Gentechnik & Simulationen als Horrorvorstellung

09.09.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Jude Law in eXistenZ
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Gentechnik und simulierte Welten, die nicht als solche erkannt werden, sind in den 1990er-Jahren ein großes Thema im dystopischen Science-Fiction-Film und feierten mit Jurassic Park und Matrix große Erfolge. Doch woher kommen die Ängste?

Die Science Fiction hatte sich bis in die 1990er-Jahre, zuletzt mit dem Cyberpunk, unzählige Thematiken geschaffen, deren Vermischung sich in zahlreichen Filmen Ende der 1990er Jahre äußert und bis ins neue Jahrtausend anhalten sollte. In meinen bisherigen vier Teilen der Themenreihe Von Metropolis bis Matrix habe ich von Invasionsängsten im Kalten Krieg (Die Dämonischen), Apokalypsen in den 70ern (Mad Max) und Cyborgs in den 80er Jahren (RoboCop) erzählt.

Auch das Motiv der klassischen Dystopie zieht sich in den 1990ern weiterhin durch die Filmlandschaft, beispielsweise versteckt hinter anderen Science-Fiction-Elementen wie der Zeitreise und dem Menschen vernichtenden Virus in 12 Monkeys von Terry Gilliam. In jenem Film aus dem Jahr 1995 fungieren die WissenschaftlerInnen sowohl als Geißel, als auch als letzte Hoffnung der Menschheit.

Mehr: Teil 1 – Gesellschaftsängste als Science-Fiction-Geschichte
Mehr: Teil 2 – Die Anfänge des dystopischen Sci-Fi-Films
Mehr: Teil 3 – Invastionsfilme & andere Dystopien im Kalten Krieg
Mehr: Teil 4 – Terminator, RoboCop & die Geburt des Cyberpunks
Mehr: Teil 6 – Menschliche Technisierung als neue Hiobsbotschaft

Gentechnik & Simulierte Welten
Doch zwei Motive stechen in den 90er-Jahren im dystopischen Science-Fiction-Film besonders hervor, widmet man sich den einflussreicheren Werken dieses Jahrzehnts: die Genmanipulation, angesteckt durch neue Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern, und simulierte, virtuelle Welten, welche der Cyberpunk in den 80er-Jahren eröffnet hatte. Beide Themen konzentrieren sich vorrangig auf die Veränderung des menschlichen Körpers – einmal als Manipulation des menschlichen “Materials”, einmal als Manipulierung der Sinne.

Lebende Dinos und schlechte Gene
Das Dinosaurier-Abenteuer Jurassic Park von Steven Spielberg und die Gen-Dystopie Gattaca von Andrew Niccol mögen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, doch bei näherem Hinsehen warnen sie beide vor einem unverantwortlichen Umgang mit Gentechnik. In Jurassic Park äußert sich dies als tricktechnische Sensation durch die Mischung aus konventionellen Dinosaurierpuppen und Computeranimation. Geniale Wissenschaftler lassen prähistorische Urzeittiere wieder auferstehen, ohne ihre zerstörerische Kraft berechnet zu haben. Gattaca mit Jude Law und Ethan Hawke zeigt sich hingegen als klassische Dystopie, verpackt in naher Hightech-Zukunft, in der ungeborene Kinder perfektioniert werden können. Alle Embryonen, welche nicht von ihren zahlreichen Makeln befreit wurden, gelten später als Menschen zweiter Klasse.

Gentechnik ist jene Technik, welche die Hoffnungen und Ängste des Menschen, sich eines Tages selbst zu erschaffen, wahr werden lassen könnte. Sie berührt die Grundpfeiler menschlicher Existenz mit der Erschaffung des Menschen durch den Menschen auf künstlichem Weg. Irgendwo zwischen diesen Ängsten einer Risikotechnologie und der Hoffnung auf den Durchbruch der Bekämpfung von Krankheiten befinden sich die drei grundlegenden Themenkreise der Gentechnik bezüglich menschlichen Erbguts: das verbotene Klonen von Menschen und die umstrittene Stammzellenforschung sowie pränatale Frühdiagnostik.

Cyborgisierung wird zu Immaterialisierung
„Anstatt den menschlichen Körper zu zerstückeln und zu ersetzen, wird die Evolution kurzerhand vorab korrigiert“, schreibt Marcel Feige in Science Fiction passend über die Genmanipulation als eine dem Cyborg gegenüberstehende These. Der Cyborg-Körper wird in den 90er-Jahren aber nicht nur zum Experimentierteller für Gen-Forscher nach der Genom-Entschlüsselung im Jahr 2003. Langsam wurde er ebenso im Angesicht der aufkommenden Sci-Fi-Visionen zu einem Interface-Körper. Denn im Gegensatz zum Cyborg, welcher durch eine Vermischung von Biologie und Technik, von Mensch und Maschine, gekennzeichnet ist, lässt das oben bereits genannte Interface eine Körperverdoppelung zu. Der Mensch kann mit dessen Hilfe in der Realität materiell, aber auch im Datennetz immateriell existieren. Dieser Anschluss an das weltweite „Netz“ lässt den sterblichen Körper in der Realität zurück, während der virtuelle unversehrt sowie ohne sichtbare Prothesen leben kann.

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