Günter Rohrbach über seine Effi Briest

09.02.2009 - 12:40 Uhr
Effi Briest
Constantin Film
Effi Briest
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Warum verfilmt Günter Rohrbach den Fontane-Roman Effi Briest noch einmal?

Theodor Fontanes Effi Briest ist der große Liebes- und Ehebruchsroman der deutschen Literatur, in seiner nationalen Bedeutung vergleichbar mit Werken der Weltliteratur wie Flauberts Madame Bovary oder Tolstois Anna Karenina. Es ist ein Filmstoff wie kein anderer, und so lag es nahe, dass sich praktisch jede Generation deutscher Filmemacher an ihm versucht hat. Die jungen Stars ihrer Zeit setzten sich mit dieser Rolle ein Denkmal. Begonnen hat es mit Marianne Hoppe, am Vorabend des zweiten Weltkriegs, unter dem Titel Der Schritt vom Wege und ihr Regisseur war Gustaf Gründgens. Mitte der 1950er Jahre war es Ruth Leuwerik unter dem zeittypischen Titel Rosen im Herbst mit Rudolf Jugert als Regisseur. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre gab es dann gleich zwei Filme, einen in der DDR mit Angelica Domröse, Regie Wolfgang Luderer, und einen in Westdeutschland mit Hanna Schygulla, Regie Rainer Werner Fassbinder, beide ebenfalls unter dem Originaltitel Effi Briest. Inzwischen sind fast 40 Jahre vergangen, und es wird Zeit für eine neue, aus heutiger Perspektive erzählte Version.

Die drei Verfilmungen vor Rainer Werner Fassbinder hielten sich in einem vergleichsweise konventionellen Rahmen und bedienten ihre Vorlage ohne eigenen künstlerischen Anspruch. Erst der Filmemacher hat durch seine strenge Stilisierung (in Schwarz-Weiß!) den Stoff in eine neue Dimension gehoben. Gerade indem er sich penibel auf Fontane einließ, hat er zugleich über ihn hinausgewiesen. Dennoch ist auch Fassbinders Film seiner Zeit verhaftet geblieben.

Die Amerikaner und insbesondere auch die Engländer machen es uns seit Jahren immer wieder vor, wie erfolgreich man mit den literarischen Klassikern umgehen kann (siehe z.B. Sinn und Sinnlichkeit oder Stolz und Vorurteil). Es gibt dafür ein großes, aufgeschlossenes Publikum. Voraussetzung ist freilich, dass es gelingt, den Reiz einer historischen Situation, ihre Dekors und Kostüme, ihre einzigartige Aura mit dem Bewusstsein der Gegenwart zu vermählen. Mit diesem Ziel wurde Effi Briest gedreht.

Wir haben uns bemüht, Fontane neu zu lesen, die Ereignisse, die Gefühle, die Obsessionen aufzudecken, die sich hinter den Zeilen verbergen. Der Roman ist gewissermaßen in Synkopen geschrieben, entscheidende Momente werden unterdrückt, verschwinden im Off. Das Buch vibriert geradezu vor Sexualität, aber der Text gibt sie nicht preis, versteckt sie in bedrohlichen Bildern, angstmachenden Halluzinationen. Er ist quasi vor-freudianisch und gerade darum mit Freud zu lesen. Das haben wir versucht, ohne uns dabei von Fontane zu entfernen.

In dem Roman stecken überdies zwei Themen von – betrachten wir unsere Parallelgesellschaften – geradezu brennender Aktualität: Zwangsverheiratung und Ehrenmord. Es ist noch nicht so lange her, dass solche Verhältnisse ein Teil unserer eigenen Welt waren. Die Frau, die Fontane als reales Vorbild diente, ist erst vor wenigen Jahrzehnten gestorben. Sie, die reale Figur, hat uns auch ermutigt, in einem wichtigen Punkt von Fontane abzuweichen. Da war noch ein Leben nach dem Leben, darum der befreiende Schluss.

Es ist der Vorteil historischer Geschichten, dass sich in ihnen die Konflikte stärker abzeichnen, als wir das heute zulassen würden. Da ist ein Ehebruch noch eine unheilbare Katastrophe, und da wird nicht gestritten, sondern geschossen. Es sind nicht die Probleme, die uns heute von den damaligen trennen, wohl aber die Art, damit umzugehen. Da ist nichts geglättet und abgeschliffen, da ist alles harte Kante.

Zwei starke Frauen tragen diesen Film: die Regisseurin Hermine Huntgeburth und die Schauspielerin Julia Jentsch. Die Regisseurin hat in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen gezeigt, wie genau, wie sensibel und wie modern sie Geschichten erzählen kann. Und die Schauspielerin ist nicht zuletzt seit Sophie Scholl – Die letzten Tage eine der großen Hoffnungen des deutschen Films, für Effi Briest die Idealbesetzung.

Günter Rohrbach
Quelle: Mit Material von Constantin

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