Fortsetzungswahn – die Nichtkunst des Sequels

06.08.2014 - 09:20 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
22 Jump Street
Sony
22 Jump Street
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Interessante oder ihren Vorgängern überlegene Fortsetzungen haben Seltenheitswert. Dennoch ist das Kino dem Fluch der Wiederholung erlegen. Wollen wir wirklich ständig Sequels sehen? Oder sind wir nur längst entsprechend konditioniert?

Die allerwenigsten Sequels können es mit ihrem jeweiligen Original aufnehmen, und noch viel unwahrscheinlicher ist es, dass sie es gar zu überflügeln verstehen. Vielleicht ließen sich einzig Comicsuperheldenfilme und entsprechende Franchise-Bestrebungen davon ausnehmen, so diese bereits ihrem Wesen nach auf Fortführung konzipiert sind. Das muss natürlich keineswegs bedeuten, derartige Sequels seien weniger unnötig, aber es ist müßig, seriellen Comicfiguren die Wiederholung des ewig gleichen anlasten zu wollen – ihre ständige Neuerfindung (oder zumindest Neuauflage) ist ein (auch ästhetisches) Prinzip, das überhaupt erst den Grundstein ihrer filmischen und ggf. literarischen Existenz bildet. Und doch haben wir uns auf eine gewisse Fortsetzungsskepsis geeinigt. Wir wissen um die strukturellen Schwächen des Sequels, uns ist bewusst, dass eine gute Idee beim zweiten, dritten, vierten Mal längst nur noch halb so gut ist. Und dass es alle Modifikationen, die eine Fortsetzung am Original vornimmt, eigentlich gar nicht braucht, so sehr wir auch immer noch ein Vergnügen daran finden können. Sequels sind die unoriginellste und doch einträglichste Art des Filmemachens, wie außerordentlich seltsam, dass wir es trotzdem nicht besser wissen.

Soweit das Auge reicht
Blick auf den aktuellen Kinostartkalender. The Purge 2 – Anarchy schickt sich an, die Prämisse seines Vorgängers durch einen leichten Perspektivwechsel und runderneuerter Besetzung ein zweites Mal gewinnbringend zu verkaufen. 22 Jump Street ist bemüht, die eher losen Bestandteile des überraschend einträchtigen ersten Teils zu systematisieren und daraus eine Erfolgsformel abzuleiten, die alle Uneindeutigkeiten des Vorläufers nun säuberlich lesbar ins Bild setzt. Drachenzähmen leicht gemacht 2 schreibt die Abenteuer des Wikingerhäuptlingssohnes Hicks fort, um eigentlich nur den prächtig animierten Drachen erneut eine 3D-Bühne zu bieten, dieses Mal eben bigger und better. The Raid 2 weiß um die Gefahr, dem fulminanten Nonstopgeprügel des Vorgängers lediglich graduelle Unterschiede hinzufügen zu können und spinnt daher eine ungleich komplexere Geschichte, deren Bemühen nach Epik dann doch wieder über das dauerhafte Zerbersten der Körper führt. Transformers 4: Ära des Untergangs ist, wie der freundliche Titelzusatz aufklärt, ein innerhalb des Franchises finale Entscheidungen simulierendes Spektakel, das letztlich nur die Evolution der Tricktechnik dokumentiert – bis zum nächsten state of the art gefertigten Krawall. Coming up: Planet der Affen – Revolution, Step Up: All In, Planes 2 – Immer im Einsatz, Saphirblau, The Expendables 3.

Optimierungswahn
Der Antrieb, Sequels besser und größer, schneller und härter gestalten zu wollen, dient der Fortsetzung auch als ein wesentliches Produktions- und Verkaufsargument. Aus derartigen Impulsen speisen sich ebenso Remakes, Reboots oder Reimaginings, die alle schon Synonyme des Sequels sind, weil es ihnen um die Weiter- und Neuschreibung, gewiss jedoch lediglich um die Handhabung einer bereits existierenden Idee und ihrer Konzepte geht: Sujets, Plots, Figuren, Motive und Topoi gehören der Vorarbeit an und sind als Muster zur Variation freigegeben. Man kann über den künstlerischen Wert einer Fortsetzung allein deshalb diskutieren, weil sie sich immer eines kreativitätsreduzierten Pools schon angefertigten Materials bedient. Viel erörterungswürdiger erscheint mir jedoch die Begründungspraxis des Sequels, das seine vermeintliche Dringlichkeit stets auch als Update des Vorläufers formuliert: Wenn Fortsetzungen bigger und better seien, sind die Originale demnach klein und weniger gut? Ob intendiert oder nicht, scheint die Rhetorik des Sequels stets darauf angelegt, eine Art emanzipatorische Überlegenheit zu demonstrieren: This Time It’s War, First there was only…, but now there are… usw. Eine gewisse Komik (oder auch Aufrichtigkeit) provozieren hingegen jene Taglines, die das Wiederholungsprinzip fast demütig als Werbung nutzen: Same Make. Same Model. New Mission. oder Expect the impossible again.

Manchmal kommen sie wieder
Die Bemühungen, solcherlei Versprechen einzuhalten, reichen von neuen Nebenfiguren über neue Co-Stars bis zu neuen Schauplätzen. Sie wollen allen Beigeschmack des lediglich Aufgewärmten vergessen machen, indem sie zumindest den Tisch neu decken, mit teurerem Geschirr und besserem Besteck. Fortsetzungen, die wirklich jede Idee ihrer Vorgänger aufgreifen und dabei einzig etwas üppiger umsetzen (Ghostbusters 2, Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil, Teenwolf II, Kevin – Allein in New York, Blues Brothers 2000), veranschaulichen die eigene Verzichtbarkeit so sehr, dass jedes Franchising schon gekillt ist, bevor es überhaupt zu leben begann. Andere wissen es selbst Jahrzehnte später nicht besser und gehen mit Sequels, nach denen kein Mensch gefragt hat, in die Flopgeschichte ein (Flucht aus L.A., Basic Instinct 2: Neues Spiel für Catherine Tramell, Wall Street 2: Geld schläft, Dirty Dancing 2: Heiße Nächte auf Kuba, Die Maske 2 – Die nächste Generation). Ein ganz besonderes Kuriosum, und glücklicherweise auch kein ernstzunehmendes, bilden DTV-Sequels wie The Butterfly Effect 2, Road House 2 oder die vielen Disney-Verunglimpfungen eigener Hits, und die eine Stufe darunter – im Fernsehen – produzierten Filmfortsetzungen zu Gesprengte Ketten, Rosemaries Baby oder Lawrence von Arabien (sic).

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