Fear the Walking Dead - Wir schauen Staffel 2, Folge 6

17.05.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Strand ist bei Tom angekommen. Besser spät als nie.
AMC
Strand ist bei Tom angekommen. Besser spät als nie.
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Fear the Walking Dead kommt nach Umwegen endlich in Mexiko an. Das lang ersehnte Ziel kann trotz des interessanten Settings nur wenig überzeugen. Und dazu wandert die Serie plötzlich unnötigerweise in bereits ausgetrampelten Pfaden.

„Besser spät als nie,“ sagt Großgrundbesitzer Tom, als Strand und seine Gruppe endlich an ihrem Zielort in Mexiko angekommen. Man möchte ihm zustimmen. Nach einem grandiosen Start hat die Schiffsexkursion schnell an Fahrt verloren, bevor Fear the Walking Dead in der letzten Episode völlig auf Grund lief. Nach diesen Umwegen erschien das lang ersehnte Gelände Toms jedoch ebenso verfault wie sein angebissener Arm. Wie richtig diese Einschätzung sein sollte, erfährt Daniel später mit eigenen Augen.

Wieso und weshalb Mexiko ein so sicheres Ziel ist, erklärt auch die nunmehr 6. Folge nicht. Ebenso bleibt die Logistik hinter der Seebarrikade mit Booten im Abstand von wenigen hundert Metern verborgen. Als die Abigail auf die Küste zusteuert, schickt das Militär einen Stoßtrupp vor, um die Yacht zu inspizieren. Die Soldaten verlangen Gold; ob dies nun dem eigenen naiven Weltbild geschuldet ist oder Mexiko tatsächlich noch so intakt ist, dass Währungen etwas wert sind… wer kann das schon sagen, bei einer Show, die solch rudimentäre Elemente ihres Storytellings offen lässt.

Ich muss gestehen, dass ich dies unglaublich schade finde. Das Versprechen der Prämisse von Fear the Walking Dead erschien doch so klar: Robert Kirkman hat zwar schon vor Jahren deutlich gesagt, dass wir nie den Grund bzw. den Auslöser für die Plage in seinem Erzähluniversum erfahren werden, aber man kann zumindest den Ausbruch von Anfang an erzählen. Immerhin überspringt The Walking Dead dank Ricks zwei Monaten Komaschlaf den gesamten Zusammenbruch der Zivilisation mit all seinen interessanten Kurzgeschichten und Rahmenbedingungen. Die ersten Berichte über Untote im Fernsehen, die große Verwirrung und die darauf folgende Panik, wenn der eigene Nachbar einen buchstäblich fressen will, den Zusammenbruch der Medien, des Militärs und der Regierung - all das hat Fear the Walking Dead in großartigen Momenten in der ersten Staffel angerissen.

Eine Reise über die Staatsgrenzen hinweg versprach einen Einblick in die Schicksale außerhalb der Wälder rund um Atlanta und Washington D.C.. Es wäre gelogen, wenn man Fear the Walking Dead unterstellen würde, diese Möglichkeiten ignoriert zu haben. Jedoch bleibt die Perspektive immer auf einer personalen Ebene. Nie liefert die Serie einen Einblick in die großen Geschehnisse, die um die persönlichen Geschichten herum ablaufen. Es wäre in Ordnung, wenn die Serie sich damit gar nicht befasst, das beweist ja The Walking Dead. Doch die Logik des langsamen Zusammenbruchs diktiert ein gewisses Wissen, zumindest basierend auf Gerüchten, über den Stand der Welt. Und Fear the Walking Dead interessiert sich ja dafür. In der ersten Episode kriegen wir eine Ahnung darüber, wie es um die Flüchtlinge steht. Die zweite Episode verdeutlicht das Ausmaß der Plage im Westen der USA. Wir erfahren, wie es Alex und Jake auf ihrem Flug erging. Und nun wir sollen glauben, dass Mexiko ein lohnendes Ziel ist, weil dort ein sicheres Haus steht. Das reicht nicht aus. Worldbuilding sieht anders aus. Fear the Walking Dead muss diese Ansätze stärker ausnutzen.

Und so bleibt die Erzählung gefangen auf einer personalen Ebene, die in den ersten Wochen noch im verschiedenen Umgang mit den Untoten beschäftigt ist. Das ist prinzipiell höchst interessant und kann besonders in den ersten dramatischen Momenten zu hochgradig emotionalen Reaktionen führen. Schlussendlich ist die Antwort auf die Apokalypse aber schlicht limitiert - oder zumindest impliziert dies Fear the Walking Dead mit seiner insgesamt zwölften Folge, die erneut eine Gruppe von Überlebenden darstellt, die auf einer Farm Unterschlupf finden und mit den Einwohnern anecken, welche wiederum ein dunkles Geheimnis in Form von verwandten Zombies in einem beliebigen Schuppen wahren. Das kennt der Zuschauer. Das macht die Welt klein. Das schmälert das Szenario. Das stumpft die Figuren ab. Das ist, insgesamt, einfach schade.

Celia, Luis’ (RIP) Mutter, hat jedoch immerhin auf den zweiten Blick nicht so viel gemein mit Hershel Greene, wie man das befürchten muss. Während Hershel seine Verwandten einsperrte, da er auf eine wissenschaftliche Lösung der Zombiefrage und eine medizinische Heilung seiner Verwandten hoffte, akzeptiert die tief gläubige Celia die neue Situation und sieht in ihr den nächsten Schritt. Die Walker sind für sie die nächste Stufe der Existenz, weshalb ihr der Tod ihres Sohnes auch wenig ausmacht. Dass sie ohnehin eine skrupellose Person ist, die gefürchtet werden muss, zeigt uns bereits das Cold Open: Ein Priester stimmt seine Gemeinde darauf ein, dass nicht Gott diese Plage heraufbeschwört hat und es nicht das Ende der Welt ist; daher gilt es zu kämpfen. Bevor dies geschehen kann, vergiftet Celia die Einwohner - um einer Vernichtung der Angehörigen vorzubeugen.

Dieser Glaubenskrieg ist prinzipiell interessant und in den ersten Tagen der Apokalypse dürfen die Menschen auch noch in ihren Überlegungen wanken, bevor ihnen klar werden muss: Diese Zombies sind nicht unsere Freunde. Gerade da die Personen noch kaum verfault sind, kann ihre Erscheinung bei dafür empfänglichen Figuren gewisse Verbindungen hervorrufen. Das Gehirn versucht, das Unmögliche zu rationalisieren. Fear the Walking Dead scheint jedoch immerhin zu wissen, dass diese Verwirrung nicht nur bereits abgehandelt wurde, sondern auch nicht unbedingt lange andauern kann. Deshalb entdeckt Daniel (Rubén Blades) die Toten auch schon in der gleichen Episode der Ankunft. Diese ist übrigens wieder erneut fantastisch von Komponist Paul Haslinger untermalt. Die zwei stimmigsten Szenen der Serie bisher bestanden darin, dass die Figuren auf einem Pick-Up Truck durch die Gegend fahren und man Haslinger ein Ding machen lässt. Mehr davon!

Bevor Daniel jedoch diese neue Gefahr entdeckt, beginnt er seelisch einzubrechen. Wie alle Figuren leidet er an einem posttraumatischen Stresssyndrom. Gerade jetzt, wenn die Figuren kurz ihre ständige Aufmerksamkeit am Ende ihres Ziels aussetzen und ausruhen können, kommt die Angst und Unsicherheit. Nick, der wohl mit Ofelia demnächst eine Beziehung eingehen wird, hat Flashbacks zurück zu seiner zombiefizierten Freundin. Strand kommt mit dem langsamen Tod seines Geliebten nur sehr schwer zurecht. Travis (Cliff Curtis) versucht die Zweifel seines Sohnes zu beseitigen, doch Reeds Drohungen in der letzten Folge scheinen bei Chris Wirkung zu zeigen. Er glaubt, dass ihm niemand mehr helfen will und er demnächst aus der Gruppe entfernt wird. Das führt nicht nur dazu, dass er Madison fast einem Zombie überlässt, sondern auch später mit einem Messer neben ihrem Bett steht.

Wir erfahren noch nicht, was er damit vorhatte, doch Chris ist derzeit so neben der Spur, dass man ihm wohl den ultimativen Schritt zutrauen muss. Diese Aktion wiederum erfordert natürlich eine Reaktion. Chris wird weder auf Carols Blumen starren müssen oder die Gruppe verlassen müssen, aber das Misstrauen in der Patchwork-Familie wird wachsen und einen Graben zwischen Travis und Madison ziehen. Darauf kann die Gruppe gerade verzichten. Auch der Zuschauer, der dieses Drama bereits gewohnt ist. Ähnlich wie die gesamte Entwicklung von Chris und den Ablauf dieses Farmplots.

Fear the Walking Dead muss sich überlegen, was es sein will. Erzählt man nur eine Geschichte, die zwar zeitlich und geographisch versetzt ist, aber grundlegend dem Ablauf von The Walking Dead folgt? Oder versucht man tatsächlich etwas Neues zu erzählen? Gibt es Orte auf der Welt, wo die Regierungen länger ausgehalten haben? Es muss doch geographische Besonderheiten geben, die bei der Abwehr der Zombies helfen können. Welche Risiken und Gefahren gehen die Menschen in den frühen Zeiten der Apokalypse ein? Gibt es noch Versuche einer politischen Lösung? Wie sieht es im Rest der Welt aus? Gibt es das Internet noch? Die Ansätze wären so einfach.

Aktuell wirkt es nämlich so, als halte man die Geschichten bewusst klein, sodass man im Zeitalter des multimedialen Storytelling genügend Platz lässt, um weitere Geschichten erzählen zu können. Dabei wäre es doch so wichtig, zunächst einmal eine richtig zu erzählen.

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