matratzenhändler Dean Trumbell anruft, um ein für alle Mal alle Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu räumen und den Konflikt zwischen den beiden zu beenden, schafft es Hoffman nicht nur, die Intensität eines Adam Sandler Paroli zu bieten. Ebenso stielt er ihm die ganze Szene. “No, SHUT UP. Shut, shut, shut, shut, SHUT UP!!” Hoffman schaffte es seinem Charakter eine herrische Gemeinheit zu verleihen und noch heute versuchen ich diese großartige Szene als Anspielung in meine Telefongespräche einfließen zu lassen.
Welche ist eure liebste Szene mit Philip Seymour Hoffman?