Diese Nacht: Gewalt und Terror im Niemandsland

02.04.2009 - 13:04 Uhr
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Für sein schauriges Melodram erhielt Schroeter den Spezialpreis der Jury in Venedig – jetzt im Kino!

“Ich bin doch kein Arschloch, das dem Publikum eine solche Sichtweise aufoktroyiert – auch wenn das natürlich typisch deutsch wäre. Der ganze Film stellt nur Fragen und teilt keine Meinungen mit”, so Werner Schroeter über seinen neuen Film im Interview.

Milizenterror, Endzeit und eine Cholera-Epidemie breiten sich in Schroeters neuem Film aus. Der Filmemacher hat mit Diese Nacht den Roman des Uruguayers Juan Carlos Onetti verfilmt, in welchem die fiktive Stadt Santa Maria im Chaos versinkt. Nur eine Nacht entfernt ist das Chaos, der Schrecken, das Ende. Die zentrale Figur ist der Arzt und ehemalige Widerstandskämpfer Ossorio (Pascal Greggory), der während dieser letzten Nacht seine alte Liebe sucht. Grundthemen des Kinos von Schroeter werden hierbei wiederaufgegriffen: das Grauen, die Kompromisslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und die Apokalypse.

Die französisch-deutsch-portugiesische Koproduktion wurde zwar in Venedig nicht von allen Kritikern mit offenen Armen empfangen – die Jury um Präsident Wim Wenders verhalf dem 63-Jährige aus dem thüringischen Georgenthal, der zeit seines Lebens keinen festen Wohnort kennt, aber zu einem Ehrenpreis. Der Filmemacher gilt neben Größen wie Rainer Werner Fassbinder als Vertreter des Neuen Deutschen Films, will den deutschen Film in den 1970ern vorantreiben. Er wird als Pionier des experimentellen Kinos begriffen, sucht nach neuen Erzählformen, die Kritiker nennen seine Filme Ausdrucksfilme. Schroeter vermischt die Kunstformen Oper, Theater und Kino, zu seinen größten Erfolgen zählen die Verfilmung des Romans Malina von Ingeborg Bachmann oder der Politfilm Palermo oder Wolfsburg, für welchen er 1980 den Goldenen Bären erhielt. Diese Nacht gilt als Comeback des Filmemachers, zuletzt hatte er 2002 Deux mit Isabelle Huppert verwirklicht.

Während die einen weniger empfänglich sind für Schroeters Experimentalismus, feiern andere wiederum seinen eigenwilligen Stil, der die Form der Oper ins Kino überträgt und den Film als klare Linie bei seinen Operninszenierungen erkennen lässt. Für seine Inszenierung des Don Giovannis erhielt er gleichermaßen Lob wie fahlen Applaus. So auch für den Endzeitfilm Diese Nacht, der als innovatives Kunstwerk eines “Ritters von der verlorenen Gestalt, einer Rembrandtfigur, einer aus der Zeit gefallener Don Quijote” (Tagesspiegel) gefeiert wird. “Sämtliche Filme Schroeters, dieses letzten Manieristen und Pathetikers, sind Exzesse des Sentiments – die aber die Sentimentalität scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Wer seine Bilder betrachtet, erlebt womöglich eine Offenbarung: die Schärfung des Sinns für die Sinne”, meint Ralph Eue im Tagesspiegel .

“Aus der Angst vor dem Tod sucht der Mensch ein Leben lang nach dem Sinn des Lebens. Nicht vor dem Tod, sondern vor der Zerstörung, die er verursacht, sollte der Mensch Angst haben”, meint Schroeter selbst in einem Interview in der FAZ über seinen Film. Sicherlich ein weiser Satz eines vom Krebs gezeichneten Filmemachers, dessen Endzeitdrama Diese Nacht sein letzter Film sein könnte.

Hier der Trailer

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