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Frauenarzt und Taktloss: "Gott"

01.06.2017 - 00:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
"Gott"
Universal
"Gott"
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Vor wenigen Tagen veröffentlichten die Berliner-Hip-Hop-Urgestalten ihr gemeinsames Album mit dem vielversprechenden Titel "Gott".

Es gibt im Hip-Hop seit circa 2009 eine Debatte, denn dort manifestierte sich langsam ein Umschwung im Genre. Hip-Hop avancierte immer mehr zur Mainstream-tauglichen Kunstform, was vor allem Künstlern wie Cro, Kollegah und Casper zu verdanken ist. Diese ebneten eine neue Ära-sowohl stilistisch als auch inhaltlich. So widmeten sich Cro und Casper in der Vergangenheit eher sensibleren Themen und Kollegah setzte die Messlatte in Sachen Technik gewaltig hoch.

Rapper der alten Schule wie zum Beispiel Fler kritisieren diese neuen Bewegungen, sind der Auffassung in Hip-Hop ginge es nie um Technik, sondern um Charakter und Realness, auch würden Cro und Casper die Wurzeln durch ihren "verweichlichten" Inhalt verraten.

Meiner Meinung nach muss man da differenzieren. Ich halte nichts davon die "modernen" Rapper an den Pranger zu stellen, genauso wenig halte ich davon die "alten" Hasen für ihre angeblich mangelhafte Technik zu kritisieren. Beides hat seine Daseinsberechtigung. Und so war es um die Jahrtausendwende in Deutschland in der Regel nun mal: Hip-Hop hatte seine ganz eigene Lyrik, bei der man nicht die Silben zählte, sondern eine Geschichte, einen Spirit.

Frauenarzt und Taktloss stammen nun genau aus dieser Ära von Musikern, bei denen die Realness noch über allem stand. Frauenarzt ist in meinen Augen generell ein sehr interessanter Künstler, der kein Blatt vor den Mund nimmt und dafür auch juristisch schon das eine oder andere Mal belangt wurde, und einer der wenigen Rapper, die ihre Texte zum Großteil auf die Live-Tauglichkeit abstimmen. Arzt selbst sagte, dass er beim Schreiben daran denkt, wie gut sich das live spielen lässt und nicht so sehr daran, welchen Inhalt er kommunizieren kann.

Nun aber zum Album: Sehr viel besser hätte es nicht gelingen können, meiner Auffassung nach. "Gott" ist lyrisch sehr simpel gehalten, dafür aber nicht minder interessant. Während man bei Frauenarzt die ganze Zeit einen aggressiven Typen vor Augen hat, der einfach nur Anarchie möchte und den Stinkefinger weit in die Höhe hält, hat man bei Taktloss einen sadistischen und vollkommen kranken Kerl im Visier. Das in der Kombination hat etwas echt perfides, ja fast verstörendes. Da passt es ehrlich gesagt sogar viel besser, dass die Reimtechnik eher simpel gehalten ist.

Inhaltlich geht es um pure Selbstverherrlichung (wie der Titel schon sagt) und Dank des Songs "Antigott" (Bonustrack) wird auch nochmal verdeutlicht, dass es hier um Gewalt, Sex und Pöbelei geht...das Album geht inhaltlich direkt und konsequent nach vorne.

Die größte Stärke des Albums liegt aber meiner Meinung nach in der Musikalität. Neben den klassisch leicht epileptisch wirkenden Frauenarzt-Beats, die sowieso schon recht verstörend wirken, haben sich nun leichte Neuerungen wie Autotune in sehr geringem und passenden Maße eingefügt. Das Ganze bildet ein wunderbares stimmiges Gesamtprodukt.

Insgesamt betrachtet ist "Gott" in meinen Augen ein rundum gelungenes Album, das ich sehr zu schätzen weiß. Dennoch wird es wohl die Geister spalten, denn von technischen Spielereien oder Tiefe ist hier nicht die Spur zu finden.

8,0/10

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Trackliste:

1. Wir sind Gott

2. Ich Schwöre

3. Kein Geheimnis

4. Bis sie mich töten

5. Egal was du sagst

6. Jemand muss es tun

7. Was ist los?

8. Es ist Zeit

9. Ich tu´ nicht viel

10. Einer klatscht

11. Sag wie es ist

12. Untergrund Rap

13. Vorhang auf 3

14. Weltuntergang

Anspieltipps: "Ich schwöre", "Was ist los?", "Ich tu´ nicht viel"


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